Oberhausen. Erstmals stellt Or Yogev seine Bilder außerhalb von Israel aus. Die Oberhausener Ausstellung ist eine Metapher für Hilflosigkeit und Gewalt.

Am Donnerstagabend wurde im „artoclub“, der noch jungen Galerie der Artothek auf der Elsässer Straße, eine besondere Ausstellung eröffnet: „Vom Bildschirm zum Bild. Ein „künstlerischer Aufschrei“ des israelischen Illustrators Or Yogev. Mit seiner eindringlichen Serie von 15 Bildern verarbeitet er die Schrecken des Hamas-Massakers in Israel im Oktober 2023 auf kraftvolle Weise.

Wie geht man mit dem unfassbaren Grauen um? Wie verarbeitet man die Bilder vergewaltigter und getöteter Teenager, die fröhlich auf dem Supernova-Musikfestival feiern wollten? Wie die Bilder von Shiri Bibas mit ihren beiden Kindern, zehn Monate und vier Jahre alt, als Geiseln in der Hand von schwerbewaffneten Hamas-Terroristen? Wie die Szenen eines blutverschmierten Schutzraums im Kibbuz Kfar Aza, wo 62 Menschen hingerichtet und 19 entführt wurden? Vielleicht wie Or Yogev.

Die erschütternden Ereignisse vom 7. Oktober 2023 ließen den Illustrator und Grafikdesigner Or Yogev (37) nicht los. Tief bewegt dauerte es nur eine Woche, bis er zu seinem iPad griff, um das Unfassbare kreativ in rohe, eindringliche und emotionale Kunstwerke zu verwandeln. Inspiriert von Bildern, die in den Nachrichten und sozialen Medien die Runde machten, begann Yogev, seine persönliche Sicht auf das Geschehen künstlerisch festzuhalten.

Ausstellung über Hamas-Terror: Das Rot steht für die blutige Gewalt

Ausstellung vonOr Yogev in der Artothek
Or Yogev (Mitte, beiges Hemd), reiste für die Ausstellungseröffnung in der Arothek nach Oberhausen. Die Antisemismusbeauftragte von NRW, Sylvia Löhrmann (rechts neben dem Künstler) zählte zu den Gästen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Typisch für seine großformatigen Bilder sind starke Kontraste, klare Linien und eine reduzierte Farbpalette, die die Dramatik der Szenen betonen. „Die Farben“, so der Künstler, „sind bewusst gewählt“ und sprechen eine eigene Sprache: Weiß und Blau symbolisieren Israel – Hoffnung, Identität und Zusammenhalt. Das tiefe Rot steht für die blutige Gewalt und das unsägliche Leid, das über das Land gebracht wurde. Grün markiert die Hamas als Quelle der Zerstörung. Die Bilder erinnern in ihrer Gestaltung an Plakate – direkt, unverblümt und dazu bestimmt, den Betrachter emotional zu packen. Sie verzichten auf überflüssige Details und konzentrieren sich auf symbolhafte Darstellungen, die das unbegreifliche Grauen in die Sprache der Kunst übersetzen. Die Verbindung von Symbolik und tiefen Emotionen verleiht Yogevs Werken eine beeindruckende Ausdruckskraft. Obwohl er seinen Stil schlicht als „Illustrationen“ bezeichnet, trifft die Bezeichnung „Emotional Posterism“ seinen Stil besser – direkt, bewegend und zutiefst menschlich.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Instagram, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Die Eröffnung in der Oberhausener Innenstadt übernahm der Erste Beigeordnete Apostolos Tsalastras, der den langgehegten Wunsch betonte, neben dem etablierten Jugendaustausch „Multi“ auch einen kulturellen Austausch mit Israel zu fördern. Unter den Gästen befand sich Sylvia Löhrmann, seit dem 1. November 2024 Beauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bekämpfung des Antisemitismus, für jüdisches Leben und Erinnerungskultur. Sie mahnte, dass bei aller Berichterstattung über den Gaza-Krieg nicht vergessen werden dürfe, wie alles begann – wer der Aggressor ist und wer das Opfer. Aber, so Löhrmann, Kunst trägt auch die Fähigkeit zur Heilung in sich.

