Witten. Vor einer Woche flutete die Ruhr in Witten Straßen, die nahe am Fluss liegen. Es hat auch die Traditionsbrennerei Sonnenschein hart getroffen.

Eine Woche ist es her, dass Sebastian Banhold hoffte, einen Blick in seine Sonnenschein-Brennerei werfen zu können. Der Geschäftsführer des Hevener Traditionsgeschäftes stand auf der von der Ruhr gefluteten Herbeder Straße und sah zu, wie 50 Menschen aus den Straßen „In der Lake“ und im „Alten Fährweg“ evakuiert wurden. Banhold kam erst nach Rückzug des Wassers am vergangenen Freitag in sein Geschäft - und war geschockt.

Auch eine Woche nach den Wassermassen sieht es in der Privatbrennerei an der Straße „In der Lake“ aus wie auf einem sprichwörtlichen Schlachtfeld. Das Hochwasser hat nicht nur den Holzboden im Verkaufsraum zerstört, sondern auch den Estrich darunter zu kleinen Hügeln aufgeworfen. Die große Theke wird am Freitag abgebaut – alles Müll. Regale, in denen sonst Feinkost, Weine, Sekt und Liköre präsentiert werden, stehen nackt und angeschlagen an den Wänden.

Traditionsbrennerei in Witten-Heven möchte einen improvisierten Verkauf starten

So sah die Einfahrt zur Brennerei aus, als sich die Ruhr wieder zurückgezogen hatte.
So sah die Einfahrt zur Brennerei aus, als sich die Ruhr wieder zurückgezogen hatte. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Auf dem Hof der Brennerei türmen sich Kisten mit Wein, die noch von Schlammresten befreit werden müssen. Auch die Büros standen unter Wasser. Geschäftsführer Sebastian Banhold, der sich mit seinem Brennerei-Team bemüht, eine gewisse Ordnung in das Chaos zu bringen, fühlt sich „wie in einer Blase“.

podcast-image

Der Schock über das, was die Jahrhundert-Flut angerichtet hat, sitzt bei ihm immer noch tief – auch wenn die Firma für einen solchen großen Schadensfall versichert ist. Selbst im Garten, in dem Gäste bei gutem Wetter Kaffee trinken können, ist das Grün noch von einer leicht schlammigen Kruste überzogen.

Banhold geht nicht davon aus, noch in diesem Jahr wieder öffnen zu können. Zu groß sind die Schäden. Nicht zuletzt sei es schwierig, Handwerker zu bekommen, die alle viel zu tun haben. Glück im Unglück: Dem Bochumer wurden auf dem Bochumer Gesundheitscampus Büroräume zur Verfügung gestellt. Auf seinem Hevener Sonnenschein-Gelände möchte er in den nächsten ein oder zwei Wochen einen improvisierten Verkauf starten.

Am Lokal „Picasso“ in Witten stehen schon wieder Liegestühle auf der Ruhrwiese

Händler aus dem Ruhrgebiet, mit denen die Hevener Firma zusammenarbeitet, haben zugesagt, dass sie Waren zum Einkaufspreis oder nur mit einem geringen Aufschlag liefern werden. Eine Solidarität, die für gute Geschäftsbeziehungen spricht. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen solidarisch zusammen. Sie packen täglich mit an, damit es wieder aufwärts geht. Ihr Chef, der diesen Einsatz nicht selbstverständlich findet, hat sich bei ihnen schon mit einem schönen Essen bedankt.

Dort, wo Carmen Alvarez sitzt, stand vor einer Woche die Ruhr.   Die Inhaberin des Restaurants „Picasso“ in Witten hat ihr Lokal bereits am Sonntag wieder geöffnet.
Dort, wo Carmen Alvarez sitzt, stand vor einer Woche die Ruhr. Die Inhaberin des Restaurants „Picasso“ in Witten hat ihr Lokal bereits am Sonntag wieder geöffnet. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Wenige Meter weiter stehen im spanischen Lokal „Picasso“ in der Lakestraße schon wieder Liegestühle auf der Wiese, die direkt an der Ruhr endet. Die Stühle und Tische, die vor einer Woche dort im Freien standen, gingen in den Fluten unter. Carmen Alvarez, Inhaberin des Restaurants, ist froh, dass das Wasser nicht auch ihre Terrasse erreichte. Schon am vergangenen Sonntag hat die 45-Jährige ihr Lokal wieder geöffnet.

Es gehe nicht anders. Erst die finanziellen Ausfälle durch die lange Zwangsschließung in der Pandemie, jetzt das Ruhrhochwasser. Die Gastronomin rechnet mit einem Gesamtschaden von rund 30.000 Euro durch das Wasser. Eine Versicherung für einen solchen Schadensfall hat sie nicht.

Gäste wollen nichts vom Hochwasser hören

Menschen haben Carmen Alvarez Hilfe beim Aufräumen angeboten, wollten sie auch finanziell unterstützen. Die Wirtin hat das abgelehnt, sich aber trotzdem gefreut. Leider gebe es aber auch Gäste, die betonten, dass sie von der Flut und ihren Folgen nichts hören möchten. Sie seien schließlich gekommen, um sich zu entspannen.