Oberhausen. Seit 2004 kreiert Laas Abendroth alle Jahre wieder eine Krippe im Stil der italienischen „Arte Povera“ - mit fundiertem theologischen Background.
Nicht nur die älteren Fans von The Cure dürften sich mit Vergnügen an das geniale Debütalbum - und an das nicht minder verwegene Coverfoto der Goth-Rocker erinnern. „Three Imaginary Boys“ zeigte, anno 1979 noch ein unerhörter Vorgang, nicht etwa die drei Musiker, sondern: eine Stehlampe, einen Kühlschrank und einen Staubsauger. Nach diesem überraschenden Prinzip der maximalen Stilisierung lassen sich in unerschöpflichen Variationen auch weihnachtliche Krippen mit dem seit 2000 Jahren bekannten Personal gestalten: Drei Gegenstände für die Heilige Familie, drei weitere für die Heiligen drei Könige. Als siebte Figur gibt Laas Abendroth gerne noch einen „Herodes“ dazu.

Der 57-jährige Künstler, ein um Generationen verspäteter Dadaist, beruft sich natürlich nicht auf so kommerzielles Terrain wie die Tonträgerverpackungen für Robert Smith und Band. Sein Maßstab ist die italienische „Arte Povera“ der 1960er und 70er Jahre: Also heißt seine aparte, verspielte - aber kein bisschen gehässige - Krippenschau in den neuen Räumen des „Artoclub“ neben der Artothek im Europahaus nun „Krippen arte sehr povera“. Das holprige Halbitalienisch sei ihm verziehen, denn der schmucke Galerieraum, vormals das „Café Klatsch“ der Awo, präsentiert eine stolze Retrospektive aus 20 Jahren munteren Krippenbaus.
„Dieser kompletten Armut im Stall gibt der Pomp der drei Könige etwas Glamour.“
Alle Jahre wieder hält sich Laas Abendroth strikt an die selbst auferlegten Regeln der „armen Kunst“: Geld auszugeben für den Materialeinkauf ist strikt verboten. Der Mülheimer betont aber auch: „Es geht nicht um Upcycling.“ Seine vermeintlich „armseligen“ Krippen betonen für den theologisch durchaus sattelfesten Künstler „die komplette Armut im Stall“. Das zeigt in geradezu altmeisterlicher Manier seine allererste Krippe von 2004: Ein Pappkarton, an dessen Dach ein akribisch zurechtgebogener Zollstock überzeugend als Stern von Bethlehem schwebt. Mit dem Pomp der drei Weisen aus dem Morgenland tut sich der „Arte Povera“-Künstler schwerer: Sie sind als Fundsachen-Figuren (ob Filzstift oder Tablettendöschen) auch nicht glamouröser als Maria, Joseph und das Christuskind.

Doch Laas Abendroth hat sogar eine „apokryphe“ Krippe in seine Kreationen eingereiht: Nämlich jene aus dem in Jahrhunderten kirchlicher Säuberungen verbannten „Evangelium des Jakobus“. Dessen Schrift erzählte von der Geburt in einer Höhle: Ein hell leuchtender Nebel sei darinnen aufgekommen - und der Erlöser war geboren. Der Künstler nahm für diese Lichterscheinung einen Blumen-Übertopf als Höhle, gefüllt mit nebliger Watte und liebevoll ausgeleuchtet.
Als „Krippe ultra povera“ firmiert Abendroths zündende Idee aus der Silvesternacht 2015: Für sein Ensemble sammelte er abgebrannte Kracher, Raketen und Zisselmännchen. Inklusive „Herodes“. Vom Erzschurken der Weihnachtsgeschichte (der allerdings schon im Jahr 4 vor Christus in Jericho gestorben ist) gibt es immerhin ein als authentisch geltendes Porträt auf Münzen seiner Zeit: Laas Abendroth hat dieses Profilbildnis eingereiht in die acht Blätter seiner „Wandkrippe“-Zeichnungen. Selbst das Papier folgt dem Armuts-Dogma: es kam gratis als Ausschuss aus einer Druckerei.

Sogar einen seltenen Ausflug zur Prachtentfaltung erlaubt sich der findige Multiples-Kreateur: Seine Krippe aus Delfter Porzellan - „nochmal gebrannt“, erklärt Laas Abendroth - war angeregt von der im Nachbarland heftig geführten Debatte um die Figur des „Zwarte Piet“ und deren political incorrectness.
Selbst eine Retrospektive aus hunderten Kleinigkeiten addiert sich zu raumgreifender Fülle - und so ging der Künstler mit seinem neuesten Werk raumsparend in die Luft: Die 2024er „Hängekrippe“ schwebt als Mobile im Raum mit Maria als Wattebausch und Joseph als Plastikkaktus. Herodes stellt das Gegengewicht als grober Kieselstein. Man kann als staunender Betrachter einen Ratesport draus machen: Wer ist jeweils der Schurke in Abendroths bezaubernd-skurrilen Szenerien?

Die Auflösung bieten als kleine Broschüren gedruckte „Kurzführer zur Ausstellung“, die standesgemäß bis zum Dreikönigstag, 6. Januar 2025, zu sehen bleibt. Artothek und „Artoclub“ im Europahaus, Elsässer Straße 17, öffnen mittwochs von 16 bis 18 Uhr, donnerstags von 13 bis 19 Uhr.