Dortmund. Anderthalb Stunden lang kletterte am Samstag ein Mann übers Dortmunder Stadiondach. Am Ende könnte der Polizeieinsatz für ihn teuer werden.

Anderthalb Stunden lang ist beim EM-Achtelfinalspiel Deutschland–Dänemark ein illegaler Kletterer übers Dortmunder Stadion-Dach gelaufen. Die meisten Fans im Stadion dürften davon nichts bemerkt haben. Erst im Nachhinein fragen sich viele: Wie kam der Mann dort hoch? Wieso hat die Polizei ihn so lange gewähren lassen? Und muss er den Polizeieinsatz selbst zahlen?

Was der 21-Jährige Osnabrücker auf dem Dach des BVB-Stadions wollte war laut Polizei schon bei seiner ersten Vernehmung klar: krasse Bilder! Der junge Mann gehört der Roofer-Szene an, die sich immer wieder in waghalsige Höhen begibt. Meist illegal – das zeigt nicht nur der Fall in Dortmund. Der 21-Jährige habe auch zwei weitere Verfahren am Hals, erklärt Dortmunds Polizeisprecher Torsten Sziesze: „Er war auch auf dem Ulmer Münster und dem Steag-Kraftwerk in Herne.“ In Herne hatte er mit der Polizei „Katz und Maus“ gespielt.

Die Frage, wie der Mann mit seinem großem Rucksack ins Stadion kam und wie er den Einstieg in seine Klettertour schaffte, kann Sziesze nicht beantworten: „Das Sicherheitskonzept rund um Einlass, Kontrollen und Sicherheit im Stadion ist Sache der DFB Euro Gmbh“, erklärt der Pressestellenleiter. Die Polizei sei nur für die akute Gefahrenabwehr zuständig.

Auf dem Dach, auf dem Gestänge: „Mann wurde lückenlos beobachtet“

Also gut: Gefahrenabwehr. Aber wieso hat die Polizei so spät eingegriffen? Die komplette zweite Halbzeit turnte der Mann oben übers Dach und unterhalb des Daches übers Gestänge. Hätte von dem unbekannten Kletterer nicht auch eine Gefahr ausgehen können – etwa eine Bombe im Rucksack? „Wir haben den Mann lückenlos beobachtet“, so Sziesze. „Mit Drohnen unter und über dem Dach, mit einem Hubschrauber und auf anderen Wegen. Wir hatten eine fortlaufende Gefährdungsbewertung.“ Der Zugriff sei daher so schnell wie möglich, aber ohne gefährliche Hektik erfolgt.

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Die Art, wie sich der Mann bewegte und wohin, was er tat und was nicht – das alles sei in die Bewertung der Lage eingeflossen. Eine Terrorwarnung war nicht bekannt. Das alles (und noch mehr, das der Polizeisprecher nicht verraten will) ließ die Polizei sicher sein: Der Mann stellte keine Gefahr für die 60.000 Menschen im Stadion dar.

Wie der Mann aussah wussten die Einsatzkräfte bis zum Zugriff allerdings nicht – er war mit einer Sturmhaube vermummt. Ein Abgleich mit Bildern anderer polizeibekannter Roofer war also nicht möglich. Ebenso unklar sei der Inhalt des Rucksacks gewesen, so Sziesze: Erst bei der Festnahme fand die Polizei die Kameraausrüstung.

Ob der Osnabrücker vor dem Zugriff schon Bilder gemacht hat bleibt unklar. Er habe sich wohl kreuz und quer über das Dach bewegt, um einen guten Ort zum Fotografieren zu finden. „Aber da oben war es zu dem Zeitpunkt wegen des Wetter nicht gerade ungefährlich“, so der Polizeisprecher. „Er konnte nicht einfach so die Kamera rausholen.“

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Wegen Gewitters und Starkregens war das Spiel in Dortmund unterbrochen worden. Kurz bevor es weiterging, nutzte der Roofer wohl seine Chance und kletterte unters und aufs Stadiondach. Einige Querstangen sind begehbar – dort wurde er festgenommen. © WITTERS | TimGroothuis

Regen, Wind und starke Dach-Neigung auf dem BVB-Stadion

Das Wetter sei auch einer der Gründe gewesen, warum die Polizei so behutsam mit dem Zugriff war, so Sziesze. „Wir müssen ja auch auf unsere eigenen Leute achten.“ Regen, rutschige Oberflächen, Wind – und dann noch eine Dachneigung von bis zu 37 Grad: Das habe es nicht nur für den Roofer lebensgefährlich gemacht, sondern auch fürs SEK.

Am Ende sei es den Einsatzkräften aber gelungen, den Mann vom Dach zurück auf eine der begehbaren Traversen darunter zu lotsen. Wie die Spezialkräfte aufs Dach kamen und wie die Ansprache gelang, verrät Sziesze nicht – aus taktischen Gründen, sagt er. „Außerdem wollen wir ja keine Nachahmer animieren.“

Roofer auf Dortmunder Stadion-Dach: Muss er Polizeieinsatz zahlen?

Zu den Hausfriedensbruchs-Anzeigen aus Herne und Ulm kommt für den 21-Jährigen also noch eine aus Dortmund dazu. Ein Punkt sei aber noch unklar, erklärt Polizeisprecher Torsten Sziesze: Muss der Osnabrücker den teuren Polizeieinsatz aus eigener Tasche zahlen? „Möglich, aber das prüfen wir gerade noch.“

In NRW gilt seit 2023 eine neue Gebührenordnung, die verschiedene Szenarien auflistet. Enstanden war die Gebührenordnung durch die Diskussionen um Klimakleber. Darin steht auch: „Rettung oder Bergung von Personen, wenn die den Einsatz veranlassende Gefahr vorsätzlich oder grob fahrlässig von ihnen herbeigeführt worden ist.“ Abgerechnet wird nach Zeit und Aufwand, die Gebühren können bis zu 50.000 Euro betragen.