Neviges. Der Velberter Türgriffhersteller rutschte vor fünf Jahren in die Insolvenz. Wie der Neustart gelang und welche Pläne die neuen Inhaber nun haben.

Wer die Ogro-Internetseite aufruft, sieht Bilder des höchsten Gebäudes der Welt und des höchsten Gerichts Deutschlands. Denn das Velberter Unternehmen hat sowohl den Burj Khalifa in Dubai als auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit Design-Türgriffen ausgestattet. Und auch im Bundeskanzleramt in Berlin und der Elbphilharmonie gibt es Türgriffe „made in Neviges“. Allein in dem Hamburger Konzerthaus öffnen sich 1400 Türen mit Produkten des 1866 gegründeten Traditionsunternehmens, das vor einigen Jahren dennoch plötzlich vor dem „Aus“ stand.

Wie konnte das passieren? Diese Zeit kennen die heutigen Geschäftsführer Andreas Schmitt und Volker Kirchberg nur als Außenstehende – als geschäftsführende Gesellschafter der damals noch in Heiligenhaus beheimateten Firma Niederhoff & Dellenbusch, eher bekannt als Deni. Diese hatte für Ogro einst einen Türfeststeller entwickelt. „Damals war das noch ein Unternehmen, in dem alles vor Ort gemacht wurde“, erinnert sich Volker Kirchberg.

So schlitterte das Velberter Unternehmen Ogro in die Insolvenz

Otto Grossteinbeck, der als Nachfahre des Gründers das Unternehmen seit den 1950er-Jahren geführt, geprägt und auch durch schwierige Zeiten geführt hatte, suchte Ende der 80er-Jahre einen Nachfolger auf dem Chefsessel. Einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin innerhalb der Familie gab es nicht – wohl aber Ottos alten Jagdfreund Rudolf Mankel – dem „Ma“ des erfolgreichen Ennepetaler Unternehmens Dorma.

Wirtschaftlich vernünftig war die Übernahme nicht. Laut den Bilanzen der damaligen Zeit waren – und blieben – die Zahlen rot. Aber es tat Mankel offenbar ob der Gewinne in anderen Bereichen auch nicht sonderlich weh: „Für ihn zählte sein Wort – er war noch ein Unternehmer vom alten Schlag“, sagt der heutige Firmenchef Volker Kirchberg.

Dormakaba hatte wenig Interesse an dem traditionsreichen Unternehmen

Eloxal Oberflächenfinish für Glastürbeschläge bei der Firma Ogro in Velbert-Neviges.
Eloxal Oberflächenfinish für Glastürbeschläge bei der Firma Ogro in Velbert-Neviges. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

All das änderte sich endgültig 2015, als Dorma mit dem Schweizer Unternehmen Kaba fusionierte. Die neuen Entscheider wollten den Verlustbringer, der aus ihrer Sicht auch strategisch nicht benötigt wurde, loswerden. Zu diesem Zeitpunkt war Neviges, wo das Unternehmen in einer alten Weberei ansässig ist, zu einem reinen Produktionsstandort „degradiert“ worden – alles andere wurde am Dormakaba-Deutschlandsitz in Ennepetal erledigt.

Was dann passierte, beschäftigte die Gerichte. Der neue Eigentümer, der für die Übernahme des Unternehmens Gerüchten zufolge sogar noch einen Millionen-Betrag erhielt anstatt Geld zahlen zu müssen, habe große Versprechen gemacht, aber Rechnungen nicht bezahlt und mutmaßlich sogar Geld aus dem Unternehmen abgezweigt, das dann 2018 Insolvenz anmelden musste.

Eigentlich hatte Deni nur Interesse an der Immobile in Neviges

Schmitt und Kirchberg, die das mitbekamen, weil Ogro auch ihrem Unternehmen noch Geld schuldete, interessierten sich zunächst eigentlich nur für die Immobilie in Neviges – denn Deni in Heiligenhaus platzte aus allen Nähten. „Aber als ich dann durch die Produktion geführt wurde, war ich sehr beeindruckt“, erinnert sich Kirchberg – auch von der Hochwertigkeit der Türgriffe, die vom ersten bis zum letzten Arbeitsschritt vor Ort gefertigt werden. „Auf diesem Niveau gibt es in Deutschland nur einen anderen Hersteller“, so Kirchberg, der auch eine Möglichkeit sah, mit einem gut wahrnehmbaren Hauptprodukt den Produkten von Deni – hauptsächlich Riegel aller Art sowie Tür- und Torfeststeller – weiteren Schub zu geben. So entschied man sich, für den Einstieg bei Ogro.

