Witten. Ob Anschlag oder Unfall: Events brauchen Sicherheitskonzepte. Steven Skarrus vom DRK Witten gibt einen Blick hinter die Kulissen der Fußball-EM.
Der Einsatzort: geheim. Fotos: tabu. Wer solche Vorgaben macht, dem sitzt Angst im Nacken. Angst vor fatalen Unfällen, vor Fan-Randale, vor Anschlägen. Die Rede ist von der Fußball-Europameisterschaft. Die Verantwortlichen begegnen der Angst mit einem ausgeklügelten Notfall-Konzept. Rettungssanitäter Steven Skarrus (30) aus Witten ist ein Teil davon. Im Gespräch mit der WAZ erlaubt er Innenansichten eines Systems extremer Vorsicht.
DRK-Helfer ist bekennender Langschläfer
Steven Skarrus hat gerade einen Stadion-Einsatz hinter sich. Bis 13 Uhr hat er geschlafen. Vor Vorabend war er Gelsenkirchens Schalke-Arena. Albanien kickte gegen Italien. Das System für Rotkreuzler ist, so scheint es, ganz einfach: früh hin, später zurück. Der Wittener kam nachts um drei zurück. Ihm macht das nichts: „Ich bin ein Langschläfer.“
Ein Einsatz erfordert zwei freie Tage
Für jeden Arbeitgeber indes sind ehrenamtliche Einsätze wie diese ein Alptraum. Aus Chef-Perspektive fehlen Beschäftigte wie Steven Skarrus gleich an zwei Arbeitstagen. Der 30-Jährige hat Glück. Er arbeitet hauptberuflich beim DRK.
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Dienste bei Events gelten als Herausforderung – selbst dann, wenn keine abstrakte Terrorgefahr droht. Hilfsorganisationen wie der DRK-Kreisverband Witten setzen auf erfahrene Mitglieder. Steven Skarrus ist nicht nur Profi – er blickt auch auf eine zehnjährige Berufserfahrung zurück. Er weiß, wie es ist, an Unfallorten Verletzte ins Krankenhaus zu bringen. Dabei schätzt Steven Skarrus die hohe Klinikdichte im Ruhrgebiet: „Egal in welcher Stadt du arbeitest, ein Krankenhaus ist immer schnell erreichbar.“
Der Job von Einsatzkräften wie Steven Skarrus läuft dann perfekt, wenn sie nicht oder nur kaum gebraucht werden. Doch das lasse sich vorab – Planung hin, Vorsicht her – niemals mit Gewissheit sagen: „Du weißt nie, wie die Leute drauf sind.“
Italien-Albanien: Fans feiern friedlich
In Gelsenkirchen kickte Albanien gegen Italien. Steven Skarrus saugte die Stimmung in der Stadt auf: Autos, Fahnen, Gehupe – Stress indes gab es nicht. „Zwischen den Fans gibt es keine Rivalität“, stellte der Rettungssanitäter erleichtert fest.
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Sein Team hielt sich in einer Bereitschaftsunterkunft in der Nähe der Arena auf. Doch selbst im Nachhinein bewahrt der Rotkreuzler Stillschweigen über den Standort. Vorsicht, Feind liest mit? Wer weiß. Auskunftsfreudiger ist der Nothelfer, warum er beim Gang ins Stadion anderen Team-Mitgliedern den Vortritt ließ: „Ich bin kein Fußballfan.“
Dienste bringen Menschen zusammen - aus Köln, München, Hamburg
Dennoch genießt Steven Skarrus auch zeitaufwändige Arbeitseinsätze: „Die Kameradschaft ist toll“, schwärmt er, „ich lernen so viele Menschen aus anderen Städten kennen“. Zunächst einmal Teammitglieder, mal aus Köln, mal aus München, mal aus Hamburg.
Steven Skarrus lernt obendrein Alltagsmenschen kennen, die Erstversorgung für Verletzungen haben wollen – wie jüngst beim Public Viewing im Dortmunder Westfalenpark. Sein Team ist aber auf den Ernstfall vorbereitet: auf Herzinfarkte, Schlaganfälle, schwere Körperverletzungen.
Stimmungscheck aus sicherer Distanz: Wie sind die Fans drauf?
Bei Einsätzen wie Public Viewing im Park sind Abläufe längst standardisiert. Das erleichtert den Einsatzkräften die Orientierung, spart Zeit. Dennoch läuft jeder Einsatz anders. Deshalb nutzt das Team die Einlassphase, um aus sicherer Entfernung die Stimmung der Teilnehmenden zu erspüren. Sind sie gut drauf? Gibt es Gruppen, die auf Krawall aus sind? Kommen Cliquen mit internen Spannungen? Ist Randale greifbar, gilt es, ruhig zu bleiben.
Steven Skarrus wirkt im Gespräch tiefenentspannt. Das hilft vor Ort. In Dortmund stellte sich bei ihm schnell Erleichterung ein: „Wir standen an der Seebühne und hatten einen super Blick auf die Fans, weil das Gelände vor der Bühne ansteigt.“ Obendrein war Sommermärchen angesagt. Ein paar Blessuren verarzten, sonst gab es nichts zu tun.
In Gelsenkirchen war Steven Skarrus auch Teil eines sogenannten Patientenzuges mit vielen Rettungsfahrzeugen für einen möglichen Großeinsatz. Der Patientenzug ist in Stadionnähe; das eigentliche Spiel England gegen Slowakei erlebt Steven Skarrus nicht mit. Er macht kein Aufheben drum. So sind sie, die stillen Helden.