Mülheim. Der Flughafen Essen-Mülheim war Ziel eines schweren Luftangriffs am 24. Dezember 1944. Ein Bunker wurde getroffen. Es gab Hunderte von Toten.
Heiligabend 1944. Das ist für die Menschen in Mülheim kein Fest des Friedens. Der Zweite Weltkrieg geht mit einer Schlacht in den Ardennen in sein letztes Jahr. Um 14.08 Uhr wird in der Stadt Luftalarm gegeben. Zwischen 14.21 und 14.31 Uhr laden 169 Flugzeuge der Royal Air Force ihre tödliche Bombenfracht über Raadt ab. Sie besteht vor allem aus großen Sprengbomben.
Die Druckwellen der Bomben lassen nicht nur in Raadt viele Türen und Fenster bersten. Auch die Gleisanlagen der Eisenbahnstrecken Kettwig-Styrum und Eppinghofen-Essen-West werden vom Luftangriff in Mitleidenschaft gezogen. Der Zugverkehr muss unterbrochen werden. Mehr als 200 Menschen sterben.
Luftangriff an Heiligabend 1944 in Mülheim: Was ein Zeitzeuge erlebte
Der 1936 geborene Mülheimer Walter Neuhoff erinnert sich: „Es lag Schnee, und es war bitterkalt. Wir saßen etwa zwei Stunden im Keller unseres Hauses an der Tersteegenstraße. Als wir wieder nach oben und auf die Straße kamen, sahen wir, dass nicht nur die Fenster unseres Hauses zerborsten waren, so dass wir den Rest des Tages damit verbringen mussten, sie mit Pappe und Zeitungspapier abzudichten. Auch war eine Küchenwand unseres bis dahin unbeschädigtes Haus herausgerissen worden.“

Ziel des Luftangriffs ist der Flughafen Essen/Mülheim, der 1939 zum militärischen Fliegerhorst wurde. Dort vermuten die Alliierten 25 Düsenjets der deutschen Luftwaffe. Doch die stehen, gut getarnt, in einem nahegelegenen Waldstück und überstehen den Luftangriff unbeschadet.
Zwangsarbeiterlager direkt am Flughafen
Der Angriff an Heiligabend ist einer von 160 Luftangriffen, die Mülheim während des Zweiten Weltkrieges treffen und mehr als 1100 Menschenleben fordern. Allein im Dezember 1944 erlebt Mülheim drei Luftangriffe.
Unmittelbar am Flughafen befindet sich 1944 ein sogenanntes Arbeits- und Erziehungslager, in dem etwa 500 Menschen Zwangsarbeit leisten müssen. Sie dürfen den nahen Hochbunker an der Windmühlenstraße nicht aufsuchen. In Splittergräben und Unterständen versuchen sie, den Luftangriff zu überleben. Unter ihnen sind auch die meisten Opfer zu beklagen, als der Flughafen am 21. März 1945 noch einmal Ziel eines Luftgriffs wird.
Bunker an der Mülheimer Windmühlenstraße wird getroffen - 50 Menschen sterben
Sicherer wähnen sich am frühen Nachmittag des 24. Dezember 1944 die 600 Menschen, die in einem 1941 vom städtischen Luftschutzbauamt an der Windmühlenstraße errichteten Hochbunker Schutz suchen. Ein Irrtum. Eine 1000-Kilo-Bombe durchschlägt die 1,40 Meter dicke Betondecke des Bunkers. Für 50 Menschen wird das einstürzende Bauwerk zum Grab.

Aber auch für die Überlebenden wird das Inferno zum Trauma. Der Betonstaub macht das Atmen schwer, und wer aus dem zerstörten Bunker raus will, muss über Leichen steigen. Wer dazu noch in der Lage ist, hilft, die Verwundeten ins Freie zu tragen und auf dem gefrorenen Boden zu lagern. Es dauert zwei Stunden, ehe Hilfskräfte eintreffen und die Verletzten in die Mülheimer Krankenhäuser bringen.
Verletzte teilweise nach Oberhausen gebracht
Dort will man den Verletzten helfen, kann aber nur wenig tun. Aus Platzmangel müssen einige im Keller auf Stroh liegen. Um die Mülheimer Kliniken zu entlasten, werden einige Opfer des Luftangriffs nach Oberhausen gebracht.
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Einige von ihnen erleben eine Katastrophe nach der Katastrophe. Sie werden im Januar 1945 vor den weiter voranrückenden Truppen der Briten und Amerikaner in eine vermeintliche Sicherheit nach Osten evakuiert und müssen später vor der heranrückenden Roten Armee gen Westen fliehen, um zurück nach Mülheim zu kommen. Dort wird der Krieg am 11. April 1945 mit dem Einmarsch amerikanischer Truppen zu Ende gehen.
Provisorisches Kinderkrankenhaus in Mülheim zerstört, Patienten überleben
Mehr Glück und einen Schutzengel haben am 24. Dezember 1944 die Kinder, die im Haus Jugendgroschen behandelt und gepflegt werden. Das dort provisorisch eingerichtete Kinderkrankenhaus wird während des Luftangriffs zerstört. Doch die kleinen Patienten überleben, weil sie zeitgleich zu einer nahegelegenen Weihnachtsfeier eingeladen waren.

Ein halbes Jahr nach dem britischen Luftangriff auf den Flughafen in Raadt ist der Krieg zu Ende. Die britische Rheinarmee übernimmt als Besatzungsmacht auch in Mülheim die Kontrolle und macht den zerstörten Flughafen zum LKW-Parkplatz.
Das Erdgeschoss des zerstörten Bunkers wird ab 1947 als Lagerraum genutzt und 40 Jahre später abgerissen, um Platz für Einfamilienhäuser zu machen. Ab 1950 wird in Raadt wieder zivil und friedlich geflogen. Drei Jahre später startet mit einem deutsch-englischen Jugendaustausch Mülheims erste Städtepartnerschaft mit Darlington. Seit 1960 erinnert eine von der Siedlergemeinschaft am Flughafen gesetzte Gedenktafel am Sportplatz des SV Raadt an die Opfer des Luftangriffs vom 24. Dezember 1944.
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