Oberhausen. Zahlreiche jüdische Gräber gehören zum Westfriedhof. Doch die Gemeinde stand vor einem Problem - bis Auszubildende Einsatz zeigten.
Zur jüdischen Gemeinde in Oberhausen gehören eine Reihe von Grabfeldern auf dem Westfriedhof, die dort seit dem Ende des Ersten Weltkriegs angelegt wurden.
Da es aber kaum noch Platz gibt für weitere Begräbnisstätten, kam in den vergangenen Jahren der Wunsch nach einer Erweiterung der Grabfelder auf.
Nun haben junge Menschen das Anliegen der Gemeinde erfüllt. Es handelt sich um Auszubildende der Servicebetriebe Oberhausen. Der Einsatz war allerdings längst kein alltäglicher.
Sie befinden sich am Rand des Oberhausener Westfriedhofs, gemeint sind die Grabfelder der jüdischen Perusch-Gemeinde. Da es aber sowohl hier als auch an anderen Begräbnisstätten in umliegenden Städten an Platz mangelt, „um unsere Angehörigen beizusetzen, haben wir schon lange den Wunsch nach einer Erweiterung gehegt“, sagt Gemeindeleiter Lev Schwarzmann.
Ausbilder und Auszubildende der Servicebetriebe Oberhausen beteiligten sich
Zuständig für den städtischen Friedhof sind die Servicebetriebe Oberhausen (SBO). Als nach mehreren Gesprächen Ausbilder und Auszubildende von dem Anliegen der Gemeinde erfuhren, sollte es nicht mehr lange dauern, bis sie die Idee in die Tat umsetzten. In einem ersten Schritt „haben wir die Pläne skizziert und uns dazu mit dem Vorstand der Gemeinde abgestimmt“, erzählen Florian Reeh und Miguel Elfering aus der Führungsriege der Servicebetriebe.
Eingebunden war natürlich Ausbilder Imri Olluri, denn schließlich hatten sich die jungen Leute um ihn herum bereit erklärt, das Projekt zu verwirklichen. Und es gab einiges zu tun. Wenn sich auch direkt neben den jüdischen Grabfeldern eine Fläche zur Vergrößerung anbot, wartete erst einmal eine Menge Arbeit. Denn das Gelände mit rund 1300 Quadratmetern war über die Jahrzehnte hinweg reichlich mit Brombeeren und Wildkräutern zugewuchert. Dank des Einsatzes von Raupenbaggern ist das Gestrüpp inzwischen verschwunden.
Durch den Einsatz der SBO-Mitarbeiter entstand Platz für 70 neue Gräber
Rund drei Wochen sollte es dauern, bis auf dem frei gemachten Areal rund 250 Meter Kantsteine gesetzt und über 130 Tonnen Schotter und Sand bewegt und für neue Wege planiert waren. „Uns war sehr daran gelegen, eine langlebige Oberfläche zu gewährleisten“, sagt Olluri. Durch das Engagement des Teams von Garten- und Landschaftsbauern sind „schließlich rund 70 neue Grabfelder entstanden“.
Der Einsatz, so betont der Ausbilder, war aber seit Beginn kein alltäglicher, hob sich von anderen Aufträgen deutlich ab. „Denn wir sind uns der besonderen Verantwortung für die jüdischen Mitbürger bewusst, gerade auch vor dem Hintergrund, dass der Antisemitismus wieder deutlich zugenommen hat, es zu Bedrohungen und Übergriffen kommt.“
Junge Leute befassten sich mit der Geschichte des Judentums
Die besondere Herangehensweise zeigte sich vor allem bei den morgendlichen Besprechungen. Bevor die Crew an die Arbeit ging, teilte man sich auf, legte Aufgaben fest. Das gehörte bei diesem Projekt zwar auch dazu, aber „der Ausbilder hat uns auch Informationen über das Judentum, dessen Geschichte, Riten und Gebräuche an die Hand gegeben“, sagt Henning Christöphler, der an Ort und Stelle Regie führte. „Insbesondere haben wir uns mit dem Holocaust befasst und erörtert, wie es dazu kommen konnte.“ Die Auszubildenden wollten nun in heutiger Zeit ein Zeichen gegen Hass und Gewalt setzen, indem sie der Gemeinde einen großen Wunsch erfüllt haben, erklärt der 30-Jährige.
