Neviges. . Auf dem Weinberg gedieh nie ein köstlicher Tropfen. Das Viertel um die Weinbergstraße verdankt seinen Namen einem Wort aus dem Althochdeutschen.

Knöpfe und Kordeln für Militäruniformen entstanden hier, auch Kirchengeschichte wurde an diesem Ort geschrieben. Nur eines gab es nie in dem Viertel rund um die Weinbergstraße, der dritten kleinen Tour in der Reihe Stadtspaziergänge. „Hier hat nicht ein einziger Weinstock gestanden“, sagt Historiker Gerhard Haun. „Das Wort leitet sich ab vom Mittelhochdeutschen wideme, im Althochdeutschen widamo“. Also keine Spur von „Vino“.

Vielmehr, so der pensionierte Studiendirektor für Geschichte und Deutsch, heißt „wideme“ oder das Substantiv „wiem“ ursprüngliche „Brautgabe“, eine Art Aussteuer. „Dabei handelte es sich zunächst um die Gabe eines Bräutigams an den Brautvater vor der Eheschließung.“ Dann merkte man, dass vor allem der Ehefrau geholfen werden musste, denn in der Regel starb der Mann vor ihr und sie blieb unversorgt zurück. Aus der Zuwendung an den Brautvater wurde also eine an die Ehefrau.

Ein „Widum“ war auch Vermögen einer Kirchenpfründe

Gleichzeitig war ein solches „widum“ aber auch das unbewegliche Vermögen einer Kirchenpfründe, erläutert Gerhard Haun weiter: „In der Regel ein Pfarrhaus oder Pfarrhof. In Langenberg haben wir zum Beispiel den Wiemhof.“

Am ehemaligen Pfarrhaus in Neviges, das die evangelisch reformierte Kirchengemeinde im letzten Jahr verkauft hat, startet dann auch der dritte Stadtspaziergang. Denn hier, in dem denkmalgeschützten Schiefergebäude, wurde am 21. Juli 1589 Kirchengeschichte geschrieben.

Fünf Gemeinden waren auf der Synode vertreten

In dem Haus des Pfarrers Johannes Plangenius schlossen sich die reformierten Gemeinden des Bergischen Landes zu einer Synode zusammen, auf der sie sich als Bergische reformierte Kirche konstituierten. „Unter dem Schutz Wilhelms II. von Bernsau waren auf dieser Ersten Bergischen Synode die Gemeinden Neviges, Sonnborn, Elberfeld, Schöller und Haan vertreten“, so Gerhard Haun. In dem Protokoll hieß es unter anderem, dass „diese Lehr göttlichs Wortes“ sich den „päpstlichen Greueln gäntzlich abgesondert“ und sich der „reinen Lehre des heiligen Evangeliums“ bekenne.

Zeugen einer einst blühenden Industrie am Weinberg

Doch vom alten Pfarrhaus auf dem Berg zurück in die Weinbergstraße. Ein rotes Backsteinhaus und direkt daneben eine schneeweiße Villa geben Zeugnis einer einst blühenden Industrie.

„Im letzten Drittel des 19 Jahrhunderts produzierte hier die Firma Assmann Knöpfe, vor allem für Militäruniformen. Auch sogenannte Effekte für Uniformen wie Kordeln und Schnüre“, sagt Gerhard Haun. Teile der Fabrik und die frühere Direktorenvilla sind bewohnt.

Spannend sieht die Zukunft im Viertel aus: Schräg gegenüber plant Architekt Johannes Krämer, wie berichtet, mit seinem Namensvetter und Grundstücks-Besitzer Christoph Kraemer den Bau eines modernen Wohnblockes, dafür soll der Hardenberger Bach freigelegt werden. Alles ist im Wandel. Gerhard Haun: „Dort, wo jetzt die Fleischerei Janutta ist, da war früher der evangelische Kindergarten. Nach dem zweiten Weltkrieg hatten wir in Neviges neun Metzgereien.“ Die Fleischerei Kampmann in Tönisheide dazugerechnet, bleiben jetzt noch zwei.

<<<JUGENDHILFE WIRD PFARRHAUS NUTZEN

Die Immobilienfirma IBS aus Wuppertal hat das Pfarrhaus gekauft und lässt es zurzeit für rund 650 000 Euro sanieren. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude wird an die Jugendhilfe Lohmühle vermietet.

Die Gemeinde konnte das Haus, in dem zuletzt eine Wohngemeinschaft des CVJM lebte, nicht mehr halten.