Witten. Netflix setzt auf Tim Goldings Atelier 51, auch „Indiana Jones“-Schöpfer George Lucas. Warum schwören sie aufs kreative Kleinunternehmen aus Witten?

Drei Kreative aus Witten, ein ehemaliger Dachdeckerbetrieb an der Breite Straße und ein ganz großer Name aus Hollywood: Dahinter steckt eine ganz besondere Geschichte. Chef des Teams ist Tim Golding (31). Der gelernte Steuerfachangestellte gilt längst als Geheimtipp bei Machern von Videogames und Blockbusterfilmen wie „Indiana Jones“. Ein Ortstermin.

Breite Straße 51 in Wittens Innenstadt. Die Türklingel des „Atelier 51“ ist unauffällig zwischen den Namen von Mietern platziert. Noch unauffälliger ist das Studio selbst. Es ist im Hinterhof: Dort werkelte einst Tim Goldings Opa als Dachdecker. Der Enkel hat den Flachbau saniert: ein Büro samt Lagerräumen. Die Szenerie erinnert an die Gründungstage von Microsoft. Der US-Tech-Konzern startete einst in einer Garage.

Christian Freitag fachsimpelt mit Sandra Wanke über den Kopf der Game-Figur Boris the shopkeeper.
Christian Freitag fachsimpelt mit Sandra Wanke über den Kopf der Game-Figur Boris the shopkeeper. © WAZ | jürgen overkott

Game-Zocker aus Witten machen Hobby zum Beruf

Der Reporter sitzt mit Tim Golding und seinen Teammitgliedern auf einem Sofa im Büro. Sandra Wanke (30) ist Historikerin, sie näht leidenschaftlich gern Kostüme. Christian Freitag (40) ist Mediengestalter. Seine Spezialität sind 3D-Modelle. „Vor zwei Jahren haben wir uns gegründet“, erzählt der Chef. „Eigentlich hatten wir den Gedanken: Wir wollen Kostüme und Requisiten bauen.“ Aber nicht irgendwelche: Alle drei zocken leidenschaftlich gern Computerspiele. Fans wie sie erwecken Game-Figuren in originalgetreuen Kostümen zum Leben. Das nennt sich „Cosplay“. Der Raum Dortmund/Witten gilt als Hochburg der Szene. Die Drei haben längst ihr Hobby zum Beruf gemacht.

Kulissen aus Witten für Hollywood und international erfolgreiche Games bauen Tim Golding, Sandra Wanke und Christian Freitag (Büroszene, von links).Sandra Wanke, Tim Golding und Christian Freitag (von links) präsentieren einen Videospiel-Charakter: Boris the shopkeeper aus dem Game
Kulissen aus Witten für Hollywood und international erfolgreiche Games bauen Tim Golding, Sandra Wanke und Christian Freitag (Büroszene, von links).Sandra Wanke, Tim Golding und Christian Freitag (von links) präsentieren einen Videospiel-Charakter: Boris the shopkeeper aus dem Game "League of Legends". © WAZ | jürgen overkott

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„Ich bin mit ,Star Wars‘ eingestiegen“, sagt Tim Golding. Ein Schulfreund hat ihn angefixt. „Erst wollte ich nur den Helm eines ,Star Wars‘-Kriegers machen, doch dann habe ich die ganze Rüstung hergestellt.“ Seine Kostüme orientieren sich am Dress von Stormtroopers aus jüngeren Produktionen der epischen Hollywood-Kinoreihe. „Für Episode 8 war ich sogar auf dem Roten Teppich in Köln“, erzählt Tim Golding, „ganz offiziell. Das war der Einstieg. Ich dachte: Damit kannst Du Geld verdienen.“ So ist es.

Ob Fantasy-Kostüme oder Rüstungen nach historischen Vorbildern: Das Atelier 51 hat sich binnen kürzester Zeit einem Namen in einem kleinen, aber dennoch hart umkämpften Markt gemacht.