Lev Schwarzmann sprach der SBO und natürlich dem beteiligten Team den Dank der ganzen Gemeinde aus. „Wir sind sehr froh, dass wir Gehör gefunden haben“, betonte er bei einem gemeinsamen Treffen. Der 70-Jährige erinnerte daran, dass ein jüdischer Friedhof über lange Zeit an der Duisburger Straße bestanden habe. Nach dem Ersten Weltkrieg, im Jahr 1919, wurde er dann zum Westfriedhof verlegt. In den 20er- und zu Beginn der 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts gehörten rund 600 Frauen, Männer und Kinder zur jüdischen Gemeinde. Ihre Toten setzten sie auf dem neu geschaffenen Friedhof bei.
„„Die Gemeinde ist sehr froh, dass sie mit ihrem Anliegen Gehör gefunden hat und dankt allen Beteiligten.““
Die meisten jüdischen Mitbürger in Oberhausen stammen aus der früheren Sowjetunion
Als nach dem Holocaust nur eine kleine Gruppe jüdischer Mitbürger in Oberhausen überlebt hatte, bildeten sie zunächst keine eigene Gemeinde mehr, sondern schlossen sich mit Gruppen aus anderen Städten zusammen. Anfang der 90er Jahre änderte sich die Situation. Über 200.000 Menschen jüdischer Herkunft verließen die damalige Sowjetunion, wanderten in die USA, nach Israel und verschiedene Länder Europas aus. Einige kamen nach Oberhausen. „Unsere Gemeinde hat inzwischen etwa 200 Mitglieder“, sagt Schwarzmann, der selbst aus Moldawien stammt.
Der Pflege des Friedhofs widmet sich die Gemeinde sehr intensiv, wobei der Vorsitzende auf besondere Merkmale der Begräbnisorte zu sprechen kommt. „Die Verstorbenen werden bei uns nicht verbrannt, eine Urnenbeisetzung kommt somit nicht in Betracht.“ Die Toten werden zudem in einfachen, schlichten Holzsärgen beigesetzt, eine aufwendige Gestaltung sei dabei nicht vorgesehen. Schlicht soll auch das Grab selbst aussehen, weshalb keine Blumen vorgesehen sind, sondern lediglich Steine dort liegen sollen. Während es ansonsten üblich ist, eine Nutzungszeit für eine Grabstätte zu vereinbaren, „kennen wir solche Regeln nicht. Das Grab besteht dauerhaft“.
Rabbiner steckte auf dem Weg zur Beisetzung im Stau fest
Für Beisetzungen wünschen sich die Angehörigen in der Regel einen Rabbiner. Zwingend ist dessen Anwesenheit aber nicht vorgeschrieben. Der Ritus kann auch aus der Mitte der Trauergemeinde abgehalten werden. Ein solcher Fall trat erst kürzlich ein, als ein Rabbiner im Stau feststeckte und Freunde und Angehörige in Oberhausen warteten.
Die neuen Begräbnisfelder sind, wie Schwarzmann hervorhebt, im Übrigen nicht nur für die örtliche Gemeinde gedacht, sondern hier sollen auch jüdische Mitbürger aus den umliegenden Städten ihre Verstorbenen beisetzen können. Dass die Erweiterung des Friedhofes gerade jetzt vollendet wird, passt zum Jubiläum der Perusch-Gemeinde, die vor 20 Jahren gegründet wurde und am Friedensplatz ihren Sitz hat.
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