Prof. Gottfried Böhm (98) erlangte mit seinen kühnen Bauten Weltruhm. Sein Herz schlägt für den Dom zu Neviges, den er vor 50 Jahren erbaute.

Der Mariendom gilt als einer der bedeutendsten Kirchenbauten des 20. Jahrhunderts. Mit seiner einzigartigen Beton-Faltwerk-Konstruktion ist er zudem eines der Hauptwerke des weltbekannten Architekten Prof. Gottfried Böhm. Anlässlich des großen Festaktes zum 50. Domjubiläum sprach WAZ-Redakteurin Kathrin Melliwa mit dem 98-Jährigen.

Herr Prof. Böhm, Sie haben Sakralbauten auf der ganzen Welt gebaut. Welche Bedeutung hat für Sie der Mariendom in Neviges?

Das war schon ein besonderer Auftrag damals. Von der Größe her, und auch von der Bedeutung. In Brasilien hatte ich auch etwas Großes und ich hatte auch schon vor Neviges einiges gebaut, aber Neviges war vom Auftrag her anders.

Kardinal Frings ertastete die Wettbewerbs-Modelle

Und wie lautete der Auftrag?

Neviges hatte ja bereits eine Kirche. Eine ganz gute, durchaus interessante Kirche in diesem kleinen Ort. Ich sollte eine Kirche daneben bauen, die über den Ort hinaus Bedeutung hat.

Können Sie sich noch an Ihr Gefühl erinnern, als Sie den Auftrag damals bekamen?

Ausgezeichnet mit dem Nobel-Preis für Architektur

Gottfried Böhm, Sohn des Kirchenbaumeisters Dominikus Böhm, traf auch die Bauhaus-Meister Walter Gropius und Mies van der Rohe. 1986 nahm er den Pritzker-Preis entgegen, den weltweit wichtigsten Architektur-Preis.

Mit Frei Otto, der 2015 postum geehrt wurde, gelang dies nur einem weiteren Deutschen. Seit nunmehr drei Generationen entwirft die Architekten-Dynastie Böhm Kirchen, Theater, Rathäuser und Wohnsiedlungen.

Oh ja, das war ein besonderer Moment. Ich hatte sehr darauf gehofft, das war schon sehr aufregend, denn zuerst war ich ja gar nicht so sehr drin. Da war die Freude dann schon groß. (Anm: Bei dem Wettbewerb hatte Gottfried Böhm zunächst nicht den ersten Platz belegt. Der damalige stark sehbehinderte Kardinal Frings hatte dann die verschiedenen Modelle abgetastet und daraufhin angeregt, einen zweiten Wettbewerb durchzuführen. Und den hatte dann Böhm mit seiner kühnen zeltdachartigen Dachkonstruktion gewonnen.)

Einen Platz schaffen, wo sich Pilger wohl fühlen

Wie es in der Literatur heißt, mache Ihr Bau in exemplarischer Weise das Kirchenverständnis des Zweiten Vatikanischen Konzils sichtbar. An die Stelle der festen Burg trete das Zelt, also die Behausung des „wandernden Gottesvolks“; an die Stelle der geschlossenen Gesellschaft die Präsenz auf den Marktplätzen der Welt.

Die Idee war, einen Weg zu schaffen, der sich zu einem Platz entwickelt. Einen Platz, wo die Pilger wohnen. Mit dem Dach aus einem Guss wollte ich eine Einheit schaffen, eine Einheit aus Wand und Dach, das war auch eine der Hauptideen. Das habe ich in Neviges am stärksten gemacht. In St. Georg in Köln zwar auch, aber am stärksten in Neviges.

Sanierung des maroden Daches läuft seit zwei Jahren

Zurzeit laufen ja gerade die aufwändigen Dach-Sanierungsarbeiten.

Ja, das ist prima. Um die Außenhaut kümmert sich der Peter, aber wir sprechen immer darüber. (Anm. Ein Expertenteam der TH Aachen hat in enger Zusammenarbeit mit Sohn Peter Böhm, ebenfalls erfolgreicher Architekt, und Erzdiözesanbaumeister Martin Struck in jahrelanger Forschungsarbeit ein spezielles System mit kohlefaserverstärktem Spritzbeton entwickelt.)

Kommen Sie denn auch zur großen Feier am Donnerstag?

Ich wäre gern dabei, diese Kirche liegt mir besonders am Herzen. Ich war das letzte Mal vor zwei Jahren da, aber das schaff ich nicht mehr. Der Peter macht das. Feiert schön!“