Witten. NRW übernimmt die Hälfte der Anwohnerbeiträge bei Straßenbaumaßnahmen. In Witten gibt es die erste Förderzusage. Wer profitiert – und wer nicht.

Noch immer müssen Anwohner in Witten und anderen Städten NRWs die umstrittenen Straßenbaubeiträge bezahlen. Ein Förderprogramm des Landes im Umfang von 65 Millionen Euro jährlich soll Betroffene aber zumindest entlasten – um rund 50 Prozent. In Witten profitieren nun die ersten Anwohner von dieser Neuerung – und zwar auch rückwirkend.

Denn schon 2018 hat die Stadt an der Brüderstraße den Kanal erneuern lassen. Die betroffenen Anlieger erhalten nun einen Gebühren-Bescheid, der um die Hälfte geringer ausfallen wird, als ursprünglich gedacht. Denn aus Landesmitteln fließen über 44.000 Euro in die Stadtkasse, die Hälfte der Kosten, die die Anlieger für die Arbeiten zahlen müssen.

Stadt Witten bereitet mehrere Förderanträge für abgeschlossene Arbeiten vor

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Gute Nachrichten gibt es wohl auch für Hausbesitzer an der Fichtestraße: Für den neuen Mischwasserkanal, der der dort ebenfalls bereits 2018 verlegt worden ist, sitzt das Tiefbauamt derzeit am Förderantrag. Weitere sollen folgen.

Annette Schroeder vom Tiefbauamt der Stadt Witten. Sie ist zuständig für das Thema Straßenbaubeiträge.
Annette Schroeder vom Tiefbauamt der Stadt Witten. Sie ist zuständig für das Thema Straßenbaubeiträge. © Unbekannt | Stadt Witten

„Ausschlaggebend, ob eine Maßnahme für die Förderung in Frage kommt, ist das Datum des Baubeschlusses“, erklärt Annette Schroeder, Abteilungsleiterin Straßenbaubeiträge. Dieser müsse nach dem 1.1.2018 erfolgt sein. Bei anderen älteren Bauvorhaben sei das noch in der Prüfung.

Stadt musste zunächst ein Straßen- und Wegekonzept erstellen, um Fördermittel beantragen zu können

Um die Landesmittel beantragen zu können, musste die Verwaltung zunächst gemeinsam mit dem Rat ein Straßen- und Wegekonzept erarbeiten und beschließen. Es listet alle geplanten Maßnahmen der nächsten vier bis fünf Jahre auf – insgesamt 220 Projekte. „Das ist sehr viel, nicht alles wird in diesem Zeitrahmen umsetzbar sein“, so Schroeder. Man habe das Straßenkonzept aber mit Absicht so umfangreich aufgestellt – denn künftig werden die Anwohner nur bei solchen Maßnahmen durch Landesmittel unterstützt, die in dem im Juni vom Rat verabschiedeten Konzept auftauchen.

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Weitere Vorgabe des Landes: Kommunen sollen ihre Bautätigkeiten transparenter gestalten. Vor allem durch eine Beteiligung der Bürger vorab. Bei kleineren Baustellen, wenn etwa nur die Beleuchtung einer Straße ausgetauscht wird, soll das online laufen, bei größeren Vorhaben als Bürgerversammlung. „Wir haben vorgearbeitet, damit das nun zugunsten der Anwohner laufen kann“, sagt Abteilungsleiterin Schroeder.

Auch Anwohner von Bommerfelder Ring und im Johannisviertel werden wohl zur Hälfte entlastet

Auch die Arbeiten am Bommerfelder Ring, die im Oktober 2020 begonnen haben, werden wie es aussieht vom Land bezuschusst. Da es sich um eine Haupterschließungsstraße handelt, werden die Anwohner nach dem Kommunalen Abgabegesetz zu 40 Prozent an den Kosten beteiligt, die sich auf rund drei Millionen Euro belaufen.

Die Stadt veranschlagt als von den Anliegern zu tragenden Anteil aktuell 576.000 Euro für die Fahrbahn, 24.800 Euro für die Beleuchtung und 127.200 Euro für den Kanal. Der Kanalaustausch wird wohl nicht förderfähig sein. Er wurde bereits 2010 beschlossen. Für die anderen Arbeiten könnten rund 300.000 Euro vom Land fließen und müssen damit nicht von den Anwohnern aus der eigenen Tasche bezahlt werden.

Auch Hauseigentümer im Johannisviertel können sich freuen. Auch die dort derzeit stattfindenden Umbaumaßnahmen sind nach Angaben der Stadt förderfähig – das Land übernimmt also auch hier die Hälfte der anfallenden Anwohnerbeiträge.

Pferdebachstraße und Waldstraße gehen leer aus

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Das gilt jedoch nicht für die Großbaustelle Pferdebachstraße und für die umstrittenen Arbeiten an der Waldstraße. „Das haben wir als Erstes geprüft, aber die beiden Straßen fallen leider nicht unter die neue Regelung“, sagt Annette Schroeder. Denn die entsprechenden Baubeschlüssen seien zu alt.

Bei der Waldstraße kommt noch ein weiteres Problem hinzu: Das Land greift Bürgern nur bei Baumaßnahmen finanziell unter die Arme, die unter das Kommunale Abgabengesetz, also unter Landesrecht fallen. Dazu gehören etwa die Erneuerung von Teileinrichtungen einer Straße, wie Kanal, Fahrbahn, Gehwege, Parkstreifen, Radwege und Beleuchtung. Wird eine Straße erstmalig hergestellt, fällt dies unter Bundesrecht – und es gibt keine NRW-Förderung. Bei einigen Teilen der Waldstraße sei genau das noch ungeklärt, so Schroeder.

Bürgerinitiative zur Abschaffung scheiterte

Eine Volksinitiative des Bundes der Steuerzahler hatte 2019 über 500.000 Unterschriften zur Abschaffung der Straßenbaubeiträge für Anwohner in NRW gesammelt. Auch mehrere Versuche der SPD-Opposition im Landtag scheiterten.Die Landesregierung brachte stattdessen Ende 2019 eine Gesetzesänderung auf den Weg, inklusive des nun in Witten greifenden Förderprogramms. Das Landesgesetz läuft vorerst bis Ende 2024. Andere Bundesländer wie Bayern, Brandenburg oder auch Berlin haben die umstrittene Abgabe abgeschafft. Die Stadt Witten hat in den vergangenen zwei Jahren jeweils eine halbe Million Euro an Anwohnerbeiträgen nach dem Kommunalen Abgabegesetz eingenommen.