Oberhausen. Die Mittelstandsvereinigung der Ruhr-CDU fordert mehr Tempo beim Wohnungsbau. Diese Änderungen sollen Bauen schneller günstiger machen.
Wilhelm Hausmann ist Architekt und CDU-Kreisvorsitzender in Oberhausen. Gemeinsam mit anderen Fachleuten aus der Baubranche hat er für die CDU-Mittelstandsvereinigung in einem Antrag für den nächsten Parteitag der CDU Ruhr ein Konzept skizziert, das Baukosten senken und Genehmigungsverfahren beschleunigen soll. Darin geht es um die Stärke von Betondecken und teure Pissoirs für kleine Jungs in Kindertagesstätten.
Herr Hausmann, Sie als Architekt aus Oberhausen und Vorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung Ruhr fordern mehr Tempo beim Bauen in NRW und haben ein Konzept vorgelegt. Was treibt Sie an?
Wilhelm Hausmann: Es ist doch so: Alle fordern, dass das Bauen günstiger und schneller werden muss. Doch niemand sagt, wo genau wir Zeit und Geld einsparen können. Stattdessen wird etwa pauschal von Entbürokratisierung gesprochen oder modulares Bauen bemüht, das wir ja aber schon seit Jahrzehnten haben. Das allein kann es aber doch nicht sein, wenn 700.000 Wohnungen in Deutschland fehlen.
Was sollte denn aus Ihrer Sicht passieren?
Hausmann: Wir müssen auch über Baustandards reden. Vor der Jahrtausendwende waren zum Beispiel 26 Tonnen Stahl nötig, um ein Fünf-Familien-Haus zu bauen. Heute sind es 42 Tonnen. Die Decken sind sehr viel dicker geworden, weil Deutschland zum einen europäische Normen übernommen hat und zum anderen noch zusätzlich draufsattelte. Das kostet nicht nur viel mehr Geld, das Mehr an Stahl und Beton führt zudem zu einem höheren CO2-Ausstoß.
Dienen die dickeren Decken nicht auch der Sicherheit?
Hausmann: Die Frage ist doch, welche Sicherheit ist wirklich erforderlich und was ist eine kosmetische Sicherheit, die etwa nur der Verhinderung optisch kaum wahrnehmbarer Risse dient? In Deutschland haben wir die Mentalität, immer über die höchsten Hürden zu gehen. Früher mussten Balkone 200 Kilogramm pro Quadratmeter Last verkraften. Heute sind es 400 Kilogramm.
Wie ist es aus Ihrer Sicht zu dieser Verschärfung der Baustandards gekommen?
Hausmann: Kaum jemand in der Branche hat den Mut über das sensible Thema Sicherheit zu sprechen, zumal höhere Standards auch zu höheren Umsätzen führen. Wir brauchen aber gar nicht die Sicherheit substantiell einschränken, wir müssen nur den Aufwand auf ein erträgliches Maß senken.
WAZ: Die CDU-Mittelstandsvereinigung sagt also den Lobbyisten den Kampf an?
Hausmann: Nicht nur die Akteure am Bau betreiben Lobbyismus, auch Sozial- und Umweltverbände sind die Treiber. Man muss doch zum Beispiel ehrlich darüber reden können, wie viele Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus barrierefrei oder rollstuhlgerecht gebaut werden sollen. Nicht jeder Mieter möchte bei gleichem Wohnwert die zusätzlichen Quadratmeter bezahlen. Aus unserer Sicht reicht es aus, dass ein Viertel der Wohnungen für Rollstuhlfahrer geeignet ist.
In der Branche wird seit längerem beklagt, dass die Vorschriften in öffentlichen Gebäuden besonders scharf seien. Stimmt das?
Hausmann: Mein Architekturbüro plant zahlreiche Kindergärten. Ein Pissoir für kleine Jungs ist dreimal teurer als ein Pissoir für Erwachsene. Eine Waschrinne, an dem sich drei Kinder gleichzeitig die Hände waschen können, kostet 3000 Euro. Ein Waschbecken dagegen nur 200 Euro. Die hohen Standards werden aber verlangt und treiben die Baukosten in die Höhe.
In einem Leitantrag hat die Mittelstandsvereinigung der CDU Ruhr ihr Konzept für schnelleres und günstigeres Bauen skizziert. Baugesetze werden aber nicht im Ruhrgebiet gemacht.
Hausmann: Deshalb fordern wir, dass sich alle politischen Ebenen – also Europa, Bund, Länder und Kommunen – mit Erleichterungen beschäftigen und ihr Beharrungsvermögen aufgeben. Ich kann ja verstehen, dass sich Behörden durch Vorschriften möglichst gut absichern wollen. Wir können uns das aber nicht mehr leisten. Es ist doch Unsinn, dass man beispielsweise beim Bau eines Hauses einen Antrag auf Regenwasser-Versickerung stellen muss, obwohl die Regenwasser-Versickerung vorgeschrieben ist.
Was versprechen Sie sich vom digitalen Bauantrag?
Hausmann: Wo das gut funktioniert, haben Sie die digitale Baugenehmigung binnen vier oder fünf Wochen. Andere Kommunen brauchen sehr viel länger. Digitalisierung ist aber auch kein Allheilmittel. Wir müssen auch an die Vorschriften ran. So ist es doch absurd, an neu errichteten Gebäuden in Fußgängerzonen Stellplätze zu fordern, wenn man da gar nicht mit dem Auto reinfahren und parken kann.
Wie groß schätzen Sie das Einsparpotenzial, sollten Ihre Vorschläge umgesetzt werden?
Hausmann: Ich bin zuversichtlich, dass wir die Baukosten rasch um zehn bis 20 Prozent senken können. Das wäre auch ein Beitrag für bezahlbare Mieten.
Weitere Texte aus dem Ressort Wirtschaft finden Sie hier:
- Vorwerk-Chef: Meine Frau wollte auch keinen Thermomix haben
- Biermarkt: Darum verkauft Stauder schweren Herzens wieder Dosenbier
- Sorgen bei Thyssenkrupp: „Stahlindustrie kämpft um Existenz“
- Galeria-Doppelschlag gegen Essen: Warenhaus und Zentrale weg
- Menschen in Not: So reagieren Einzelhändler auf Bettler vor ihrer Ladentür