Oberhausen. Auf der Wahlkampftour macht Spitzenpolitiker in Oberhausen Station. Er spricht sehr offen über Fehler, zeigt aber auch klare Kante bei den Zielen.

  • Der Wahlkampf läuft auf Hochtouren. Spitzenpolitiker reisen durch das Land, absolvieren einen Terminmarathon.
  • In Oberhausen war der Chef der Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, zu Gast. Sehr offen sprach er über Fehler. Die SPD hätte demnach viel früher die Reißleine ziehen müssen.
  • Zudem schilderte er sein schwieriges Verhältnis zu den Partnern in der Ampel. Weder die Grünen noch die FDP kommen bei ihm gut weg.

Die heiße Phase des Wahlkampfs hat begonnen und damit starten die Wochen, in denen das Spitzenpersonal der Parteien im Land unterwegs ist. In Oberhausen machte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich Station, nachdem er in Gummersbach mit IG-Metallern gesprochen hatte und anschließend nach Rheine und Ibbenbüren weiter reiste.

SPD-Fraktionschef in Oberhausen: Jedes Kind hat die gleichen Startbedingungen verdient

„Ein dicht gedrängter Terminkalender ist in solchen Zeiten üblich“, sagte der 65-Jährige im Pressegespräch, bevor er mit einem 80-köpfigen Publikum im Sterkrader Veranstaltungszentrum Vier Jahreszeiten diskutierte. Dass die SPD in den Umfragen bei 14 bis 15 Prozent wie festgetackert scheint, kann ihm selbst aber die Motivation nicht nehmen, unterstrich der gebürtige Kölner, der dort auch seinen Wahlkreis hat. Verständnis habe er aber durchaus für Mitglieder, denen es an Antrieb mangele, für die Partei zu werben. Zugleich erlebt es Mützenich aber eben auch, dass sich „viele Wahlhelfer mächtig ins Zeug legen“.

Dabei kann die Partei Erfolge vorweisen und das nicht zu knapp, hob der Sozialdemokrat hervor. Die Angleichung der Renten in Ost und West führte er auf, die Anhebung des Mindestlohns oder auch das Kindergeld. Es werde mittlerweile für jedes Kind die gleiche Höhe gezahlt, betonte der studierte Politikwissenschaftler. Als in der Runde mit den Gästen die Rede auf das Kindergeld kam, sprach Mützenich Grundsätzliches an: Zum Fundament der Sozialdemokratie gehört nach seiner Überzeugung, dass jedes Kind gleich viel wert sei und es somit auch verdient habe, die gleichen Startbedingungen zu bekommen. Für diese Worte gab es kräftig Applaus.

Rolf Mützenich besucht Oberhausen
Stellte sich den Fragen der Besucher im Oberhausener Veranstaltungszentrum Vier Jahreszeiten: SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, rechts im Bild der heimische Parteichef Dirk Vöpel. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

SPD hätte schon viel früher in Offensive gehen sollen

Solche Sätze eröffnen einem Politiker dann aber auch die Chance, ein bisschen aus seinem Leben zu plaudern. Er selbst habe die Hauptschule besucht, erzählte Mützenich, hatte schon einen Ausbildungsvertrag mit der damaligen Deutschen Bundesbahn in der Tasche, doch dann bot sich dank Schüler-Bafög die Gelegenheit, den schulischen Weg fortzusetzen und später zu studieren.

Von Offenheit waren seine Aussagen auch geprägt, als langjährige SPD-Mitglieder deutliche Kritik an der Partei und Kanzler Olaf Scholz übten. Der sei viel zu ruhig, befand eine Besucherin, eine andere wünsche sich schon seit Monaten ein stärkeres Auftreten der SPD insgesamt. Mützenich gestand ein, dass die SPD schon einige Zeit vor dem Bruch der Koalition in die Offensive hätte gehen müssen. Der Kanzler habe aber immer wieder seine Verantwortung gesehen und nach Kompromissen gesucht.