Harter Neuanfang: Immer wieder tauchten „schwarze Löcher“ auf

Andreas Schmitt (l.) und Volker Kirchberg leiten die traditionsreiche Velberter Firma Ogro seit dem Neustart im Jahr 2018.
Andreas Schmitt (l.) und Volker Kirchberg leiten die traditionsreiche Velberter Firma Ogro seit dem Neustart im Jahr 2018. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Die Anfangszeit sei hart gewesen, sagen Schmitt und Kirchberg unisono. Immer wieder seien neue schwarze Löcher aufgetaucht, es habe wenig Bewusstsein für Finanzen gegeben und keinen eigenen Einkauf, keinen eigenen Vertrieb, keine eigene Verwaltung, keine Buchhaltung. Aus diesem Grund sei Dormakaba als Minderheitsgesellschafter mit 19 Prozent an Bord geholt worden – „schon damals aber mit dem von beiden Seiten definierten Ziel, sich nach einer gewissen Zeit dann abnabeln zu können“.

Deni ist nach Velbert gezogen – Dormakaba-Anteile sollen übernommen werden

Dieser Punkt sei nun erreicht, sagt Schmitt. Man arbeite völlig unabhängig von Dormakaba – und habe darum auch nichts mit der aktuellen Entwicklung bei Dormakaba SEL in Velbert-Mitte zu tun, „auch wenn ich persönlich darüber sehr geschockt bin“, so Schmitt weiter. Bei Ogro in Neviges schreibe man mittlerweile schwarze Zahlen – und habe keinerlei Pläne, die Produktion ins Ausland zu verlagern. „Wir haben rund 135 tolle Mitarbeiter und wollen eine hohe Fertigungstiefe vor Ort behalten“, sagt Kirchberg. Mittlerweile ist auch Deni an die Donnenberger Straße gezogen und nach dem endgültigen Ausstieg von Dormakaba sollen Ogro und Deni verschmelzen.

Türgriffe halten 14 Millionen Öffnungen aus

Bei Ogro werden alle Arbeitsschritte bis zum fertigen Türgriff vor Ort durchgeführt.
Bei Ogro werden alle Arbeitsschritte bis zum fertigen Türgriff vor Ort durchgeführt. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Zwar blicken die beiden Geschäftsführer derzeit mit etwas Sorge auf die Bau- und Immobilienbranche, wo hohe Zinsen und gestiegene Kosten derzeit viele Projekte stoppen – „aber hochwertige Türgriffe haben Zukunft“, sagt Andreas Schmitt. „Während man Billigwaren bei häufigem Gebrauch oft schon nach wenigen Monaten austauschen muss, haben wir ein Zertifikat, dass unsere Griffe 14 Millionen Öffnungen ausgehalten haben. Die Kunst ist es, die Kunden zu finden, die ein Auge und Sinn für Design haben.“

Große Freude bereiten Ogro neue Designs

Endkunden bekommen Ogro-Produkte nicht im Baumarkt, sondern bei gut sortierten Eisenwarenfachhändlern – U- und L-Formen machen 80 Prozent des Marktes aus – „und davon leben wir“, sagt Kirchberg. Freude mache es, neue Designs für Architekten und Großkunden umzusetzen – wie eben die arabische Wüstenblume für den Burj Khalifa oder die Rekonstruktion eines Bauhaus-Türgriffs aus dem Jahr 1968 für die denkmalschutzgerechte Sanierung des Bundesverfassungsgerichtes. Und auch zahlreiche Glastüren auf den beiden neuesten Aida-Schiffen mit Griffen und Beschlägen ausstatten zu dürfen, sei natürlich ein „Highlight“ unter den Aufträgen.

>>> Ogro in Velbert auf einen Blick

Seit 1866 produziert Ogro in Velbert und Umgebung Beschläge in hunderten verschiedenen Formen, seit 2018 ist man als Ogro Beschlagtechnik GmbH wieder eigenständig am Markt.

Pro Jahr werden etwa 60 Tonnen Aluminium und 180 Tonnen Edelstahl zu rund 2,7 Millionen Beschlagteilen verarbeitet. 31.000 Lieferungen verlassen das Werk jährlich in alle Welt.