Mülheim. Er sitzt im Rollstuhl und kommt die Treppe nicht mehr runter. Wie der Wünschewagen dem 97-Jährigen ermöglichte, seine Kegelbrüder wiederzusehen.

Sie waren eine eingefleischte Clique, die Kegelbrüder, die seit den 60er Jahren alle zwei Wochen zusammen eine Kugel geschoben und beim Bierchen die neuesten Neuigkeiten ausgetauscht haben. Über 60 Jahre liegt es bereits zurück, dass sie mit elf Mann – was wörtlich zu nehmen ist, denn Frauen waren bei den Kegelabenden nicht dabei – begonnen haben. Heute ist von der einstigen Truppe noch eine Handvoll Männer übrig – „und nur einer ist noch unter 80“, unken sie beim lang ersehnten Wiedersehen.

Der Älteste von ihnen ist Heinrich, der kürzlich seinen 97. Geburtstag gefeiert hat. Zu gern wollte er seine Kegelbrüder nach vielen, vielen Jahren endlich wieder sehen, noch einmal – vielleicht ein allerletztes Mal – ein Bier mit ihnen in einer urigen Kneipe trinken. Ohne den Einsatz des Wünschewagens, mit dem Ehrenamtliche Menschen an Sehnsuchtsorte bringen, die sie selbst aus Krankheitsgründen nicht mehr erreichen können, wäre aus dem Wiedersehen wohl nichts geworden. Unsere Benefiz-Aktion Jolanthe unterstützt in diesem Jahr das ehrenamtliche Projekt.

97-jähriger Mülheimer im Rollstuhl kommt Treppe nicht mehr runter

Auf dem Parkplatz von Reitsport Bellscheidt in Mülheim-Saarn durfte der Wünschewagen parken, während Fahrgast Heinrich mit seinen alten Freunden in der Kneipe ein Bier trank.
Auf dem Parkplatz von Reitsport Bellscheidt in Mülheim-Saarn durfte der Wünschewagen parken, während Fahrgast Heinrich mit seinen alten Freunden in der Kneipe ein Bier trank. © Katja Bauer | Katja Bauer

Denn seit Jahren ist Heinrich auf den Rollstuhl angewiesen, kommt ohne Hilfe nicht mehr die Treppe aus seiner Wohnung in der Altstadt runter. „Ich bin an die Wohnung gefesselt, das ist eigentlich das Schlimmste, ein bisschen wie im Gefängnis“, sagt der Senior, der ansonsten noch richtig rüstig ist und über den Computer Kontakt zur Außenwelt hält. Traurig berichtet er von seinem Alltag: „Da sieht man vom Fenster aus die Sonne und kann doch nicht raus.“ Dass er nicht mehr vor die Tür kommt, schmerzt ihn sichtlich. Er erzählt: „Früher, da bin ich immer unterwegs gewesen und jeden Tag gelaufen.“ Doch das lässt seine Gesundheit seit geraumer Zeit nicht mehr zu.

Auch seine Kegelbrüder hat er jahrelang nicht mehr gesehen. „Es ist bestimmt zehn, 15 Jahre her, dass wir das letzte Mal zusammen gekegelt haben“, blickt der 97-Jährige zurück. Hin und wieder sah man sich zunächst noch zu anderen Gelegenheiten, dann kam auch noch Corona und soziale Kontakte waren abgeschnitten. „Ich bin mindestens drei Jahre nicht mehr raus gewesen“, erzählt Heinrich.

Im Saarner Brauhaus trifft der Mülheimer Senior seine Kegelbrüder

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Jetzt aber sitzt er bestens gelaunt im Saarner Brauhaus, neben ihm und gegenüber seine alten Kumpels Bernd (82), die beiden 86-jährigen Friedhelm und Kalle sowie Heinz, mit 78 das Küken in der Runde. Und gleich scheint es so, als sei es erst gestern gewesen, dass sie zusammensaßen und sich mit einem Frischgezapften zuprosteten. Der 97-Jährige strahlt übers ganze Gesicht. Sie lachen sich schlapp über die Dönekes von früher und schwelgen in herrlichen, jahrzehntealten Erinnerungen.

Keine halbe Stunde vorher herrschte noch leichte Aufgeregtheit, als die Ehrenamtlichen des ASB-Wünschewagens Heinrich zu Hause in der Innenstadt abholen, ihn die Treppe heruntertragen und auf die Krankenliege heben, die im Wünschewagen dem Transport des Fahrgastes dient. Wie wird der alte Mann die Fahrt überstehen?

Sehnsuchtsorte von Wünschewagen-Gästen liegen manchmal nahe

Die Anspannung verfliegt schnell, als sich das besondere Fahrzeug in Bewegung setzt und die Strecke nach Saarn zurücklegt. Fahrer Georg Gooßens (58), der bei der Essener Feuerwehr arbeitet und sich in seiner Freizeit ehrenamtlich beim Wünschewagen engagiert, erzählt bei der Ankunft am Brauhaus: „Er hat den Ausblick auf die Gegend genossen, schließlich hat der Wünschewagen Panorama-Fenster.“

Die Fahrt für Heinrich, der noch einmal mit seinen Kegelbrüdern ein Bier in der Kneipe trinken wollte, zeige, dass Sehnsuchtsorte nicht immer weit weg liegen müssen wie das Meer. Die knapp vier Kilometer lange Strecke wäre für den 97-Jährigen ansonsten schier unüberwindbar gewesen.

Mülheimer Aktion unterstützt den Wünschewagen

Die Besatzung des ASB-Wünschewagens: Peter Brill, Peter Lottmann und Georg Gooßens (v.l.). Die drei Ehrenamtlichen haben den 97-jährigen Heinrich die Treppen von seiner Wohnung heruntergetragen und in die Saarner Kneipe gefahren.
Die Besatzung des ASB-Wünschewagens: Peter Brill, Peter Lottmann und Georg Gooßens (v.l.). Die drei Ehrenamtlichen haben den 97-jährigen Heinrich die Treppen von seiner Wohnung heruntergetragen und in die Saarner Kneipe gefahren. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Damit der ASB-Wünschewagen, der durch Spenden finanziert und ehrenamtlich betrieben wird, weiterhin unterwegs sein kann, sammeln wir mit unserer alljährlichen Benefiz-Aktion Jolanthe von WAZ & NRZ Geld für das Projekt.

Möchten Sie im Rahmen unserer Aktion Jolanthe spenden? Das Spendenkonto ist freigeschaltet (Verwendungszweck „Wünschewagen“): DE 05 3625 0000 0175 0342 77, Sparkasse Mülheim. Wer eine Spendenquittung erhalten möchte, gibt bitte seinen vollständigen Namen und seine Adresse an.

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