Ruhrgebiet/Oberhausen. Nicht nur Köln, Berlin, Hamburg, nein, sogar auch im Ruhrgebiet mangelt es für Familien an bezahlbarem neuen Wohnraum. Die Politik muss handeln!
Wenn man die politischen Debatten der vergangenen Monate verfolgt, kann man nur darüber staunen, welche nebensächlichen Themen für Aufregung sorgen: ob Radwege in Peru oder geschlechtsneutrale Sprache von Behörden - darüber wird hitzig debattiert, aber über ein zentrales Menschenrecht nicht: ein bezahlbares Zuhause für jeden Bürger dieses Staates.
Im Vergleich zu Boom-Regionen wie München, Hamburg oder Köln erscheint das Mietniveau im Ruhrgebiet mit etwa 7 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete für viele noch verkraftbar, doch das trifft nicht auf modernisierte oder gar neu gebaute Wohnungen zu. Nicht nur Familien haben selbst in Oberhausen Probleme, eine anständige bezahlbare Wohnung zu finden. Über viele Jahre hinweg hat sich die Wohnungskrise in den letzten Winkeln der Republik zu einer echten Wohnungsnot entwickelt.
Wohnungsnot: Die Politik hat viel versprochen, aber nicht geliefert
Die Politik hat viel versprochen, aber nicht geliefert. „Wohnen ist ein Grundbedürfnis“, heißt es im Koalitionsvertrag der Ampel-Bundesregierung 2021 mit dem Ziel, 400.000 Wohnungen im Jahr neu zubauen; „eine beheizte Wohnung darf in unserem Land kein Luxus sein“, schrieben CDU und Grüne in NRW 2022 im Koalitionsvertrag - und wollten bis 2027 rund 45.000 Sozialwohnungen neu bauen lassen.
Doch nicht nur in Oberhausen ist die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen auf Niedrigniveau eingebrochen; die Bau- und Zinskosten liegen so extrem hoch, dass selbst Bauten ohne nennenswerten Gewinnertrag wie das Mehrfamilienhaus auf dem „Kaiser&Ganz“-Gelände in Sterkrade schon 14 Euro an Kaltmiete pro Quadratmeter kosten. Andere Investoren nennen 18,50 Euro als unbedingt notwendigen Wert, um Kosten und angemessene Rendite hereinzuholen. Wer soll das bezahlen?
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Wohnungsnot mit erheblichem sozialen Sprengstoff
Die Wohnungsnot entwickelt sich dramatisch, birgt sozialen Sprengstoff und ist Futter für demokratiefeindliche Populisten - die Regierenden haben keine Zeit mehr für Kaffee-und-Kuchen-Gesprächskreise („Allianz für mehr Wohnungsbau“ in NRW), sondern müssen dringend handeln. Die Wohnungsnot ist nur durch mehr Neubau und schnellere Modernisierungen von Altbauten zu lindern - und die hohen Baukosten dafür sind zu einem guten Teil politisch gemacht.
Baustandards: Die Baustandards müssen dringend runter: Als die Statiker um die Jahrtausendwende nur 26 Tonnen Stahl für ein Fünffamilienhaus statt heute 42 Tonnen verordneten, sind die Häuser auch nicht zusammengestürzt. Warum Balkone heute Lasten von 400 Kilo pro Quadratmeter tragen müssen statt wie früher 200 Kilo, ist mehr als fragwürdig. Klima-Normen müssen mit Blick auf Effizienz entschlackt werden: Es ist weder wirtschaftlich noch klimafreundlich, wenn man bei Teilsanierung eines 12-Zentimeter-gedämmten Daches eine 24-Zentimeter-Dämmung gesetzlich verlangt - dabei spart der Hauseigentümer bei einer 60.000-Euro-Investition nur 200 Euro an Heizkosten im Jahr ein.
Bauland: Die Städte müssen mehr Bauland ausweisen: auf nicht mehr benötigte Friedhofsflächen, wie an der Falkestraße in Oberhausen-Königshardt, auf altem Grabeland, wie an der Wilhelmstraße in Oberhausen-Sterkrade, auf früheren Industriearealen wie der Zeche Sterkrade - doch überall protestieren Anwohner, die keine neuen Nachbarn, sondern lieber Parks haben wollen. Deshalb müssen die Einspruchsrechte von Bürgerinitiativen über mehrere Jahre reduziert werden.
Schrottimmobilien: Ignorante Hauseigentümer mit Schrottimmobilien müssen konsequent enteignet werden - Städte sollte dieser Eingriff in Eigentumsrechte, die durch eigenes Nicht-Handeln der Hausbesitzer verwirkt wurden, noch leichter möglich sein als 2021 vom Landtag beschlossen. Ein Landes-Fonds, der den Ankauf auch armen Städten ermöglicht, ist sinnvoll.
Eigenbedarf: Bei neuen Eigentümern von Mietwohnungen entwickelt sich im Ruhrgebiet eine neue üble Methode, um alte Mieter loszuwerden und höhere Mieten zu verlangen: Nach Jahrzehnten müssen Mieter ihre Wohnung wegen angeblichen Eigenbedarfs von Verwandten verlassen - und finden keine neue zu ähnlich bezahlbaren Preisen. Die Regelung „Eigenbedarf“ muss strenger gefasst werden - zumindest bis zum Ende der Wohnungsnot.
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Mehr Förderung: Auf allen Ebenen muss mehr Steuergeld ins bezahlbare Wohnen gesteckt werden: Mehr Hilfen für Häuslebauer, höhere Zinszuschüsse für Wohnungsbaugesellschaften, übergangsweise ein höheres Wohngeld für mehr berechtigte Geringverdiener.
Der Staat muss also Geld in die Hand nehmen, aber vor allem einfallsreich sein, etwa wenn er die hohen DIN-Standards lockert, und Widerstände mutig durchbrechen, weil er sich auf dieses Wohnungsziel konzentrieren muss. Wer meint, die Wohnungsnot aussitzen zu können, irrt jedenfalls - und erhöht die systemischen Schäden, die unweigerlich auf unsere Demokratie zukommen, wenn viele Menschen um ihre Wohnung zittern müssen. Ein Versagen in dieser entscheidenden Frage darf sich die Politik nicht erlauben.
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