Witten. Eine Fußgängerzone wie Witten braucht starke Klammern. Dumm nur, dass der Kaufhof leersteht. Dafür hat jetzt ein Kiosk in Toplage aufgemacht.
Rashad Bango hat überall ein passendes Ladenlokal gesucht, in seiner Wahl-Heimatstadt Bochum, aber auch in Dortmund und Essen. Fündig wurde der seit einem Jahr eingebürgerte Syrer in Witten. „Ich habe sofort gesagt: Das ist eine gute Ecke. Sie ist das Herz von dieser Straße.“ Seit einer Woche steht der 42-Jährige hinterm Tresen seines neu eröffneten „Rathaus-Kiosks“. Die Hoffnungen, die sich mit dieser 1a-Lage auf der oberen Bahnhofstraße/Ecke Ruhrstraße verbinden, sind groß.
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„Die Kunden brauchen erst gar nicht an der Ampel über die Straße zu gehen“, sagt der vierfache Familienvater, angesprochen auf die nahe Konkurrenz in der Johannisstraße, wo mit „Zeyno“ und „Daud“ gleich zwei alteingesessene Trinkhallen zu finden sind. Die bisherigen Reaktionen stimmen ihn zuversichtlich. „Es kommen alle und sagen, das ist ein guter Laden, mitten in der Stadt.“ Bekannte sind gerade da und meinen: „Er hat Glück gehabt. So was bekommt man nicht so leicht.“
Dem arbeitsfreudigen Ex--Flüchtling wären gute Umsätze sicher zu gönnen. Dennoch sehen Passanten wie City-Beobachter die Entwicklung kritisch. Denn solche Kioske von der Stange schießen wie Pilze aus dem Boden. 45 sind aktuell in Witten angemeldet. Im Vorjahr waren es 36, 2022 „nur“ 27.. Und, viel wichtiger für die gesamte Innenstadt: Der Verlust an großen Publikumsmagneten wie dem Kaufhof führt dazu, dass das Umfeld leidet.
Nicht nur das Warenhaus steht seit vier Jahren leer. Gegenüber ist die Rathaus-Apotheke geschlossen, auch schon wieder seit Ende 2023. Dort gibt es ebenfalls noch keine Nachfolgenutzung. Nur so ist zu erklären, warum inzwischen selbst ein Kiosk in Toplagen ziehen kann. Wobei: Vorher war hier ein Handyladen.
Allerdings muss die Bude von Rashad Bango schon brummen, wenn er die nicht geringe vierstellige Monatsmiete dauerhaft aufbringen will. Wobei langjährige Geschäftsleute Pachten von über 20 Euro pro Quadratmeter Gewerbefläche nicht für akzeptabel halten. Je nach Lage und Größe seien eher „zehn, 15 Euro ein fairer Preis“, so ein Insider.
„Die Immobilienbesitzer müssen aufpassen, dass sie gute Mieter behalten. Was haben sie davon, wenn die Bude leersteht“, sagt Schuh- und Modehändler Philip Teller („Maxim“), dem selbst ein Geschäftshaus in der Innenstadt gehört. Er kennte viele „Vermieter, die vernünfitig sind und sehen, wie schwer es der Einzelhandel es hat“. Andere fordert der 57-Jährige auf, ihre Miete anzupassen - sprich dem Handel entgegenzukommen.
Einen Abwärtssog vermag Teller, der im Beirat der Standortgemeinschaft Witten-Mitte sitzt, trotz Kiosk, Kebab-Haus oder Sportwetten oder Spielhallen aber nicht zu erkennen. „Die Ruhrstraße ist nach wie vor klasse“, sagt er. Der Wittener lobt die vielen „guten individuellen Geschäfte“. Zieht jemand aus, werde das Ladenlokal schnell wieder vergeben. Tatsächlich gibt es nur einige wenige Leerstände. Am auffälligsten sind sie dort, wo früher McDonald‘s und zuletzt Erotikland waren..
Aktuell gibt es rund 20 Leerstände in der Bahnhof-, Ruhrstraße und der Wittener Stadtgalerie
Die Bahnhofstraße weist da schon mehr Lücken auf, wobei die Fläche bis zum Berliner Platz recht belebt ist. Zusammen mit Ruhrstraße, City-Bogen und Stadtgalerie gibt es aktuell um die 20 Leerstände. Gleichzeitig ist überall Bewegung drin.
Kaufmann Philip Teller lobt etwa Neueröffnungen wie einen Weinladen im Wiesenviertel. In der Stadtgalerie war die Ansiedlung von „Action“ kurz vor Weihnachten die letzte spektakuläre Neuvermietung. Am anderen Ende der Bahnhofstraße versucht nun Rashad Bango sein Glück.
Er öffnet seinen Rathaus-Kiosk von 6.30 Uhr bis Mitternacht, am Wochenende sogar bis zwei Uhr morgens. Der gebürtige Syrer hat schon viele Jobs in seinem Leben gemacht, auf dem Bau, auch schon als Gärtner. Jetzt spielt der Rücken nicht mehr mit. Bürgergeld will er nicht, da verkauft er lieber Klümpchen, Zigaretten, Knabberzeug und Getränke. Demnächst nimmt er noch ein paar Lebensmittel ins Sortiment. Haltbare Milch gibt es schon. Sonntagsarbeiter in der City werden sich freuen.