Ausstellung über Hamas-Terror: Werke erstmals außerhalb Israels zu sehen

Ausstellung vonOr Yogev in der Artothek
Der israelische Illustrator Or Yogev verarbeitet in seinen Werke Bilder, die nach dem Terrorangriff weltweit bekannt wurden. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Zu den Gästen gehörten vier Vertreter aus Israel, darunter der Künstler Or Yogev selbst sowie Noa Atlas von der Stadtverwaltung Jerusalems. Atlas berichtete vom „Outline – Illustrations and Words- Festival“, das jedes Jahr sechs Wochen lang in Jerusalem stattfindet und zu dem Yogev 2023 mit den hier gezeigten Bildern eine ausdrückliche Einladung erhielt. Erstmals wurden Yogevs Werke nun außerhalb Israels gezeigt. Die Originale entstanden im CYMK-Siebdruckverfahren. Für die Ausstellung in Oberhausen wurden sie digital übertragen und im Format 70x100 Zentimeter auf speziellem Papier gedruckt. Kuratorin Sarah Hülsewig von der Ludwiggalerie betonte, dass diese Vorgehensweise die Organisation der Ausstellung erheblich erleichterte, da sie den Transport von Kunstwerken überflüssig machte.

Anemone als Zeichen der Hoffnung

Ein weiteres starkes Symbol in Yogevs Arbeiten ist die rote Anemone, in Israel „Kalaniot“ genannt. Sie steht für das Versprechen: „Wir werden wieder erblühen.“ Als erste künstlerische Reaktion auf das Massaker schuf Yogev dieses Symbol. In Oberhausen erhielten die Besucher der Ausstellung diese Anemone als Sticker – ein stilles, aber kraftvolles Zeichen der Hoffnung. 

Or Yogev thematisiert in seinen Bildern die Entschlossenheit einer bewaffneten Kämpferin mit ihrem Spürhund vor brennenden Häusern, die verzweifelte Flucht einer verletzten Person über eine Leiter, um den lodernden Flammen zu entkommen, sowie das eindringliche Porträt einer Frau mit verbundenen Augen. Besonders eindrucksvoll ist eines von Yogevs Werken, das zwei blutverschmierte Hände zeigt, die verzweifelt eine Tür zuzudrücken versuchen. Es symbolisiert die reale Panik in den Häusern, deren Schutzräume zwar gegen Raketenangriffe ausgelegt waren, jedoch keine Schlösser hatten – niemand hatte sich vorstellen können, dass Terroristen so nahe kommen würden. Dieses Bild wird zu einer kraftvollen Metapher für Hilflosigkeit und die brutale Realität von Gewalt. 

Waffenruhe: Künstler aus Israel wünscht sich Ende des blutigen Konfliktse

Ausstellung vonOr Yogev in der Artothek
Zur Eröffnung am Donnerstag in Oberhausen kamen Besucherinnen und Besucher sowie geladene Gäste. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Die Wirkung von Yogevs Bildern ließ die Besucher nicht unberührt. Katharina Urban und Lesley-Ann Lambert zeigten sich tief ergriffen. „Die Bilder sind noch bewegender, wenn man die Geschichte dahinter kennt“, sagte Urban. Or Yogev selbst stellte sich 2023 die Frage: „Wie kann ich mein Talent einsetzen, um zu helfen?“ Am Donnerstagabend (16.1.), da ein Waffenstillstand in Gaza zum Greifen nah erschien, äußerte er leise, aber hoffnungsvoll den Wunsch nach einem Ende des blutigen Konflikts zwischen Israel und der Hamas. Einen Tag später, am Freitag, meldete Israel die Einigung: Die Waffenruhe steht.

Die Ausstellung ist bis zum 16. Februar im artoclub der Artothek auf der Elsässer Straße 17, direkt am Friedensplatz, zu sehen. Geöffnet ist sie mittwochs von 16 bis 18 Uhr und donnerstags von 13 bis 19 Uhr.

Mehr zum Thema