Witten. Über zwei Millionen Klicks für riskante Verfolgungsjagden mit der Polizei: Der Wittener zieht nach dem Gerichtsurteil Konsequenzen.

Ein Wittener (24) war auf dem besten Weg, zum heimlichen Internet-Star zu werden. Seine beiden Videoclips bei „YouTube“ und „TikTok“ erzielten mehr als zwei Millionen Klicks. Sie zeigen wilde Verfolgungsjagden, die er sich auf seinem Motorrad mit der Polizei liefert. Doch die eingestellten Filmchen waren nicht nur leichtsinnig und gefährlich, sondern auch strafbar. „Ich höre jetzt garantiert damit auf“, versprach der junge Mann vor der Berufungskammer im Landgericht Bochum. Ein einsichtiger Angeklagter, der offenbar einen Schlussstrich ziehen will, bevor es noch schlimmer endet. Das überzeugte dann auch die Staatsanwältin.

Verbotene Rennen locken zahlreiche Zuschauer an

Die heimliche Leidenschaft des Witteners sind von ihm inszenierte Fahrzeugrennen, die er sich mit der Polizei liefert. Dafür verhält er sich bewusst verkehrswidrig, bis er einen Streifenwagen hinter sich hat, der ihn anhalten will. Dann gibt er Gas und flüchtet. Die möglichst wilde Verfolgungsjagd filmt er mit einer Kamera, die hinten an seinem Schutzhelm montiert ist. Ziel ist es, den Beamten zu entkommen. Die Zuschauer zuhause fiebern vor dem Bildschirm mit.

In seinem ersten Video ist der seinerzeit noch jugendliche Wittener auf einem Elektro-Roller zu sehen. Zunächst provoziert er die Besatzung eines Streifenwagens, dann rauscht er mit hoher Geschwindigkeit davon. Während der Verfolgungsfahrt nutzt er dreist Fahrradwege und Bürgersteige. So gelingt es ihm schließlich, die Polizisten abzuhängen. Das Filmchen, das sich offensichtlich auch über die Hilflosigkeit der uniformierten Verfolger lustig macht, wird zu einem Klick-Erfolg: Mehr als 700.000 Zuschauer drücken „Gefällt mir“.

Mit 80 Kilometern pro Stunde über den Radweg gebrettert

Vor dem Landgericht Bochum war jetzt ein anderes Video des Witteners das Thema. Der zweieinhalb Minuten kurze Clip ist am 24. Juni vergangenen Jahres entstanden. Diesmal sitzt der 24-Jährige, ohne gültige Fahrerlaubnis, auf einem Motorrad, das nicht versichert ist. Stattdessen hat er mit Kabelbinder ein falsches Kennzeichen an seinem Rücken angebracht. Das springt einer Streifenwagenbesatzung sofort ins Auge. Über Lautsprecher wird der Kradfahrer aufgefordert, sofort zu stoppen. Er trägt wieder den Helm mit der Kamera.

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Eine abenteuerliche Verfolgungsfahrt durch Witten beginnt: über die Ardeystraße, die Mannesmannstraße, vorbei am Toom-Baumarkt. Dann auf einem Fahrradweg in Richtung Langendreer, mit mindestens Tempo 80 km/h. Dabei, so wird später richterlich festgestellt, wurden auch Fahrradfahrer und Fußgänger gefährdet. Für die Polizei sah es zunächst auch nicht gut aus: Ihr Fahrzeug nahm während der Verfolgung einen Sperrpfosten mit. Und es raste am „Rheinischen Esel“ in Schottersteine. Der Gesamtschaden am Funkstreifenwagen beläuft sich auf 5.000 Euro.    

Verfolgungsjagd endet mit Unfall und Geldstrafe

Für den jungen Kradfahrer endete die tollkühne Fahrt mit einem Unfall: Er landete an der Oberstraße in Bochum in einem Buschwerk und ein halbes Jahr später als Angeklagter vor Gericht. Mitte Januar verurteilte ihn das Amtsgericht Witten wegen eines verbotenen Fahrzeugrennens, wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, einem vorsätzlichen Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und wegen Urkundenfälschung zu einer milden Gesamtgeldstrafe von 1350 Euro. Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, weil sie der Auffassung war, das Motorrad hätte als Tatwerkzeug gerichtlich eingezogen werden müssen. 

Mit der Geldstrafe sei der Angeklagte „super günstig weggekommen“, so die Einschätzung der Bochumer Berufungskammer, denn mit 80 Stundenkilometern über einen Radweg zu fahren, das sei „echt eine Hausnummer“. Der angeklagte Wittener habe zudem „wahnsinniges Glück gehabt, dass Radfahrer und Fußgänger noch rechtzeitig zur Seite springen konnten.“ Aber genauso wie der Amtsrichter in Witten vertrat auch das Landgericht die Überzeugung, dass das sichergestellte Motorrad an den Verurteilten zurückgegeben werden müsse. Nach diesem Hinweis zog die Staatsanwältin die Berufung zurück.

Youtube-Raser will sein Motorrad verkaufen

Für den jungen Mann aus Witten war das alles eine große Lehre: Er wird sein Motorrad jetzt so schnell es geht verkaufen und rechnet mit einem Erlös von etwa 4000 Euro. Damit will er die Geldstrafe und seinen Verteidiger bezahlen. Die 5000 Euro für den beschädigten Streifenwagen kommen auch noch auf ihn zu. Niemals wieder, fest versprochen, wer er ein selbstgedrehtes Filmchen ins Netz stellen. Obwohl das Verfolgungsvideo aus Witten auf TikTok sehr erfolgreich war: Es wurde dort von mehr als 1,4 Millionen Nutzern angeschaut.   

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