Witten. Das Tierheim Witten muss immer mehr kranke Katzen aufnehmen, die ausgesetzt werden. Auch viele Kitten landen einfach auf der Straße.

  • Das Tierheim Witten kann kaum noch Katzen aufnehmen, weil es sich derzeit um zu viele Fundtiere kümmern muss.
  • Alte, kranke und auch schwer verletzte Samtpfoten werden ausgesetzt
  • Auch viele Katzenbabys landen auf der Straße, manchmal mit, manchmal ohne Mutter

Fünf wenige Wochen alte Katzenbabys tapsen und kullern derzeit durch einen Raum im Tierheim Witten-Wetter-Herdecke. Und das im Kleintierhaus, das sonst für Kaninchen, Mäuse und ähnliche Tiere vorbehalten ist. „Wir müssen erfinderisch werden und viel improvisieren“, sagt Kirsten Simon, Leiterin des Heims. Denn schon seit einiger Zeit landen immer mehr Katzen hier an der Wetterstraße. Die Lage ist angespannt.

„Es ist wie eine Flut“, drückt es Wiebke Blomberg, erste Vorsitzende des Tierheimvereins, aus. „Und viele Tiere kommen krank zu uns.“ Darunter auch solche mit Katzenseuche, einer Viruserkrankung, gegen die es eigentlich eine Impfung gibt. „Von ihnen haben es viele nicht überlebt.“

Tierheim-Mitarbeiter gehen in der Tierklinik ein und aus

Doch nicht nur das. „Wir gehen derzeit in der Tierklinik fast täglich ein und aus“, fasst es Simon zusammen. Denn immer mehr kranke oder alte Tiere werden einfach irgendwo ausgesetzt oder dem Tierheim vor die Tür gelegt - ebenso schwer verletzte Tiere. Etwa eine angefahrene Katze, der später die Pfote amputiert werden musste. Oder eine Katze mit Bauchverband, unter dem eine alte, nicht verheilte und mit Maden übersäte Wunde zum Vorschein kam. „Oft kann der Tierarzt sie dann nur noch erlösen.“

Eine Katzenmutter und ihre Jungen im Tierheim Witten. Derzeit gibt es dort sehr viele Kitten.
Eine Katzenmutter und ihre Jungen im Tierheim Witten. Derzeit gibt es dort sehr viele Kitten. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Auch viele trächtige Katzen werden auf Wittens Straßen aufgelesen, ebenso Katzenbabys mit oder ohne Mutter. Erst kürzlich fanden Passanten am Rheinischen Esel einen Karton mit fünf verlassenen Kitten. Sie kamen auf eine Pflegestelle. Nur eins habe überlebt, sagt Vereinsvorsitzende Blomberg. Auch sehr viele junge Tiere, die gerade die Geschlechtsreife erreicht haben, streunen derzeit umher. Erst kürzlich sammelte das Tierheim an einer einzigen Stelle in Rüdinghausen gleich 28 Katzen ein, die meisten davon junge, unkastrierte Weibchen.

Tierhalter bitten Vereine um finanzielle Hilfe

Viele Halter würden ihre Katzen derzeit aussetzen, bestätigt Anne Lukas, Vorsitzende der „Tierfreunde Witten“. Aber auch: „Es gibt einfach immer mehr Menschen, die sich die Tierarztrechnungen nicht mehr leisten können.“ Der Verein kümmert sich seit vielen Jahren um die Streuner der Stadt, füttert sie etwa oder fängt sie ein, verteilt sie auf eigene Pflegestellen oder bringt sie ins Tierheim. Menschen würden sich mittlerweile auch verzweifelt bei ihr melden und um Hilfe für Behandlungskosten bitten, so die 76-Jährige. Auch die Kastration könne oder wolle sich wohl manch einer nicht mehr leisten.

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Dabei müssen im EN-Kreis seit 2017 alle Freigänger, also Katzen und Kater, die sich draußen frei bewegen dürfen, registriert und kastriert sein. So schreibt es die Katzenschutzverordnung vor. „Aber das wird nicht so ernst genommen“, sagt Lukas. Und so können sich die Tiere auf der Straße ungestört vermehren.

Viele Jungtiere werden vor der Kastration ausgesetzt

Auch Tierheim-Chefin Simon sieht die finanzielle Überforderung als eine der möglichen Ursachen für die vielen heimatlosen Katzen. „Dafür spricht etwa, dass wir so viele Jungtiere bekommen, die gerade geschlechtsreif geworden sind und jetzt kastriert werden müssten.“ Für die Anschaffung habe das Geld dann noch gereicht, aber für den Tierarztbesuch schon nicht mehr. Auch Rassekatzen seien unter den ausgesetzten Jungtieren, so Simon, vor allem die beliebten und teuren Britisch Kurzhaar. „Das ist schon sehr auffällig.“

Tierheimleiterin Kirsten Simon mit Katze, die mitterweile hoffentlich vermittelt ist. Das Bild stammt von Anfang 2023.
Tierheimleiterin Kirsten Simon mit Katze, die mitterweile hoffentlich vermittelt ist. Das Bild stammt von Anfang 2023. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Aber auch die Impfmoral von Halterinnen und Haltern habe nachgelassen. Weshalb sich nun Krankheiten wie die Katzenseuche unter den verwilderten Tieren ausbreiten können - und so auch ihren Weg ins Tierheim finden. „Eigentlich muss jede Katze durchgeimpft sein, selbst eine Wohnungkatze“, sagt Simon.

Tierheim kann kaum noch Abgabetiere aufnehmen

Das Tierheim ist eigentlich auf zirka 30 Katzen ausgelegt. Derzeit sind es aber mehr als 30 erwachsene Tiere und 15 Junge. Einige sind auch schon auf Pflegestellen ausgelagert. Weil derzeit so viele Fundtiere ins Haus an der Wetterstraße gebracht werden, ist es dem Team kaum noch möglich, Abgabetiere aufzunehmen. „Aber es ist ständig Bewegung drin“, sagt Simon. Schließlich werden auch immer wieder Tiere vermittelt - allen voran die Kitten.

Immer mehr Katzen werden in Witten ausgesetzt. Darunter auch viele Kitten. Das Tierheim an der Wetterstraße ist voll.
Immer mehr Katzen werden in Witten ausgesetzt. Darunter auch viele Kitten. Das Tierheim an der Wetterstraße ist voll. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Doch Simon hofft auch auf eine Chance für die älteren Tiere. Etwa für Tina. Die Katze ist geschätzt schon 15 Jahre alt, zudem blind und taub. Sie wurde von ihren ehemaligen Besitzern einfach auf die Straße gesetzt. Derzeit wartet sie in einem Einzelzimmer im Tierheim auf ein ebenerdiges Zuhause für ihren Lebensabend.

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