Witten. Friedrich Merz hat sich in Witten wenig Freunde gemacht. Passanten lassen kein gutes Haar an einer verschärften Asylpolitik mit AfD-Stimmen.

„Furchtbar!“ So lautet der Kommentar von Joachim Spang zu dem, was am Mittwoch im Bundestag passiert ist. Die CDU unter Friedrich Merz nahm bekanntlich die Zustimmung der AfD in Kauf, um ihre Erschließungsanträge für eine schärfere Migrationspolitik durchs Parlament zu bringen. Wie der 64-Jährige können viele Passanten dem Vorgehen der Union nichts abgewinnen. Das ist das Ergebnis einer - nicht repräsentativen - Straßenumfrage der Redaktion am Donnerstag in Witten.

Vater und Tochter aus Witten: Merz will doch nur Kanzler werden

Joachim Spang ist gerade mit seiner Tochter unterwegs, die die Meinung ihres Vaters teilt. „Ich finde das ganz schrecklich, dass er quasi nur an sich selbst denkt“, sagt Marlene (19). Ihr Papa und sie werfen Merz vor, sich nur profilieren zu wollen, „getrieben vom Machtwillen, weil er um jeden Preis Kanzler werden will“, wie Spang sagt. Er lässt das Argument der Union, Deutschland vor illegaler Migration und möglichen Straftätern zu schützen, nicht gelten: „Wir haben ausreichend Gesetze. Die müssen wir nur umsetzen.“ SPD-Kanzler Olaf Scholz wäre wohl ganz bei ihm.

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Unterschiedlicher Meinung, auch untereinander, sind Ioannis und seine Frau Kalypso, deren Eltern aus Griechenland stammen. „Der Zufluss muss reguliert werden“, sagt der 45-Jährige. „Wenn ich sehe, was auf der Straße los ist“, sagt er und lässt den Satz unvollendet. Dabei denkt er gerade an seine Heimatstadt Hagen. Dass die Union in diesem Fall die Stimmen der AfD toleriert hat, hält er für hinnehmbar. „Das ist der richtige Weg, wenn es um die Sache geht.“ Seine Frau widerspricht.

Ehepaar mit griechischen Wurzeln ist unterschiedlicher Meinung

„Nein, das rechtfertigt es nicht, mit der AfD zu stimmen“, meint die 43-Jährige. Sie wirft Merz vor, sein Wort gebrochen zu haben, keine gemeinsame Sache mit der AfD zu machen. Ihr Mann betont noch einmal: „Es geht doch um die Entscheidung, nicht darum, mit der AfD zu stimmen.“ Und wie fühlt man sich als Mensch mit Migrationshintergrund angesichts der aufgeheizten Asyldebatte? „Das macht was mit einem, dass die einen wieder raus sollen und die anderen nicht rein dürfen. Es gibt doch Gründe, wenn Menschen ihr Land verlassen“, sagt Kalypso.

Antje Segschneider ruft zum Protest auf. Man müsse jetzt die
Antje Segschneider ruft zum Protest auf. Man müsse jetzt die „Brandmauer“ gegen Rechts unterstützen. © WAZ | Jürgen Augstein

Regelrecht empört über den von vielen als „Tabubruch“ bezeichneten Bundestagsbeschluss ist SPD-Wählerin Antje Segschneider. Die 63-Jährige fordert alle auf, „jetzt den Arsch hochzukriegen und zu demonstrieren, auch wenn‘s regnet“. Es gelte, die „Brandmauer“ gegen Rechts zu unterstützen und „ein Zeichen gegen den aufflammenden Faschismus zu setzen“.

Wittener fürchtet, dass die AfD jetzt noch stärker wird

Für Alex (53) gibt es „keinen Unschuldigen“ in dieser Debatte um Flucht und Zuwanderung. „Wir haben uns doch selbst die Suppe eingebrockt, wenn Drittländer kaputtgebombt werden, um an die Ressourcen zu kommen“, sagt er. Dagmar (62) erteilt den Plänen der Union zwar keine komplette Absage. „Erschrocken“ hat sie sich aber darüber, „dass man auf die Stimmen der AfD angewiesen ist und wie radikal Herr Merz vorgeht“. Hundebesitzer Christoph Mandera (70) stellt die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit im Bezug auf EU-Recht. Und er fürchtet, dass die jubelnde AfD „jetzt noch stärker wird“.

Enden wir mit Avin (30), die vor zehn Jahren aus Syrien geflohen ist und im Labor einer Uni-Klinik arbeitet. „Wenn Leute jetzt sagen, geh weg, finde ich das schwierig“, meint die Kurdin, die vor den Bomben floh, erst denen des Assad-Regimes, später der Türkei. „Deutschland“, sagt sie, „ist doch nach zehn Jahren auch mein Land.“