Neviges. Wie eine Flutwelle strömt der Hardenberger Bach durch Teile von Neviges, legt dabei auch Betriebe lahm. In der Not zeigt sich auch Positives.
Es war am frühen Mittwochabend, gegen 19 Uhr, da ahnte die Familie Grotegut in ihrem hübschen Schieferhaus an der Weinbergstraße: Dies wird keine gute Nacht. Wenig später strömt wie eine Flutwelle der Hardenberger durch ihr Erdgeschoss, setzt die Heißmangel ihres kleinen Betriebes unter Wasser, vom Keller ganz zu schweigen. Zum Glück wohnen die Groteguts im ersten Stockwerk. Etwa zeitgleich schrillen bei Monika Kocks, Unternehmenssprecherin WKW Automotive, die Alarmglocken. Und auch Miroslav Tomic, Inhaber der Naturfleischerei Janutta, ahnt nach einem Anruf Fürchterliches: „Wir haben ja mittwochs nachmittags immer geschlossen. Ich fuhr sofort hin, konnte nur noch sehen, wie das Wasser stieg und stieg, dann klirrten Fensterscheiben.“ Durch den Starkregen ging der Hardenberger Bach am Mittwochabend über die Ufer und ergoss sich wie eine Flutwelle über Teile von Neviges.
Produktion bei Erbslöh steht still
Einen Tag später heißt es: Ran an die Schippe, aufräumen, mit vereinten Kräften versuchen zu retten, was manchmal nicht mehr zu retten ist – und das sieht in der kleinen Heißmangel nicht viel anders aus als auf dem Werksgelände von WKW Erbslöh Automotive, an dessen Grenze der Hardenberger Bach verläuft. „Unsere Belegschaft kämpft noch immer mit den Schlammmassen“, sagt Unternehmenssprecherin Monika Kocks und zeigt mit dem Arm in Richtung Werkshallen. Die Produktion stehe still. „Fertige Teile können wir natürlich ausliefern, aber sonst läuft nichts.“ Mitarbeiter wurden Mittwochabend aus dem Feierabend oder sogar Urlaub geholt, „wir pumpen weiter ab, teilweise steht das Wasser noch in den Hallen“.
Metzgerei vorübergehend geschlossen
Zum Glück hat der Regen aufgehört, in der Sonne sieht die braune Schlammpiste, die sich von der Siebeneicker Straße über die Weinbergstraße und Roonstraße zieht, noch hässlicher aus. Vor dem seitlichen Liefereingang der Naturfleischerei Janutta verstehen die früheren Besitzer die Welt nicht mehr. „Unfassbar, einfach unfassbar“, murmelt Joachim Janutta immer wieder, dreht sich dann schnell um, die Augen glitzern verdächtig. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, meint Ehefrau Edda kopfschüttelnd. „Wir wohnen in der Eichenstraße, aber jetzt sind wir natürlich hier.“ Um Inhaber Miroslav Tomic und seiner Frau Anastasia, die den Familienbetrieb übernommen haben, beizustehen, ihnen Mut zu machen. Der sonst so fröhliche Metzgermeister sieht nach dieser Nacht sichtlich müde, erschöpft und traurig aus. „Das Wasser stand im Keller knapp bis unter der Decke. Die Produktionsmaschinen, die Gewürze, ein großer Teil der Waren, alles hin. Der Schaden ist groß.“
Glücklicherweise wurde zumindest das Fleisch gerettet. „Das Kühlhaus ist ja oben in der ersten Etage.“ Und auch ohne Strom halte die Kühlung noch 24 Stunden weiter. Hilfsbereite Kollegen und der Spargelbauer Peter Wiemer hätten sich sofort bereit erklärt, das Fleisch erst einmal unterzubringen. Und auch Bauer Bredtmann sei gleich in der Nacht gekommen und habe noch vor der Feuerwehr mit dem Güllefass Wasser abgesaugt. „Das ist schon toll, wie hier alle uns helfen, da bin ich sehr, sehr dankbar“, sagt Tomic, der hofft, Mitte nächster Woche seine Biometzgerei öffnen zu können.
Sand in Plastiksäcke gefüllt
Jugendkeller unbeschadet
Mit vereinten Kräften haben Jugendliche, aber auch Nachbarn, den Eingang zum Jugendkeller des CVJM an der Roonstraße abgedichtet.Auch Hausmeister und Küster Stephan Schnautz war bis 23 Uhr vor Ort. Man sei mit einem blauen Auge davongekommen, so Schnautz. Wäre das Wasser nur zehn Zentimeter höher gestiegen, hätte man nichts mehr machen können.
Wann sie ihrer langjährigen Stammkundschaft wie gewohnt die perfekt gemangelte Tisch- und Bettwäsche bieten kann, steht für Elke Grotegut noch in den Sternen. „Der ganze Laden war mehr als einen Meter hoch geflutet. Ich muss jetzt erst mal gucken, ob die Mangel noch läuft.“ Derweil schleppen Ehemann Jörg und die Töchter Denise und Doreen unablässig kleinere Möbel, Hausrat, Teppiche raus, schnell füllt sich der angemietete Container. Bis zuletzt hatten sie in der Nacht versucht, das pittoreske Haus aus dem Jahr 1780 vor den Wassermassen zu schützen. „Wir hatten oben an den Bahngleisen im Lager noch Bausand, den haben wir in Plastiksäcke gefüllt und rund ums Haus gestellt. Aber das Wasser stieg über die Plastiksäcke, kam durch die Wände, die sind ja mit Lehm gefüllt.“ Und immer bleibt der Kunde König, hat die Familie die meisten Wäschekörbe schnell nach oben getragen; Mitarbeiterin Kerstin Wassenhoven telefoniert gerade die Liste ab: Leute, bitte Tischdecken abholen. Zum Glück habe man eine Elementarversicherung abgeschlossen, sagt Elke Grotegut und öffnet die Kellertür – hier hilft nur Galgenhumor. Mitten in der braunen Plörre schwimmt die Tiefkühltruhe. „Die ist voll“, sagt Elke Grotegut, und Ehemann Jörg meint trocken: „Ja, voll tot.“