Witten/Sprockhövel. Wer schlau ist, geht aufs Gymnasium? Nicht nur: Felina Böhle und Philipp Breitenborn schafften an der Hardenstein-Gesamtschule ein Einser-Abi.
Wer richtig schlau ist, geht aufs Gymnasium, mag man meinen. Aber es geht auch anders. Die beiden Sprockhöveler Felina Böhle und Philipp Breitenborn haben ihre Schulzeit an der Gesamtschule Hardenstein in Witten verbracht - und mit einem Abischnitt von 1,0 beendet. Beide sind überzeugt: Auch das System Gesamtschule kann zu Spitzenleistungen führen.
Statistisch gesehen, sind die beiden dennoch eine große Ausnahme. Im ganzen EN-Kreis schafften nur 15 von 275 Gesamtschülern einen Abitur-Notenschnitt von 1,0 bis 1,4. Auch an der Hardensteinschule wird ein so guter Wert selten erreicht. Felina Böhle erreichte 858 von 900 möglichen Punkten in ihrer Abiturprüfung. Philipp Breitenborn 857.
Nebengebäude für Unterstufe überzeugte
Warum haben die beiden Sprockhöveler nach der Grundschulzeit die Herbeder Gesamtschule gewählt - und nicht eins der Hattinger Gymnasien? „Am Tag der offenen Tür hat mir das Klima an der Hardenstein am besten gefallen“, erinnert sich Felina. Natürlich, die große Schwester ging auch schon auf die Gesamtschule. Besonders überzeugte aber, dass die unteren Jahrgänge für sich in einem Nebengebäude am Vormholzer Ring untergebracht sind. Noch. Denn das soll sich bald ändern.
Nicht nach System gepaukt
Die ganz große Auswahl in Sachen Fächerkombination bietet die vierzügige Gesamtschule am Wittener Stadtrand nicht - dafür ist die Zahl der Abschlussschüler vermutlich zu klein (58) und Kooperationen wie zwischen Ruhr und Schiller sind rein räumlich kaum umzusetzen. Entsprechend überschaubar ist das Leistungskursangebot.
Felina Böhle wählte Mathe und Deutsch, als weitere Fächer Englisch und Geschichte. In Englisch erreichte sie in der Abiturklausur 13 Punkte, sonst jeweils die volle Punktzahl mit 15. „Damit hatte ich gar nicht gerechnet“, gesteht sie. Sie sei zwar „sehr gut“ vorbenotet gewesen. Aber dass die Prüfungen dann so gut liefen, hat sie dann doch überrascht.
Wobei sie eher der chaotische Lerntyp sei. Sie hat weder nach System noch festen Uhrzeiten gepaukt. Hübsch gestaltete Lernzettel gab es bei ihr auch nicht. „Nur für Mathe habe ich mich vorab zurückgezogen.“ Ihr Tipp an künftige Abiturienten: die Übungs- und Altklausuren auf der Website des Schulministeriums durcharbeiten. Felina sagt aber auch: Nur mit Schule, ohne den familiären Rückhalt und die Unterstützung ihrer Eltern, wären ihre vorherigen Zeugnisse wohl schlechter ausgefallen.
„Nicht ein Jahr lang mein Hirn auf Pause stellen“
- Ein Drittel schafft Einser-Abi: Warum die Noten so gut sind
- Abitur und Schulabschluss 2024 in Witten: Das sind die Fotos
- Alle Fächer 1+: Das macht Wittens Superabiturientin heute
Nun genießt die 19-Jährige die Ferien, trifft sich mit Freunden, reist ein bisschen - und trainiert natürlich weiterhin in der Meisterschaftsgruppe des Hattinger Tanzstudios „Let‘s dance“. Während viele - zum Beispiel die Gymnasial-Abiturienten - nach der Schule erstmal ein Jahr Pause einlegen, will Felina im Herbst studieren und sich in den Psychologie-Studiengang an der Ruhr-Universität einschreiben. „Ich kann nicht ein Jahr lang mein Hirn auf Pause stellen“, sagt die junge Frau lächelnd. Fehlt ihr die Schule also schon? „Bislang nicht.“
Obwohl - mit der Mottowoche zu Ostern, dem „Chaostag“, bei dem sie die Hardensteinschule mit Bauzäunen abgeriegelt hat, und dem Abiball in Wuppertal gab es ein lustiges und aufregendes Finale. Felinas Bilanz fällt daher positiv aus: „Es war auf jeden Fall eine gute Schulzeit.“
Mit Teamwork zum Traumabitur
Das sagt auch Philipp Breitenborn (19). Er hat mit Felina Abitur gemacht. Die beiden saßen im Mathekurs nebeneinander und paukten gemeinsam fürs Abi. „Wir haben ein super Verhältnis und ich habe mich echt für sie gefreut“, sagt Philipp. Auch er hätte nach der Grundschule problemlos an ein Gymnasium wechseln können. Wegen schlechter Erfahrungen mit dieser Schulform entschieden sich seine Eltern und er jedoch für die Hardenstein-Gesamtschule. Jetzt hat er ebenfalls ein Einser-Abi in der Tasche und ist gleich einen Tag nach dem Abiball in die USA gereist. Eine Flucht ins Ausland nach Jahren der Plackerei?
„Nein, meine Eltern hatten eine Reise geplant und ich bin mitgekommen“, sagt er. Während seine Eltern Los Angeles erkunden, wohnt Philipp in einem Airbnb in San Francisco. Allein zum Abschalten ist er nicht über den großen Teich geflogen. Natürlich sei Erholung auch ein Grund, sagt er. Doch vor allem wolle er sich als Person „weiterentwickeln“ und „selbstständiger werden“.
„Ich bin ein Typ, der immer alles planen muss, der klare Ziele braucht, nach denen er streben kann“, sagt Philipp über sich. Früher sei er nicht so gewesen. Doch irgendwann während der Oberstufenzeit habe es bei ihm „Klick“ gemacht. Kann er denn auch den ein oder andereen Lerntipps an die nächste Generation von Abiturienten weitergeben?.
Für Deutsch und andere Fächer hat er sich Zusatzinformationen aus dem Netz herausgesucht. „So konnte ich irgendein Zitat, mit dem die Lehrer nicht rechnen, in der Klausur verwenden. Das kommt immer gut.“ Für Hausaufgaben kennt Philipp keinen Trick. „Die gehören einfach dazu.“ Wie es für ihn weitergeht, weiß er schon genau. Im Herbst startet er ins Studium an der Ruhr-Universität Bochum. Dort möchte er „SEPM“ studieren. Das steht für „Sales Engineering and Product Placement“, was in etwa „Verkauf und Produktplatzierung“ bedeutet. So viel steht fest: An der „Hardenstein“ hat sich der Sprockhöveler bestens verkauft.