Witten. 2022 wurden mehr Menschen in Witten eingebürgert als in den Vorjahren. Eine Gruppe hat sich besonders gut integriert. Eine Erfolgsgeschichte.

Was ist eigentlich aus den syrischen und irakischen Flüchtlingen geworden, die in der so genannten Flüchtlingskrise 2015 nach Witten gekommen sind? Nun, ein erster Schwung von ihnen hat sich nun einbürgern lassen. Das geht, weil sie sich besonders gut integriert haben.

Die Statistik macht stutzig, denn bislang wurde der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft in Witten nur von wenigen genutzt: 2014 waren es 85 Personen, 2017/18 immerhin 182 (da kamen wohl viele Briten, die dem Brexit entfliehen wollten), 2020 waren es 141. Zumeist holten sich Türken und Türkinnen, die teilweise schon viele Jahre oder Jahrzehnte in Deutschland lebten, den deutschen Pass.

Achtjährige Einbürgerungsphase konnte verkürzt werden

Zwischen Oktober 2021 und September 2022 haben jedoch bereits 209 Personen die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen – ein Rekordwert. Über 100 von ihnen, nämlich 87 syrische und 16 irakische Staatsangehörige, kamen 2015 nach Deutschland. Die eigentlich achtjährige Einbürgerungsphase konnten sie verkürzen. Das geht, wenn man sich ehrenamtlich engagiert, besonders gute Sprachkenntnisse und einen festen Arbeitsplatz hat, erläutert Andrea Pfeiffer von der städtischen Stabsstelle Integration. Viele der neuen Deutschen hätten eine erstaunliche Biographie. Etwa eine junge Syrerin, die 2015 mit ihren beiden minderjährigen Brüdern nach Witten flüchtete und inzwischen so gut Deutsch spricht, dass sie heute an der Ruhr-Universität Bochum Germanistik studiert.

Haben jetzt einen deutschen Pass: Am Einbürgerungsempfang 2022 in Haus Witten nahmen besonders viele Menschen teil, die aus Syrien stammen.
Haben jetzt einen deutschen Pass: Am Einbürgerungsempfang 2022 in Haus Witten nahmen besonders viele Menschen teil, die aus Syrien stammen. © Jörg Fruck/Stadt Witten

2023 und 2024 Einbürgerungswelle erwartet

„Es ist das erste Mal, dass syrische Staatsbürger in unserer Einbürgerungsstatistik auftauchen und gleich die größte Gruppe stellen“, sagt Andrea Pfeiffer. „Wir rechnen damit, dass 2023 und 2024 noch viele weitere folgen werden.“ Nach ihrer Beobachtung gibt es unter den Syrern einen großen Willen, sich in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. Das sehe man schon an Kleinigkeiten. Als Bürgermeister Lars König zum alljährlichen Einbürgerungsempfang einlud, meldeten sich diesmal besonders viele Syrer. Sie haben sich schick gemacht und empfingen stolz ihre Urkunden. „Daran kann man ablesen, welche Bedeutung die Einbürgerung für sie hat.“

Die nun eingebürgerten Flüchtlinge von 2015 haben Ähnliches durchlebt: Sie wohnten erst in städtischen Unterkünften, beantragten Asyl und bekamen eine Aufenthaltserlaubnis. Sie wechselten zum Jobcenter, um „Hartz IV“ zu beziehen und gleichzeitig an Sprachkursen, Umschulungen und Qualifizierungen teilzunehmen. „Die Statistik des Jobcenters zeigt, dass bei Menschen mit Fluchtgeschichte die Eingliederung in den Arbeitsmarkt im Vergleich zu anderen Leistungsbeziehern deutlich höher ist“, sagt Pfeiffer.

Manche Zugewanderten erreichen das Sprachniveau nicht

Angesichts der Debatte um die Pläne von Innenministerin Nancy Faser, die Verfahren verkürzen möchte, ist der Integrationsbeauftragten eines wichtig: „Die Einbürgerung wird niemandem hinterhergeworfen. Man muss bestimmte Anforderungen erfüllen und das ist alles andere als leicht.“ Findet sie eine schnellere Einbürgerung sinnvoll? „Ich würde mir wünschen, dass die bisherigen Voraussetzungen erhalten bleiben. Denn daran kann man festmachen, ob Menschen in unserer Gesellschaft angekommen sind oder nicht.“ Die Dauer – ob wie bisher acht oder künftig fünf Jahre – hält sie für nebensächlich.

Es gebe Fachkräfte, die einen entsprechenden Bildungshintergrund haben und nach zwei, drei Jahren sprachlich sehr gut aufgestellt sind. Und es gebe Menschen, wie etwa aus Afghanistan, die nicht alphabetisiert sind und große Schwierigkeiten haben, das Bildungsniveau für den Sprachtest zu erreichen. „Man muss immer den jeweiligen Fall betrachten“, findet Pfeiffer. Aber das Signal sei wichtig: Dass man es in Deutschland schneller zu etwas bringen könne, wäre für die Fachkräftezuwanderung ein Anreiz.