Am Anfang steht eine Netflix-Serie. Sie heißt „Arcane“. Vorbild ist ein international erfolgreicher Game-Klassiker: „League of Legends“. Tim Golding & Co. liefern Kulissen. „Wir machen das, wozu der Messebauer keine Lust hat“, sagt der Chef der Truppe leichthin. „das Teil für die Serie ist imposant, mit ganz vielen Details.“

Durch Empfehlungen landet das Wittener Kulissenstudio schließlich bei dem US-Unternehmen LucasArts, das inzwischen Lucasfilm Games heißt. Dahinter steckt niemand anders als George Lucas. Er ist der geistige Vater der Kino-Klassiker „Star Wars“ und „Indiana Jones“.

Kulissen aus Witten für Hollywood und international erfolgreiche Games bauen Tim Golding, Sandra Wanke und Christian Freitag (Büroszene, von links). Am Rechner entstehen 3D-Modelle.
Kulissen aus Witten für Hollywood und international erfolgreiche Games bauen Tim Golding, Sandra Wanke und Christian Freitag (Büroszene, von links). Am Rechner entstehen 3D-Modelle. © WAZ | jürgen overkott

Tim Golding, Sandra Manke und Christian Freitag sorgen dafür, dass George Lucas‘ Figuren-Kosmos auf Vorabpremieren für Kritiker und Influencer sowie auf Fantreffen und weiteren Events in Szene gesetzt werden kann. Sogar Hobby-Schauspieler haben sie dafür an der Hand. „Zu den Veranstaltern kommen Fans, und unsere Schauspieler sind auch Fans“, umreißt Tim Golding sein Konzept, „und so können sie stundenlang miteinander reden.“ Publikum wie Veranstalter lieben das.

Tim Goldings Partnerunternehmen lieben aber auch noch etwas anderes. Das Wittener Unternehmen gilt als kreativ, flexibel und belastbar. Die Produktionszeiten sind kurz. „Wir haben“, rechnet Tim Golding vor, „manchmal nur drei Wochen.“ Das Wittener Trio arbeitet schnell – „und ordentlich“, wie der Chef betont. „Wenn man Kunden wie Disney oder Lucasfilm hat, darf man sich keine Fehler erlauben.“ Wie sind derlei Vorgaben zu schaffen?

Von „Star Wars“ bis „Indiana Jones“: Wittener Unternehmen baut Kulissen für Lucasfilms.
Von „Star Wars“ bis „Indiana Jones“: Wittener Unternehmen baut Kulissen für Lucasfilms. © Atelier 51 | Christian Freitag

„Wir haben ein großes Netzwerk an Experten“, verrät Tim Golding. Externe Profis begleiten seine Arbeit per Projektvertrag: „Das sind sechs Leute, die das hauptberuflich machen.“ Nebenberufliche Helfer kommen dazu.

Unternehmen will umziehen - gern ins Wullener Feld

Der Erfolg bringt das Team inzwischen an räumliche Grenzen. Tim Golding: „Wir brauchen 150 Quadratmeter Platz für die Herstellung der Kulissen.“ Zudem sollte eine Lagerhalle fünf Meter hoch sein. Allein eine Styropor-Grotte für „Indiana Jones“-Events füllt drei Kubikmeter Raum. Wichtig sei auch ein Lkw-Vorplatz. Als Standort denkt Tim Golding an eine Gewerbefläche im Wullener Feld – auch wegen der Nähe zur Autobahn.

Mit einem Outlaw der Sternensaga „Star Wars“ posieren Tim Golding und Sandra Wanke.
Mit einem Outlaw der Sternensaga „Star Wars“ posieren Tim Golding und Sandra Wanke. © Atelier 51 | Christian Freitag

Die drei Kreativen denken aber nicht nur groß. Sie haben auch die Kleinen im Blick. Tim Golding kann sich Workshops in Kulturzentren vorstellen: wie Mädchen und Jungen Kostüme basteln können oder was Cosplay ausmacht. Dann wären Videospiele pädagogisch wertvoll. Tim Golding hat sie, im Gegensatz zum verbreiteten Vorteil, eigentlich immer für wertvoll gehalten. Warum „Durch Videospiele habe ich super Englisch gelernt. Das hat mir bei Gesprächen mit Lucasfilms sehr geholfen.“

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