Oberhausen. Im Februar wurde eine Frau in einer Behindertenwerkstatt in Oberhausen umgebracht. Lebenshilfe muss Fragen zu Arbeitsbedingungen beantworten.

Warum musste eine junge Frau auf dem Gelände einer Behinderten-Werkstatt der Oberhausener Lebenshilfe sterben? Wurde sie von einem Kollegen aus sexuellen Motiven erdrosselt? Antworten auf diese Fragen sucht derzeit das Duisburger Landgericht. Der Todesfall, der Ende Februar dieses Jahres die Stadt erschütterte, zieht jedoch weitere Kreise: Am Mittwoch, 13. November, beschäftigt sich die Oberhausener Politik mit dem traurigen Geschehen.

Rückblick: Am kalten und nebligen Morgen des 27. Februars findet die Polizei die Leiche einer damals 22 Jahre alten Frau in einem Gebüsch der Königshardter Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Die Eltern hatten ihre Tochter am Vortag als vermisst gemeldet, da sie von ihrer Arbeit in der Werkstatt nicht nach Hause gekommen war. Der Verdächtige, ein zum Tatzeitpunkt 27-Jähriger, der ebenfalls in der Werkstatt tätig war, wurde wenige Tage später festgenommen.

Im Fokus: Die Arbeitsbedingungen bei der Lebenshilfe Oberhausen

Erschüttert von den schlimmen Eindrücken erhoben zwei Angestellte der Lebenshilfe einige Wochen später schwere Vorwürfe gegen die Einrichtung. Sie sprachen von „unhaltbaren Zuständen“, von enormen Personalproblemen und einem extrem hohen Arbeitsdruck. Ihrer Verantwortung, so ihre Schilderung, könnten sie unmöglich gerecht werden. Dabei sei ihr Job so wichtig: Sie beaufsichtigen die Menschen, die in den verschiedenen Werkstatt-Bereichen arbeiten, sie leiten sie an, schlichten Streit, helfen auch mal beim Toilettengang.

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Die Geschäftsführung der Lebenshilfe bestreitet die Vorwürfe vehement. Der Personalschlüssel werde stets eingehalten, dies hätten auch Überprüfungen durch den Landschaftsverband Rheinland (LVR) als Haupt-Geldgeber der Lebenshilfe bestätigt. Teile der Politik sind dennoch alarmiert, so dass sich am Mittwoch der Beirat für Menschen mit Behinderung mit dem Thema beschäftigen wird – auf Antrag der Oberhausener Linken, die wissen wollen, wie es um die Arbeitsbedingungen bei der Lebenshilfe bestellt ist. Diskutiert wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Seit Dienstag, 22. Oktober, muss sich der Angeklagte vor Gericht wegen Mordes verantworten. Er soll eine Kollegin bei der Lebenshilfe Oberhausen erdrosselt haben.
Seit Dienstag, 22. Oktober, muss sich der Angeklagte vor Gericht wegen Mordes verantworten. Er soll eine Kollegin bei der Lebenshilfe Oberhausen erdrosselt haben. © WAZ | Nadine Gewehr

Beim derzeit laufenden Mordprozess am Landgericht Duisburg sind Zuschauer dagegen zugelassen. Und auch im dortigen Sitzungssaal kam am dritten Prozesstag am Dienstag das Thema Personalmangel vor, wenn auch nur am Rande: Eine Angestellte der Kantine in der Königshardter Werkstatt könne zum Tattag leider gar nicht viel erzählen, da zu viel zu tun gewesen sei. Zu viel Arbeit für zu wenige Angestellte.

Aufschluss gab ihre Aussage aber über den Charakter des Angeklagten. Der junge Mann sei eher in sich gekehrt, habe immer viel Musik gehört und sich in den Mittagspausen oft zurückgezogen und seine Mahlzeiten allein gegessen. Zu Frauen habe er zwar Kontakt gesucht, durchaus auch körperlichen, doch die Anweisung, dies zu unterlassen, habe er sofort befolgt, ohne aggressiv zu werden.

Lebenshilfe: Mordprozess am Landgericht Duisburg

Im Mittelpunkt des dritten Prozesstages stand die Frage nach der Beziehung zwischen dem Opfer und dem Angeklagten. Obwohl die Befragung der Zeuginnen und Zeugen nicht einfach war und sich viele Erinnerungslücken auftaten, ergibt sich dennoch ein Bild: So habe das Opfer neben ihrem Freund, mit dem sie außerhalb des Werkstatt-Geschehens eine sexuelle Beziehung führte, eine weitere Beziehung angestrebt. Mit dem Angeklagten. Sie habe Liebesbriefe geschrieben: „Ich vermisse dich, ich liebe dich.“ Mit dem Zusatz: „Nur in der Werkstatt.“

Kurz vor der Tat wurden der Angeklagte und die junge Frau gemeinsam auf dem Gelände gesehen. Sie seien spazieren gegangen, hätten „herumgealbert“. Der wohl wichtigste Zeuge gab an, er habe gesehen, dass beide dann in ein Gebüsch gegangen seien. Doch nur der Angeklagte habe es auch wieder verlassen. Der Verteidiger des Angeklagten hatte zwar erhebliche Zweifel am zeitlichen Ablauf der Zeugenaussage. Doch gänzlich aufklären ließ sich dies vor Gericht nicht.

Der Prozess wird am 26. November fortgeführt. Voraussichtlich fällt dann auch ein Urteil.

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