Kreischen wie in alten Tagen - NKOTBSB in Oberhausen
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Oberhausen. Die Tage bis zur Boy-Band-Rente mögen für „New Kids On The Block“ und die „Backstreet Boys“ gezählt sein. Fans als auch Musiker sind dem Teenageralter längst entwachsen. In der Oberhausener Arena veranstalten 10.000 überwiegend weibliche Fans trotzdem ein ohrenbetäubendes Kreischkonzert – ganz wie in den alten Tagen.
Es gibt Rätsel auf dieser Welt, die einfach ungelöst bleiben: Als Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre die Boy-Band-Welle ins Rollen kam, teilte deren tanzbare, glatte, weitgehend von allen Kanten befreite Popmusik die Geschlechter noch tiefer in zwei geschmackliche Lager als dies im Alltag eh schon der Fall ist. Während sich überwiegend Mädchen die Jugendzimmer mit Postern singender us-amerikanischer Jünglinge tapezierten, reagierte die überwiegende Mehrheit der männlichen Welt krassem Unverständnis.
Obwohl die Zeit der fliegenden Teddybären eigentlich vorbei ist, haben sich zwei Schwergewichte vergangener Tage erstmalig zu einer gemeinsamen Tournee getroffen. „NKOTBSB“ - was nach einer Verpackungsbeilage verschreibungspflichtiger Medikamente klingt, ist quasi der Zusammenschluss einer Boy-Band-Weltauswahl.
Am Donnerstagabend tanzen die „Backstreet Boys“ (BSB) und ihre Vorgänger „New Kids On The Block“ (NKOTB) gemeinsam über das Parkett der König-Pilsener-Arena in Oberhausen. Und das Echo ist gewaltig: 10.000 Fans strömen in die fast komplett gefüllte Halle.
Geschlechtertrennung gibt es immer noch: Während die Herren überwiegend auf die benachbarte Centro-Promenade schlendern, zieht es die weiblichen Fans gen Bühne. Mädelsabend: mit Sektchen, Fan-Shirt und guten Stimmbändern.
[Begeisterung, die – 1. Besonderes Interesse, 2. Motivation, 3. Enthusiasmus]
„Mein Freund guckt Fußball. Düsseldorf gegen irgendwas...“ Melanie Kraft (30) hat sich mit Arbeitskolleginnen getroffen und wippt im unteren Teil der Tribüne mit ihren hochhackigen Schuhen auf und ab. „Ich hatte damals alle CDs – Nick ist wirklich ein netter Typ!“ Das Konzert läuft gerade mal zehn Minuten, aber Melanie ist im Trubel der Arena kaum noch zu verstehen. Was? Bitte? Kreisch!
„Die Mädels sind so laut wie früher!“ Sie ist hauptsächlich wegen der „Backstreet Boys“ gekommen und möchte sich ein Stück Jugend zurückholen. „Ich war damals 14 und ziemlich verliebt!“ Die Backstreet-Boys-Bettwäsche erwähnt sie nur hastig. „Das ist heute schon ein bisschen peinlich.“ Der Besuch des Revivals jedoch nicht. „Da kommen einige schöne Erinnerungen wieder hoch!“
[Erinnerung, die – 1. Blick in die Vergangenheit, 2. Rückblick, 3. Nachruhm]
Die US-Band selbst ist nie so richtig abgetaucht. 1993 gegründet, acht Jahre später war erst einmal Schluss. Doch bereits 2005 fanden sich Howie Dorough, Alexander James McLean, Nick Carter und Brian Littrell wieder zusammen. Sie zehren von ihren alten Hits und dem Lebensgefühl der Boy-Band-Zeit.
Vorne in der ersten Reihe erfüllt sich für vier unbekannte Zuschauerinnen ein Traum. Sie dürfen auf den Bühnensteg, der sich quer durch die Halle zieht. Es gibt ein Ständchen. Sie sitzen auf Hockern. Mit den Jungs auf Tuchfühlung. „Quit Playing Games With My Heart“ denken die Fans, die Jungs singen es. Alles ist wie damals. Vereinzelt fliegt sogar noch ein BH auf die Bühne. Es klingelt in den Ohren. Der Kreisch-Pegel steigt wieder.
[Kreischen, das – 1. Herausschreien, 2. Johlen, 3. Lärmen]
In der Altersklasse Anfang 30 sind die „Boys“ mittlerweile angelangt, bei den „Kids“ kann man noch ein Jahrzehnt drauf packen: „New Kids On The Block“ gelten als Wegbereiter der späteren Boy-Band-Offensive. Rund 80 Millionen verkaufte Tonträger, dazu eine eigene Zeichentrick-Serie. 1994 folgte die Trennung, da starteten die „Backstreet Boys“ gerade durch. Diesmal ist es eine Gemeinschaftsproduktion: Donnie Wahlberg, Danny Wood & Co. wechseln sich mit den Kollegen auf der Bühne im Konfettiregen ab, manchmal spielen beide Bands gemeinsam.
Das Tempo des Konzertes ist hoch. Von wegen Boy-Band-Rente. Im Hintergrund steigen Feuersäulen empor. Beide Gruppen wechseln mehrfach die Garderobe: Weißer Anzug, schwarzer Schick, lässige Shirts und knappe Unterhemden, die man im Bedarfsfall im Kreischgewitter auch zerreißen kann.
Die großen Hits sind dabei: „Step by Step“, „Dirty Dancer“, „Larger Than Life“ und „I'll Never Break Your Heart“. Für den letzten Deutschland-Auftritt ihrer Tour nimmt sich der Boyband-Doppelpack Zeit. Bei herrlich schmalzigen Balladen stockt dann auch das Tempo freiwillig. Weißer Rauch steigt vom Bühnenboden auf. Schmachten im Nebel. Die Fans schmelzen dahin. Einmal schwärmen wie damals. Dann wird es wieder laut. Abschlussapplaus. Schnell noch etwas Schmeichelhaftes in deutscher Sprache („Ich bin ein Oberhausener!“). Zeitreise beendet. Was bleibt sind zufriedene Gesichter.
[Schwärmen, das – 1. Berauschen, 2. Entzücken, 3. Hinreißen]
Nach dem Konzert treffen sich für zweieinhalb Stunden getrennte Pärchen wieder. Fußball ist für die Herren längst vorbei, während die Partnerin in voller Glückseligkeit noch einmal „Backstreets Back“ summt. Die Begeisterung bleibt für die Männerwelt überwiegend ein Rätsel. Jungs: Zur Erläuterung einfach mal unter „NKOTBSB“ googeln!
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