Mützenich sprach in Oberhausen über das schwierige Verhältnis zu den Grünen

Der Fraktionschef warb darüber hinaus um Verständnis für die besondere Herausforderung dieses Regierungsbündnisses. „Erstmals (seit 1957, Anm. d. Red.) gab es eine Dreierkoalition, darunter zwei Parteien mit großen Gegensätzen.“ Der FDP lastete er an, auf der Schuldenbremse beharrt zu haben. „Aber jeder Hausbesitzer weiß doch, dass dann, wenn etwas morsch ist, Investitionen notwendig sind.“ Um das Verhältnis mit den Grünen scheint es bei ihm aber auch nicht zum Besten bestellt zu sein, beklagte er doch deren „Besserwisserei“ und ihre Vorliebe, Menschen gern Regeln vorzuschreiben.

Rolf Mützenich, SPD-Fraktionschef im Bundestag

„„Erstmals gab es eine Dreierkoalition, darunter zwei Parteien mit großen Gegensätzen““

Rolf Mützenich

Im Gespräch mit den Bürgern sah sich Mützenich neben Fragen zur Ampel vor allem auch dem Thema Ukraine-Krieg ausgesetzt. Gerade Oberhausen erlebe mit der Partnerstadt Saporischschja, welches Ausmaß an Leid und Zerstörung der Krieg über die Menschen bringe, erklärte Sterkrades Bezirksbürgermeister Ulrich Real. Der Fraktionschef erinnerte an den Sturm der Kritik, als er im vergangenen Frühjahr von einem „Einfrieren des Krieges“ sprach und mehr Diplomatie gefordert hatte. Seine Worte in Oberhausen klangen wieder ähnlich. Er plädierte nämlich dafür, zumindest zu prüfen, welche Verhandlungswege eingeschlagen werden könnten, wobei Mützenich eine Voraussetzung als unabdingbar erachtet: Solche Gespräche dürfen nicht über die Köpfe der Ukraine und der Ukrainer hinweg stattfinden.

SPD-Politiker zählt in Oberhausen Ziele seiner Partei auf

Neben Außenpolitik wandte sich der Sozialdemokrat auf Nachfragen auch immer wieder der Innenpolitik zu, genauer gesagt sozialen Themen. Die SPD habe sich zum Ziel gesetzt, Familien zu entlasten, unterstrich der SPD-Fraktionschef. Dazu gehöre beispielsweise, ein kostenloses Essen für Schüler im Offenen Ganztag einzuführen. Damit nehmen die Sozialdemokraten eine Forderung auf, die der erste Bürgerrat des Bundestages zur Ernährungspolitik aufgestellt hatte.

Korrekturen am Bürgergeld vornehmen, um Missbrauch zu vermeiden, neue Anstrengungen starten, um Ukrainer zu einem Job zu verhelfen, sind laut Mützenich weitere Punkte, die sich die SPD vorgenommen hat. Darüber hinaus sollen die Netzentgelte für Strom gesenkt werden, damit die Energie billiger wird, für Verbraucher, aber ebenso für die Industrie. Wenn im Übrigen CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz Zweifel am grünen Stahl, also umweltfreundlich erzeugt, äußere, weil Deutschland damit nicht konkurrenzfähig sei, müsse man ihm Paroli bieten. Denn die Industrie sei gerade dabei, hohe Summen dafür zu investieren und damit auch Geld für Arbeitsplätze in die Hand zu nehmen. „Wir als SPD stehen an der Seite der Arbeitnehmer“.

Rolf Mützenich besucht Oberhausen
Besucher nutzen die Gelegenheit, um Rolf Mützenich während der Diskussion in Oberhausen zu fotografieren. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Lösung der Altschuldenfrage wäre auch für Oberhausen ein großer Gewinn

Dass die Sozialdemokraten nun einen Antrag zur Grundgesetzänderung vorgelegt haben, um Städte von Altschulden zu befreien, „wäre im Kabinett mit der FDP nicht machbar gewesen“, meinte der Fraktionschef. Nun liege der Ball vor allem bei der CDU, ob sie Städten wie Oberhausen eine dringend erforderliche Entlastung ermöglichen wolle.

Für das Pressegespräch hatten im Übrigen die Organisatoren Bilder von Willy Brandt und Helmut Schmidt aufgestellt, Erinnerungen an glanzvolle Zeiten. Der Tagungsort selbst sprach mit seiner Adresse indes auch Bände: An der Guten Hoffnung.

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