Witten/Bochum/Hattingen. Galliger Humorbeauftragter des Ruhrgebiets musste bei Events selbst Humor beweisen. Nebenher sorgte der Comedian selbst für eine Überraschung.
Torsten Sträters Markenzeichen ist die Mütze. Kenner nennen sie Beanie. Beim Zeltfestival Ruhr feierte der Comedian aus Dortmund, wie gewohnt, ein Heimspiel im Doppelpack. Bei der zweiten Show am Mittwoch, 28. August, erlebte sein Publikum eine Überraschung.
Doch zunächst überraschten Gäste den kantigen Humorbeauftragten des Ruhrgebiets. Die beiden ausverkauften Shows waren für 19 Uhr angesetzt. Damit hatte der Festivalveranstalter auf Gemecker im Vorjahr reagiert. Ein Teil der Gäste fand Sträters Programm zwar lustig, aber das Ende eines dreistündigen Programms um 23 Uhr komisch. Kurzerhand wurde der Beginn der Events um eine Stunde vorverlegt. Das wiederum hatte ein Teil des Publikums offenbar als bloße Empfehlung interpretiert. Sträter machte gute Miene zum bösen Spiel. Seine spontanen Bemerkungen über verspätete Gäste waren sein erster Programmpunkt.
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Genau darin besteht die Kunst des 58-jährigen Wahl-Waltropers, der vordergründig so gallig daherkommt wie das Altherrenduo Waldorf und Statler in der „Muppet Show“. Ganz gleich, ob er triste Geschichten aus seiner Jugend oder triste Erlebnisse aus der Gegenwart erzählt: Stets gelingt es dem Komik-Grinch, seine großzügig mit Kraftausdrücken garnierten Storys ins irrwitzig Absurde kippen zu lassen. Seine Fans reagieren mit brüllendem, befreiendem Gelächter.
Ein Mann packte Tausende mit seinen Geschichten
Beim Zeltfestival Ruhr zeigte Sträter überdies ein Talent, das nur ganz wenige aus der Spaßbranche haben. Ein Mann im dunklen Dress, der beinahe vom blauen Bühnenlicht verschluckt wurde, zog Tausende in seinen Bann: ein Mann und seine Geschichten. Sträter hat mit seiner Form der Scherztherapie eine Präsenz wie nur wenige sonst.
Ein wichtiges Element ist Sträters sonore Märchenonkelstimme. Sein Bass wirkt beruhigend. Und sein Ruhr-Sound. So klingt selbst Derbstes wie feinste Feierabend-Unterhaltung.
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Dennoch darf nicht vergessen werden: Sträter ist ein grandioser Erzähler. Seine Storys schufen Gemeinschaft mit seinem Publikum, das überwiegend zur Babyboom-Generation gehört. Und so kitzelte Sträter gemeinsame Jugend-Erfahrungen im Ruhrgebiet der 70er Jahre. Wie er als Knirps Zeit vorm Fernseher abbrummen musste, um gemeinsam mit „Mutter“ die Musikshow „Disco“ zu sehen. Wie ihm gegen seinen Willen ein Ohrstecker verpasst wurde, um nach dem Willen seiner Mutter so „flott“ (neudeutsch: sexy) zu wirken wie Smokie-Sänger Chris Norman. Wie er bei „Omma Eving“ das fand, was er bei seiner Mutter vermisste.
Sträter hat aber auch ein feines Gehör für Sprache im Wandel. So liebt er blumige, zuweilen überzogene Schwüre, die als Sprachexport durch Zuwanderer ins Alltagsdeutsch junger Leute kamen. Umgekehrt hasst Sträter Ein-Wort-Sätze, für die einst Sprachgirlanden gewunden wurden.
Ach ja, die versprochene Überraschung. Sträter zog am Mittwochabend blank: Er setzte seine Mütze ab. Was ihm oben fehlt, ersetzt sein Vollbart.
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