Witten/Bochum. Bis zum Prozessende wies der 64-Jährige Wittener die Vorwürfe zweier ehemaliger Schülerinnen von sich. Nun muss er in Haft.

Ein Reitlehrer (64) aus Witten ist am Bochumer Landgericht zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Stallbetreiber zwei anfangs 15 und 17 Jahre alte Reiterinnen in Serie sexuell bedrängt, belästigt und begrabscht hat. Richterin Katja Nagel sprach beim Urteil von einer „perfiden Vorgehensweise“.

Trotz erdrückender Belastungen durch die zwei früheren Reitschülerinnen hatte der Turnierreiter sexuelle Übergriffe und Anzüglichkeiten bis zuletzt abgestritten. Die Richter der 9. Strafkammer waren sich aber sicher, dass die zwei Reiterinnen im Prozess die Wahrheit gesagt haben. „Die Aussagen waren vollkommen glaubhaft“, hieß es. „Wir haben keine Zweifel, dass sich die Übergriffe so zugetragen haben, wie es uns hier geschildert wurde.“ Falschbelastungen seien absolut ausgeschlossen, beide Reiterinnen hätten den Reitlehrer partiell ja sogar noch in Schutz genommen.

Wittener Reitlehrer betrachtete Übergriffe als Gegenleistung

Direkt in Richtung des Reitlehrers gerichtet sagte Richterin Katja Nagel: „Sie haben die Vernarrtheit der jungen Frauen in den Reitsport für ihre eigenen Zwecke ausgenutzt. Sie haben letztlich mit der Angst der Mädchen gespielt. Sie haben ihnen ein Stück weit die Unbeschwertheit für ihr Hobby genommen, das sie so lieben.“

Die ältere der beiden Reiterinnen, eine Studentin (24) aus Bochum, hatte sich im Prozess an erste Übergriffe auf dem Wittener Reiterhof als 17-Jährige so erinnert: „Es hat sich für mich angefühlt wie Stunden. Er kam immer näher. ‚Lass mich doch mal fühlen, nur ganz kurz‘, hat er dann immer gesagt.“ Im Laufe der Zeit seien die Avancen des 64-Jährigen dann immer anzüglicher, seine Berührungen und Griffe an intimen Stellen immer intensiver geworden. Tatort seien mal die Sattelkammer, mal der Küchenvorraum am Reitstall gewesen.  

Einzig die unmissverständliche Forderung des Reitlehrers, dass er etwas zurückhaben muss für das Turnierreiten und das Privileg, seine Jungpferde reiten zu dürfen, habe sie innerlich gebremst, sich zu wehren.

Prozessauftakt wegen schwerem sexueller Missbrauch von Kindern
Ein Reitlehrer aus Witten ist am Bochumer Landgericht wegen Vergewaltigung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. © FUNKE Foto Services | Christof Koepsel

Eine ähnliche innere Zerrissenheit hatte die jüngere Belastungszeugin, eine heute 18-Jährige aus Bochum, geschildert. Die Schülerin war laut Urteil ab 2021 in die Fänge des Reitlehrers geraten, hatte vor allem von Sex-Übergriffen während gemeinsamer Autofahrten zu Turnieren berichtet. Daneben habe sie sich auch Klapsen auf den Po, anzüglichen Schmeicheleien („Du hast so schöne volle Brüste“), Verhütungs-Ratschlägen und Befragungen durch den Reitlehrer ausgesetzt gesehen.

Urteil gegen Wittener Reitlehrer umfasst zwölf Übergriffe

Das Urteil lautet auf Vergewaltigung, sexuelle Belästigung und sexuelle Übergriffe durch Gewalt in insgesamt zwölf Fällen. Ursprünglich waren 23 Vorfälle angeklagt gewesen. In den übrigen elf Fällen wurde der 64-Jährige am Dienstag, 18. Februar, freigesprochen. Zur Begründung verwies das Gericht darauf, dass bei einer der Frauen offensichtlich ein deutlicher Verdrängungsprozess stattgefunden und „hier und da gewisse Details verloren gegangen sind“. Eine Falschaussage sei jedoch ausgeschlossen. „Wir sind von weiteren unerlaubten Berührungen überzeugt, letztlich waren diese aber nicht sicher individualisierbar“, urteilte das Gericht.

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Neben der Haftstrafe verurteilten die Bochumer Richter den Wittener Reitlehrer zudem zur Zahlung von 5000 Euro Schmerzensgeld an die 18-jährige Reiterin. Im anderen Fall sei eine Bezifferung des Schmerzensgelde im Rahmen des Strafverfahrens nicht möglich gewesen. Das soll und muss jetzt eine Zivilkammer entscheiden. Gerichtet an den Angeklagten legte sich Richterin Katja Nagel aber auch im Fall der nachweislich erlittenen Schäden bei der 24-jährigen Reiterin fest: „Auch dafür werden sie zahlen müssen. Das könne wir hier und heute feststellen.“ Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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