Witten. Trotz klarer Weichenstellung der Politik könnte sich der Neubau der Ruhrbrücken in Witten verzögern. Es gibt ein neues Anwohner-Bündnis in Heven.

Einstimmig beschlossen: Die Wittener Politik hat im Ausschuss für Mobilität und Verkehr (22.11.) die Weichen für „eines der wichtigesten Infrastrukturprojekte der nächsten Dekade“ gestellt, wie es Stadtbaurat Stefan Rommelfanger formulierte. Die Politik fasste einen umfassenden Grundsatzbeschluss zum Neubau der Ruhrbrücken zwischen Heven und Herbede. Alle Hürden sind damit aber noch längst nicht aus dem Weg.

Anwohner in Witten haben Angst vor Hochwasser

Inzwischen ist eine neue Initiative aufgetaucht, die das Projekt um Jahre nach hinten schieben könnte. Das „Anwohnerbündnis Ruhrhochwasser“ fordert ein Planfeststellungsverfahren, um die Zulässigkeit der großen Baumaßnahmen umfassend überprüfen zu lassen. Die 17 Anwohnerparteien aus den Straßen In der Lake und Alter Fährweg sorgen sich um das Hochwasserrisiko.

Auch interessant

Monate nach der Jahrhundertflut, als beide Straßen unter Wasser standen, hegen die Hevener nun neue Befürchtungen. Das Wasser könne zum einen während der Bauphase steigen, wenn über zwei Jahre lang Materialien und Baugeräte im Überflutungsgebiet der Ruhr lagern. Die Lage der neuen Brücke erhöhe das Risiko noch. Denn deren Pfeiler könnten in der Abflussrinne der Ruhr stehen.

„Das Ruhrhochwasser im Juli hat uns die Augen geöffnet“, sagte Anwohner Dirk Pütz jetzt im Verkehrsausschuss. Das Hochwasser habe nicht richtig abfließen können, was auch eine Folge des Baus der Ruhr-Inline-Bahn vor einigen Jahren vor dem Golfplatz gewesen sei. Das Wasser floss zurück in die Siedlung rund um die Brennerei Sonnenschein.

Ruhrbrücken sind kein Neubau, sondern ein Ersatz

„Wir möchten mehr Gehör, mehr Beteiligung“, sagte Pütz. Er empfiehlt der Stadt und Straßen.NRW, den rechtssicheren Weg eines Planfeststellungsverfahrens zu gehen. „Das ist Standard, wenn man ein solch großes Infrastrukturprojekt umsetzt“, zumal in einem Hochwasserrisikogebiet. „Wir sind keine Streithansel und wir stellen uns auch nicht gegen den Grundsatzbeschluss“, betonte er.

Lange Busse und schwere Lkw dürfen schon jetzt nicht mehr über die Herbeder Brücke in Witten fahren.
Lange Busse und schwere Lkw dürfen schon jetzt nicht mehr über die Herbeder Brücke in Witten fahren. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Die Ruhrbrücken dürfen ohne Planfeststellungsverfahren gebaut werden, weil es kein Neubauprojekt ist, sondern ein Ersatz an nahezu gleicher Stelle, eine „Planänderung geringfügiger Bedeutung“, wie es heißt. Die Planungen dazu sind schon recht weit fortgeschritten. Die Brücken sollen so marode sein, dass Straßen.NRW als Eigentümer immer wieder vor einer Sperrung wegen Baufälligkeit warnt. 2024 soll Baubeginn sein, 2027 könnte der Brückenzug fertig sein – wenn denn alles glatt läuft.

Seit 2016 wird über Brücken diskutiert

„Ein Planfeststellungsverfahren beinhaltet dagegen viele planungsrechtliche Vorgaben, also Auslegungen, Fristen, eine Beteiligung der Bezirksregierung, dass der Bau mindestens zwei bis drei Jahre länger dauert“, erklärt Andreas Berg, Sprecher von Straßen NRW, am Dienstag auf Anfrage der Redaktion. Auch ein Artenschutzgutachten zählt dazu. „Dann könnten wir frühestens 2027 anfangen.“

Im Wittener Mobilitätsausschuss war Stadtbaurat Rommelfanger und vielen Politikern anzumerken, wie wenig sie der Eingabe der Hevener Bürger folgen möchten. Christian Held (CDU) sagte es schon vor der Abstimmung: Seit 2016 werde über die Ruhrbrücken diskutiert, nun müsse man auch mal loslegen.

Auch Ralf Stehmann von der Stadtklima-Fraktion mahnte „Probleme auf der Zeitachse an.“ Arnold Evertz von den Grünen verwies darauf, dass ein Neubau ohnehin erst nach der Genehmigung der Oberen Wasserbehörde erfolgen könne. „Wir können davon ausgehen, dass diese gewissenhaft arbeiten wird.“ Nur Linke und Bürgerforum+ zeigten sich offen für das andere, aufwendigere Verfahren.

Warum zweifeln die Anwohner an, dass Straßen.NRW beim Bau nicht auf den Hochwasserschutz beachtet? „Unsere Sachfragen wurden kaum beantwortet“, sagt Dirk Pütz vom „Anwohnerbündnis“. „Niemand konnte uns sagen, wo die Pfeiler genau stehen sollen.“ Er wünsche sich auch eine Offenlegung der Berichte, wie marode die Brücke wirklich sei.

Straßen.NRW wird Ruhraltarm als Abflussrinne ausbauen

Baudezernent Rommelfanger versicherte im Ausschuss: „Die Stadt und Straßen.NRW wollen Vertrauen schaffen und alles tun, um die Siedlung vor weiteren Hochwassern zu schützen.“ Vor Ort hat es bereits Gespräche mit den Anwohnern gegeben. Dem Grundsatzbeschluss ist ein Passus zum Hochwasserschutz zugefügt worden, den Straßen.NRW sowohl für den neuen Bau als auch während der Bauphase sicherstellen muss. Zudem hat Straßen.NRW eine weitere Baumaßnahme zugesichert, den Ruhraltarm als „Umgehungsgerinne“ auszubauen und an die Ruhr anzuschließen.

Bei den Hevener Bürgern ist das Misstrauen offenbar größer. Sie wollen ihre Forderungen im Haupt- und Finanzausschuss und in der Ratssitzung am 7. Februar vorstellen. Sollte es kein Planfeststellungsverfahren geben, bleibt ihnen noch der Klageweg.