Oberhausen. 3000 Fans jubeln in der Turbinenhalle Oberhausen. Die südkoreanische Boyband „P1Harmony“ tanzt über Stunden und plaudert über Geheimnisse.
Sie hauchen nur kurz „Emergency“ ins Mikrofon. Und sofort befinden sich tausende Fanherzen im Ausnahmezustand. Die südkoreanische Boyband „P1Harmony“ hat am Sonntagabend im Dauertanz die Stabilität der Bühne überprüft. In der Turbinenhalle Oberhausen wackeln die Wände. Und das kann man nicht nur wörtlich nehmen, sondern problemlos auf die Wasserspannung in Getränkebechern und auf dauerhaft strapazierte Trommelfelle übertragen. Ein Kreischgewitter zieht auf. Die besungene „Heartbeat Drum“ leistet ganze Arbeit.
Die aus Metropolen wie Seoul stammenden Mitglieder der weltweit erfolgreichen Boyband regeln über zweieinhalb Stunden den Tonpegel in der alten Industriehalle wie es ihnen gefällt. Aber wer will schon stillschweigend solche Komplimente ignorieren: „Heute morgen war es überall so kalt. Durch euch sind sogar die Wände ganz heiß geworden!“
Hinter „P1Harmony“ verbergen sich Keeho, Theo, Jiung, Intak, Soul und Jongseob, die zwischen 19 und 23 Jahre jung sind und dem sogenannten K-Pop (koreanischer Pop) zugeordnet werden. Eine seit Jahren auch hierzulande immer populärere Stilmischung aus Pop, Rock und Eurodance, aber auch Elementen aus dem Rap- und Hip-Hop. Zu den bekanntesten Genre-Vertretern gehören die Kollegen von „BTS“. Diese Vorreiter-Gruppe ist seit knapp 15 Jahren im Geschäft.
„P1Harmony“ in Oberhausen: Cosplay-Kostüme und Musiker-Gesichter auf Schilderkellen
Weibliche Fans sind in der Turbinenhalle klar in der Überzahl. Sie rufen „P1, P1, P1“ in der Dauerschleife und halten runde Schilderkellen mit den Köpfen ihrer Musiker-Idole (im koreanischen Boyband-Kosmos auch „Idols“ genannt) in die Luft. Einzelne haben sich in Cosplay-Kostüme wie grüne Drachen gewandet. Andere schreiben Liebesbekundungen auf kleine Pappschilder. Diese durften im Gegensatz zu einer Armada aus Regenschirmen, die am Bauzaun neben dem Eingang hängen, auch mit in die Halle genommen werden.
Die Band selbst singt ihre großen Hits wie „Last Call“ und „Butterfly“ in englischer Sprache und gerät immer wieder ins Plaudern. Wenn sie ins Koreanische wechseln, lassen sie ihre Sätze von einem Sprecher ins Deutsche übersetzen. Und so sorgt die Tatsache, dass die Band das Oberhausener Centro zum Einkaufen kennt, schon reichlich Haribo-Weingummis geshoppt hat und zum Mittagessen ein großes Schnitzel bestellte, für die nächste Kreischwelle.
„Heute morgen war es überall so kalt. Durch euch sind sogar die Wände ganz heiß geworden.“
Bei der Bühnenshow merkt man schnell: Die Koreaner überlassen nichts dem Zufall. Die Outfits reichen von aufgeknöpften Hemden, leichten Lederjacken bis zu weitgeschnittenen Stoffhosen. Die Tanzschritte, jede Armbewegung und jeder Hüftkreisel sind aufeinander abgestimmt und beinah maschinell auf Synchronität getrimmt.
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Auf der Leinwand explodieren animierte Häuser oder die Bandmitglieder laufen in Zeitlupe über Wüstenstraßen, posieren neben SUVs und bulligen Quad-Geländefahrzeugen. Mal cool, mal verletzlich. Die Gefühle haben hier niemals Schweigepflicht.
„P1Harmony“ in Oberhausen: Synchroner Tanz, komponierte Klamotten - nichts ist Zufall
K-Pop-Gruppen werden in der Regel durch ein intensives Coaching vorher geschult. „P1Harmony“ tanzen in Oberhausen ohne Konzertpause, nur kurz greifen sie zum Mineralwasser aus der Pappverpackung. Ständig wuseln Mitarbeiterinnen der Tour-Produktion aus dem Backstage in den Bühnengraben. Sie halten Listen in der Hand, schauen ins Publikum, filmen und fotografieren. Dem Zufall wird wenig überlassen.
Ältere erinnert die Schmachtoffensive wahrscheinlich an den Boyband-Hype aus den 1990er-Jahren. An New Kids on the Block, Take That, Nsync und die Backstreet Boys. Doch während US-Manager die Gruppen von damals vom muskelbepackten Bad Boy, verrückten Schönling bis zum sensiblen Schwiegermuttertraum platt wie bewusst weit auseinander komponierten, gibt es bei K-Pop-Gruppen weniger sichtbare Stilunterschiede. Wichtiger ist die freundliche Ansprache an die Fans. Wenn die Musiker ein deutsches „Seid ihr bereit“ und „Ihr seid süß“ mit Akzent ins Mikrofon hauchen, schlägt der Begeisterung-Pegel endgültig aus.
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Die Show variiert musikalisch wenig, ist aber professional und nahbar inszeniert. Wer in die Gesichter der Anhängerinnen blickt, entdeckt ungehemmte Glückseligkeit. Sogar Papierkonfetti aus den abgefeuerten Kanonen wird für Collagen mit nach Hause genommen. Und wer nun in Versuchung gerät, die sichtbare Begeisterung von oben herab zu belächeln, sollte das nächste Mal in sich selber hineinhorchen: Vor dem Pokalfinale, beim Filet Stroganoff oder dem Urlaub im Blubberpool.
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