Gelsenkirchen. Stadt und Polizei ziehen nach dem letzten Spiel in Gelsenkirchen Bilanz. Und: Die Stadt überrascht mit einer Umplanung zum nächsten Türkei-Spiel.

Viermal war Gelsenkirchen Austragungsort für Spiele der Fußball-Europameisterschaften 2024. Gerade ist der Jubel der Engländer nach dem Viertelfinaleinzug (gegen die Schweiz, 6. Juni) verklungen, da ziehen Polizei und Stadt ein erstes Fazit: Aus polizeilicher Sicht hat es das erhoffte friedliche Fußballfest gegeben - größere Auseinandersetzungen oder gar Krawalle sind ausgeblieben. Trotzdem ist die Stadt in Sachen Marketing und Aufenthaltsqualität abgewatscht worden. Sie hat sich Kritik gefallen lassen müssen, etwa aufgrund stotternder Logistik von Bussen und Bahnen.

Achtelfinale zwischen Türkei gegen Österreich: Public Viewing im Amphitheater und auf dem Nordsternplatz

Aber: Man zeigte auch Lernfähigkeit und Flexibilität, etwa als die Fan-Zone der Engländer vor ihrem zweiten Spiel an der Emscher kurzfristig doch in die Innenstadt verlagert wurde. Eine aktuelle Änderung gab es bei der Abschluss-PK ebenfalls zu verkünden: Wegen der hohen Nachfrage wird die Stadt (entgegen ihrer ursprünglichen EM-Planung, nur Spiele in Gelsenkirchen und Spiele der deutschen Nationalelf im Amphitheater zu zeigen) die Bühne am Rhein-Herne-Kanal zum Spiel zwischen der Türkei und Österreich am Dienstag (19 Uhr) zusätzlich noch zum Nordsternplatz öffnen. Gewinnt die Türkei, wird so auch im Viertelfinale verfahren.

Ansonsten aber betonte die Stadt ihre Ansicht, „dass sie Fußball kann“, wie Oberbürgermeisterin Karin Welge und Stadtdirektor Luidger Wolterhoff unisono hervorhoben. „370.000 Gäste haben Gelsenkirchen an 17 Tagen besucht, davon sind 100.000 mit Bussen und Bahnen transportiert worden.“

Allein an den beiden Fan Meeting Points schlugen 23.000 Gäste auf, die 33.000 Liter Bier, 6000 Liter alkoholfreie Getränke und knapp 17.000 Portionen Speisen verzehrt haben. Dazu kommen noch einmal 20.000 Essensportionen in der Fanzone und 30.000 Liter Bier. Zahlen, die weiter steigen werden, wenn an den kommenden Spieltagen weitere Besucher zum Rudelgucken kommen.

Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge

„Wenn eine Stadt wie Gelsenkirchen über nur halb so viel Kaufkraft verfügt wie Düsseldorf, dann ist es klar, dass es hier auch nur halb so viele Lokale und Kneipen gibt.““

Replik von Gelsenkirchens OB Karin Welge zur Aufenthaltsqualität

Dass es zum EM-Start in Gelsenkirchen Staus bei der Abreise gegeben hat, hat der OB zufolge mehr mit Kapazitätsproblemen der Deutschen Bahn und der Bogestra zu tun, als mit der Stadt. „Wir sind nicht die Player, die diktieren können.“ Und mit Blick auf die Aufenthaltsqualität in der Emscherstadt: „Wenn eine Stadt wie Gelsenkirchen nur über halb so viel Kaufkraft verfügt wie Düsseldorf, dann ist es klar, dass es hier auch nur halb so viele Lokale und Kneipen gibt.“ Den Steilpass nahm Wolterhoff gerne auf und ergänzte: „In Gelsenkirchen führen vielleicht zwei Gleise hinaus und zwei hinein. In Köln mögen es jeweils zehn sein.“ Trotzdem werde man immer wieder den Hut in den Ring werfen, allein schon aus Gründen der Gleichberechtigung.

Und mit Blick auf die anstehenden drei Taylor-Swift-Konzerte in Gelsenkirchen? Da gibt sich die Stadt optimistisch und kämpferisch zugleich. Und verkneift sich auch keinen Seitenhieb auf Kritiker. Welge: „Ja, wir sind vorbereitet. Ja, es wird wieder Anrufe geben, weil irgendwo ein Mülleimer überquillt, weil Swifties ihn vollgestopft haben. Aber diese Stadt kann Großveranstaltungen.“ Der Nachsatz „Wir leisten mit einem Drittel weniger Mannschaft das Doppelte im Vergleich zu anderen Städten“, klang da fast schon gereizt.

Ziehen Zwischenbilanz: Gelsenkirchens Leitender Polizeidirektor Peter Both (v.l.), OB Karin Welge, Stadtdirektor Luidger Wolterhoff und Wilhem Weßels, EM-Büroleiter.
Ziehen Zwischenbilanz: Gelsenkirchens Leitender Polizeidirektor Peter Both (v.l.), OB Karin Welge, Stadtdirektor Luidger Wolterhoff und Wilhem Weßels, EM-Büroleiter. © Nikos Kimerlis

Der Leitende Polizeidirektion Peter Both bezeichnete die EM in Gelsenkirchen als „grandioses Fest mit tollen Fans und ganz wenigen Ausnahmen“. Gemeint war damit die Schlägerei in der Innenstadt, in die sogar der Sohn des serbischen Präsidenten involviert war. Um seinen Standpunkt zu untermauern, setzte Both die Zuschauerzahlen zur Anzahl der Störer ins Verhältnis: Gut 200.000 Zuschauer im Stadion gegenüber nicht einmal einer „dreistelligen Zahl“ gewaltbereiter Besucher. Sein persönliches Highlight: der Fanmarsch mit 10.000 Portugiesen - „ein Traum“.

Als die Arena auf Schalke gegen 15 Uhr am Sonntag letztmalig ihre Tore öffnete, ist es zu einem kleineren Zwischenfall gekommen. Ein englischer Fan hatte Ordner angegriffen. Die Polizei setzte darauf Schlagstöcke ein. Der Angreifer kam ins Gewahrsam. Ein Ordner und ein Polizist seien leicht verletzt worden.