Essen. . In Dortmund können sich die Sozialdemokraten knapp behaupten, ansonsten ziehen Schwarze und Grüne fast überall an der SPD vorbei. Ein Kommentar.

Das Kammerflimmern ist eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung; der Tod lässt sich nur durch einen kurzen, heftigen Stromstoß abwenden. Nach der bundesweit mit Spannung erwarteten Stichwahl in Dortmund, der Herzkammer der deutschen Sozialdemokratie, lässt sich sagen: Es war knapp, aber die SPD lebt.

Dieser SPD-Mann konnte am Sonntag jubeln: der künftige Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal.
Dieser SPD-Mann konnte am Sonntag jubeln: der künftige Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal. © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services

Für den rettenden Stromstoß in letzter Minute hat eine passable Wahlbeteiligung gesorgt und die paradox anmutende Tatsache, dass es kaum etwas Konservativeres gibt als den Traditions-SPD-Wähler im Ruhrgebiet. Nach dessen Lesart war die Wahlempfehlung der Grünen für den CDU-Kandidaten Andreas Hollstein offenbar der Gipfel der Frechheit, weshalb es an den Wahlurnen tief im Osten des Potts nun hieß: „Schluss mit die Fissematenten!“

SPD: Historisch schlechte Ergebnisse wirken fort

Ist die alte Tante SPD also über dem Berg? Nein, das ist sie nicht. Denn die für sie historisch schlechten Ergebnisse in ihrem Stammland NRW von vor 14 Tagen wirken ja fort. Und es ist durchaus noch schlimmer gekommen. In der Landeshauptstadt Düsseldorf hatte der amtierende SPD-Oberbürgermeister Thomas Geisel kaum etwas ausgelassen, um seine bisherigen Wähler abzuschrecken, und hat dafür jetzt die Quittung bekommen. Viele dürften nicht vergessen haben, dass er Skandal-Rapper Farid Bang zum Botschafter der Stadt machen wollte. Mehr Irrlichterei ging nicht.

CDU setzt sich in Witten, Oberhausen und Mülheim durch

Mülheims Noch-Rathauschef Ulrich Scholten Irrlichterei vorzuwerfen, wäre dagegen die Verharmlosung des Jahres. Der Prominenten-Bonus der ehemaligen niedersächsischen SPD-Umweltministerin Monika Griefahn reichte nicht aus, um Scholtens Skandale wegzulächeln. Nachdem die CDU nun das bei den vergangenen Kommunalwahlen überraschend eroberte Oberhausen verteidigen konnte, wird sie nun auch im benachbarten Mülheim den OB stellen. Schock auch in Witten: Lars König von der CDU triumphiert überraschend gegen SPD-Amtsinhaberin Sonja Leidemann.

Immerhin in Gelsenkirchen gab es für die Genossen einen Lichtblick. Der weit über die Stadt hinaus bekannte Frank Baranowski hatte Karin Welge keine verbrannte Erde hinterlassen; sie kann nun mit einem guten Ergebnis im Rücken seine Nachfolge antreten.

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Ein gutes, weil respektables Ergebnis gab es auch in Köln für SPD-Kandidat Andreas Kossiski. Die parteilose, aber von CDU und Grüne unterstützte Amtsinhaberin Henriette Reker war nicht zu schlagen. Dagegen das traditionell eher rote Wuppertal: Amtsinhaber Andreas Mucke (SPD) unterlag dem von der CDU unterstützten grünen Klimaexperten Uwe Schneidewind überraschend klar.

Grüne: Hat ihr Durchmarsch in Großstädten begonnen?

Überhaupt die Grünen. Wuppertal, Bonn, Aachen – es sieht so aus, als habe ihr Durchmarsch in den Großstädten, nur etwas abgebremst durch die Corona-Krise, begonnen. Noch findet dies abseits des Ruhrgebiets statt. Perspektivisch aber heißen die Machtoptionen an Rhein und Ruhr Schwarz/Grün oder auch Grün/Schwarz. Auf den Plakaten Schneidewinds in Wuppertal etwa waren bereits beide Parteilogos zusammen zu finden: das der Grünen einträchtig neben dem der CDU.

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Noch ungewohnt war für die Wähler auch der Umstand, innerhalb von 14 Tagen ein weiteres Mal an die Urnen gerufen zu werden. Unter dem Strich lässt sich konstatieren: Die Stichwahlen haben gut funktioniert, die Luft war keineswegs raus, im Gegenteil. Die Zuspitzung auf zwei Kandidaten hat vielfach für Klarheit gesorgt. Parteipräferenzen spielten eine geringere Rolle, vielmehr standen politische Inhalte im Mittelpunkt. Auch wenn es der eine oder andere Parteifunktionär in der einen oder anderen Stadt nicht lassen konnte, in den sozialen Medien gegen politische Gegner zu polemisieren, stand ein Sieger rasch fest: unsere politische Kultur.