Oberhausen. Die Apotheke in Oberhausen hat eine lange Tradition, ist fast 120 Jahre alt. Das Aus verbindet der Inhaber mit scharfer Kritik an einer Person.

Jahrzehntelang war das Haus an der Wilmsstraße für viele Menschen eine feste Adresse, wenn sie Medikamente, Salben und Säfte brauchten. Wer wollte, erhielt auch Gesundheitstipps oder eine Einschätzung in medizinischen Fragen. Doch damit hat es jetzt ein Ende. Die Hirsch-Apotheke an der Wilmsstraße im Oberhausener Stadtteil Lirich ist geschlossen.

Großvater des heutigen Inhabers hat die Apotheke in Oberhausen vor 90 Jahren übernommen

Inhaber Martin Müller hat lange mit der Entscheidung gerungen, denn sein Herz hing sehr an dieser Apotheke. Sein Großvater hatte sie 1934 übernommen, der Vater sie weitergeführt, bis der heute 57-Jährige in dessen Fußstapfen trat. Damals konnte ein Apotheker immer nur eine Niederlassung betreiben, mehrere waren nicht erlaubt. So betrieb der Oberhausener lange Zeit eben auch nur diese eine Apotheke. Doch die starre Regel sollte der Gesetzgeber ändern. Es dürfen inzwischen auch bis zu vier Apotheken sein. Martin Müller gehören noch die Gutenberg-Apotheke in der Innenstadt (Hermann-Albertz-Straße) und die West-Apotheke in Buschhausen (Thüringer Straße).

Sich vom Stammsitz in Lirich zu trennen, dieser Schritt war für ihn unausweichlich. Seit Jahren schon treibe die Gesundheitspolitik viele Apotheken in die Enge, kritisiert er. Das habe sich unter dem jetzigen Gesundheitsminister Karl Lauterbach noch weiter verschärft. An der Ausgabe von Medikamenten verdiene der Berufsstand immer weniger, ärgert sich Müller. Versuche, den Minister zum Umdenken und Einlenken zu bewegen, hätten nicht gefruchtet. Hinzu komme die Konkurrenz durch die Internetapotheken. In einem Nachbarland wie den Niederlanden beheimatet, sind sie nicht an hiesige Regeln gebunden, können Medikamente preiswerter anbieten.

Oberhausener hängt Protestplakate in Schaufenstern aus

Erst vor wenigen Monaten hatte Dr. Armin Hoffmann von der Apothekerkammer Nordrhein Lauterbach scharf attackiert. Dessen Pläne hätten das Potenzial, das bewährte Apothekensystem zu zerstören, wetterte Hoffmann. Wörtlich sagte er: „Ich bin enttäuscht, dass gerade ein Sozialdemokrat die Versorgung vor Ort dermaßen ruiniert und große Kapitalgesellschaften gestärkt werden.“ In die gleiche Kerbe schlägt auch Apothekensprecher Lukas Heuking. Die Vergütung, die die Apotheken für rezeptpflichtige Arzneien erhalten, habe der Gesetzgeber deutlich gesenkt. Dabei sei eigentlich angesichts der Inflation und wachsender Kosten auf breiter Front (Energie, Personal etc.) eine Anhebung erforderlich gewesen. Aus Unmut über die politischen Entscheidungen hat Müller eine Reihe von Protestplakaten in der geschlossenen Hirsch-Apotheke angebracht.

Schmerzvoller Verlust: Hirsch-Apotheke in Lirich ist geschlossen. 20.09.2024 Oberhausen
Auf Plakaten in den Schaufenstern der geschlossenen Hirsch-Apotheke protestiert Inhaber Martin Müller gegen die Politik von Gesundheitsminister Karl Lauterbach. © FUNKE Foto Services | Daniel Attia

Unter anderen Voraussetzungen hätte er sie wohl auch noch weiter betrieben. „Dann wären die Lasten der jüngsten Zeit wahrscheinlich auch verkraftbar gewesen.“ Ein heftiger Rückschlag war mit der Schließung einer nahe gelegenen Arztpraxis verbunden. „Das haben wir natürlich sehr deutlich gespürt.“ Während auf der einen Seite die Einnahmen sanken, stiegen auf der anderen Seite die Ausgaben. Die Miete schnellte in die Höhe. Bei den Strompreisen und den Personalkosten zeigte die Kurve ebenfalls nach oben. Letztlich kamen noch Kosten hinzu, um für die Handhabe der E-Rezepte gewappnet zu sein. „Da blieb keine andere Wahl, als die Apotheke zu schließen.“ Eine der Mitarbeiterinnen geht in die Rente, für die anderen zwei geht es in den verbleibenden Apotheken weiter.

Immer mehr Apotheken in Oberhausen geben auf

Mit dem Aus an der Wilmsstraße geht das Apothekensterben weiter. Vor zehn Jahren gab es noch 48 in Oberhausen, Ende des vergangenen Jahres war die Zahl schon auf 41 geschrumpft. Im gesamten Kammerbezirk sank die Summe um 34. Jetzt ist eine weitere verschwunden. Insbesondere sind es die Stadtteile, in denen Apotheker aufgeben. In Königshardt und Holten ist jeweils nur noch eine geblieben.

Sorge bereitet Müller zudem, dass angesichts der zunehmenden finanziellen Lasten der Nachwuchs ausbleibt. Da er selbst ausbildet, weiß der Oberhausener, dass immer weniger junge Menschen sich selbstständig machen wollen. Stattdessen bevorzugen sie eine abgesicherte Angestellten-Tätigkeit, beispielsweise in einer Klinik oder einem Heim. Für solche Entscheidungen hat er durchaus Verständnis, „aber für die Zukunft der Apotheken wird eine solche Entwicklung zur Gefahr“.

Mehr zum Thema Apotheken