Neviges. Aus Alt mach Neu: „Upcycling“ heißt die neue Serie der Nevigeser Traditionsfirma „Ogro“. Damit hat das Unternehmen noch weitere Pläne.

Ob in der Elbphilharmonie in Hamburg, im Bundeskanzleramt in Berlin oder im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe: Wer hier von einem Raum in den anderen geht, drückt auf Türklinken made in Velbert-Neviges. Ganz zu schweigen von zahllosen Hotels, Schulen, Krankenhäusern und Privatwohnungen. Seit 1866 fertigt die Traditionsfirma Ogro Beschläge, die mittlerweile in der ganzen Welt zu finden sind. Was Türklinken, Fenstergriffe und mehr aus dem besonders leichten Material Aluminium betrifft, gilt Ogro gar als Pionier: Seit den frühen 1930er Jahren wird Aluminium an der Donnenberger Straße verarbeitet. Doch das Image des mal hochglänzenden, mal matten Materials hat in den letzten Jahren Kratzer bekommen. Darauf reagiert Ogro mit seiner neuen Serie „Upcycling“, stark vereinfacht gesagt: Aus Alt mach Neu.

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Mit einem Schöpflöffel wird die Aluminium/Magnesium-Schmelze abgegossen, dafür ist an dieser Station Ekrem Atalay zuständig.
Mit einem Schöpflöffel wird die Aluminium/Magnesium-Schmelze abgegossen, dafür ist an dieser Station Ekrem Atalay zuständig. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Wie es dazu kam, erläutert Volker Kirchberg, Geschäftsführer von „Ogro“ und der Schwesterfirma „Niederhoff & Dellenbusch“ (Deni): „Das Problem ist, dass bei der Verarbeitung von Aluminium ein recht hoher Energieverbrauch entsteht. Doch jeder, der baut, muss heutzutage nachweisen, welche Energiebelastung an dem Neubau hängt.“ Aus Sorge um einen schlechten ökologischen Fußabdruck sei Aluminium daher bei einigen Bauherren in Misskredit geraten. Was also tun? „Ich hatte dann zuerst die Idee, Ausschuss-Ware neu zu verarbeiten“, erzählt Kirchberg, oder anders gesagt, wie er launig hinzufügt: „Wir nehmen unseren eigenen Schrott und gießen den hier ein.“ Der Gießerei-Meister, erinnert sich der Geschäftsführer, habe sich „ein halbes Jahr gewunden wie ein Aal“. Schließlich sei die Schmelze „ein Heiligtum“, eine reine, saubere Oberfläche ohne Oxyde selbstverständlich. Und jetzt Schrott gießen?

Ogro-Mitarbeiterin Maureen Kanu sortiert Beschlägeteile. Bei aller Technik ist hier auch noch viel Handarbeit.
Ogro-Mitarbeiterin Maureen Kanu sortiert Beschlägeteile. Bei aller Technik ist hier auch noch viel Handarbeit. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Betrieb in Velbert braucht Material

Kaum hatte sich der Gießereimeister ein bisschen mit der Idee angefreundet, hatte Volker Kirchberg schon die nächste Idee: Denn zum Upcyclen braucht Ogro Material, nur der eigene Verschnitt reicht nicht: Nach der Devise „Gebt uns eure alten Griffe, wir gießen euch neue“, schwebt ihm eine Kooperation unter anderem mit der Stadt Velbert vor, mit Kirchen, die häufig Träger von Krankenhäusern und Kitas sind, mit Unternehmen, die bauen. „Wenn zum Beispiel eine Schule oder irgendein Gebäude abgerissen wird, wäre es prima, wenn wir die alten Klinken und Fenstergriffe bekämen.“

Sonderpreis von der „Schlüsselregion“

Im Jahr 1866 goss Albert Grossteinbeck in Velbert den ersten Messingschlüsselring und machte sich selbstständig. Seitdem produziert „Ogro“, Donnenberger Straße 2 in Neviges, Beschläge in hunderten von Formen. Nach einer wechselhaften Geschichte ist das Unternehmen seit 2018 als „Ogro Beschlagtechnik GmbH“ wieder eigenständig am Markt.

Das Betriebsgelände ist insgesamt 24.000 Quadratmeter groß. Beschäftigt sind hier zurzeit 140 Mitarbeitende.

Für die „Upcycling-Serie“ wurde „Ogro“ vom Verein „Schlüsselregion“ mit dem Klimapreis ausgezeichnet. Das Unternehmen bekam von der Jury den Sonderpreis für den unternehmerischen Mut, beim Recycling neue Wege zu gehen.

Wasser aus dem eigenen Brunnen

Und so sieht der Upcycling-Vorgang, stark vereinfacht, aus: Die alten Beschläge werden in einem Elektroschmelzofen bei über 700 Grad Celsius verflüssigt und mit einem Schöpflöffel in eine Stahlform-Kokille vergossen. Nach wenigen Minuten ist das Material erstarrt, die neue, rohe Klinke wird aus dem Werkzeug genommen und mechanisch bearbeitet: unter anderem von Hand geschliffen, damit die Oberfläche glatt ist, die Klinke also gut in der Hand liegt. „Im anschließendem Eloxal-Prozess machen wir es dabei so einfach wie möglich“, erläutert Volker Kirchberg. So werden bei der Elektrolytischen Oxidation von Aluminium (Eloxal) nur wenige der insgesamt 82 Becken angesteuert, das dazu benötigte Prozesswasser kommt aus dem firmeneigenen Brunnen. Dieses besondere Verfahren hat „Ogro“ zum Patent angemeldet.

Recycelte Klinken im „Industrial Style“

Die neuen, alten Klinken entsprechen dann, so der Geschäftsführer, „allen aktuellen Normen“, sind also voll funktionsfähig und genauso lange haltbar und strapazierfähig wie völlig neue Beschläge. Was sie nicht sind: strahlend, hochglänzend, auch nicht makellos matt. Sondern leicht gräulich, mehr oder weniger marmoriert, aber durchaus schick. Und jedes Stück ein Unikat. „Die Oberfläche ist nicht verhandelbar, das ist einfach so. Daran können wir nichts machen und auch nicht auf Kundenwünsche eingehen“, redet Kirchberg Klartext. Aber dieser „Industrial-Style“ sei ja bei vielen Leuten beliebt, da passen künftig auch die Klinken perfekt zur Einrichtung.

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Um mit der Upcycling-Serie richtig starten zu können, braucht Ogro jetzt vor allem eines: Material, also nicht mehr benötigte Klinken, Fenstergriffe. Und der Gießerei-Meister, so war zu hören, ist inzwischen davon überzeugt, dass auch Schrott verdammt gut aussehen kann.