Düsseldorf. Eigentlich soll er Jürgen Rüttgers den Rücken stärken. Jetzt wird er für den NRW-Ministerpräsidenten zum Problem. Chefberater Boris Berger ist tief in die sogenannte Video-Affäre verstrickt. Damit katapultierte er Rüttgers zurück in eine Krise, die dieser bereits überstanden glaubte.
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Ein erfahrener Unionspolitiker beschreibt das aktuelle Dilemma von Jürgen Rüttgers mit einem drastischen Bild: „Wenn die Gewehrkugel erst einmal den Lauf verlassen hat, ist es schwer, sie noch zu beeinflussen.” Während der NRW-Ministerpräsident und CDU-Landeschef gerade in Paderborn „als Zeichen dafür, dass wir langfristig denken” ein Bäumchen pflanzte, geriet in Düsseldorf sein engster politischen Berater aus der Staatskanzlei schwer unter Beschuss. Die Vorwürfe gegen Boris Berger katapultierten seinen Chef kurzfristig in eine Krise zurück, die er bereits überstanden glaubte.
Bei der Video-Beobachtung von SPD-Landeschefin Hannelore Kraft, für die Rüttgers seine CDU-Zentrale gerade erst gerügt hatte, führte ausgerechnet sein Intimus aus der Staatskanzlei mit Regie. Für Kenner der Szene ist es zwar wenig überraschend, dass sich ein Regierungsmitarbeiter in Parteiarbeit einmischt. Gleichwohl ist die Verknüpfung strikt verboten. „Man darf sich nur nicht erwischen lassen”, heißt es dazu im Landtag, wo die „Video-Affäre” das beherrschende Thema ist.
"Er ist reif"
Erwischt wurde der Planungschef von Rüttgers' Vorgänger als Ministerpräsident, Peer Steinbrück (SPD). Er entwarf Strategiepapiere für die SPD am Dienst-PC in der Staatskanzlei. Als das bekannt wurde, musste der Mann gehen. Schon deshalb fordert die SPD dienstrechtliche Konsequenzen für Berger. Er habe die Verfassung „gröblichst verletzt” und sei „reif”.
Für SPD-Generalsekretär Michael Groschek hat Berger mit dem Einzug in Rüttgers' Staatskanzlei „nur sein Büro gewechselt, ist aber weiter strategischer Chefplaner der CDU”. Deren Zentrale sei nur das „politische Marionettentheater der Staatskanzlei”.
Mit Berger würde Rüttgers seinen wichtigsten Mann in der Staatskanzlei verlieren. Der 36-jährige „Abteilungsleiter für Regierungsplanung” gehört zu den wenigen, auf die sich der als misstrauisch geltende Ministerpräsident verlässt. Deshalb rechnet in CDU- und Regierungskreisen niemand damit, dass Rüttgers seinen Chefstrategen tatsächlich kurzfristig feuert.
„Lediglich an der Diskussion beteiligt”
Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann will von Rüttgers wissen, inwieweit er selbst in den „Skandal” eingebunden war. Die SPD nimmt Bundesratsminister Andreas Krautscheid (CDU) ins Visier. Er habe die Unwahrheit gesagt, als er kürzlich im Landtag versicherte: „Wir unterscheiden sauber zwischen Parteiarbeit und Regierungsarbeit”.
Nachdem die Staatskanzlei am Mittwoch zu den zentralen Vorwürfen keine Stellung nahm, schob sie gestern eine Erklärung nach. Darin heißt es, Kontakte mit der Fraktion und der Landeszentrale der CDU seien „üblich”. Und die bekannt gewordenen E-Mails belegten, dass Berger sich „lediglich an der Diskussion über Berichte von öffentlichen Veranstaltungen beteiligt hat”.
„Hier soll eine Affäre produziert werden, die keine ist”, versuchte CDU-Fraktionschef Helmut Stahl Flankenschutz zu geben. FDP-Fraktionschef Gerd Papke mahnte dagegen die Sicherstellung der „gebotenen Trennung von Regierungs- und Parteiarbeit” an.
"Jemand wollte Berger schaden"
CDU-intern ist das Entsetzen über die Veröffentlichung der belastenden E-Mails zwischen Berger und der Partei groß. „Hier wollte jemand gezielt dem Berger schaden”, heißt es. Die meisten Unionspolitiker gehen davon aus, dass jemand aus eigenen Reihen sich an Berger rächen will, der schon „reichlich verbrannte Erde hinterlassen” habe.
Für die Suche nach dem „Spitzel” wurde das Landeskriminalamt (LKA) eingeschaltet. Für die SPD ein „Einschüchterungsversuch”. Beim LKA hieß es, man führe „Erhebungen” durch und entscheide am Ende, ob strafrechtlich relevante Sachverhalte vorliegen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bisher nicht. Anzeige sei nicht erstattet worden.