Mülheim. „Gesellschaftliche Entwicklungen“ leiten den neuen Chef des Berufskollegs Stadtmitte, Markus Mühlhausen. Was er sich von der Politik erhofft.
Es war eine seiner ersten Entscheidungen und es war gleich eine, die Mülheim in zweifacher Hinsicht voranbringen soll: Der neue Leiter des Berufskollegs Stadtmitte, Markus Mühlhausen, stellte jüngst im Bildungsausschuss den zweijährigen Ausbildungsgang „Sozialassistent/in OGS“ vor. Das Berufskolleg reagiert damit auf die schwierige Personal-Situation im Bereich der offenen Ganztagsschule (OGS) und möchte zudem Menschen einen Weg auf den Arbeitsmarkt ebnen, die es dort bislang schwer hatten.
Auch wenn es kürzlich erfreuliche Nachrichten in puncto OGS-Ausbau gab und die Stadt zuversichtlich ist, den ab 2026 geltenden Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz umfänglich erfüllen zu können, ist die Situation weiter angespannt. „Und wir müssen alle dafür sorgen, dass wir die Aufgabe wirklich bewältigen können“, so Mühlhausen im ersten Interview seit seinem Amtsantritt Anfang Dezember. „Unser Beitrag besteht darin, entsprechendes Personal auszubilden. Wir brauchen die Leute ja dringend.“
Für den neuen Mülheimer Ausbildungsgang reicht der Schulabschluss nach Klasse 9
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Sozialassistent mit dem Schwerpunkt Erziehung, Bildung und Betreuung darf sich nennen, wer gelernt hat, wie er Kinder in Grundschule und Kindergarten fördert und durch den Alltag begleitet. Wer weiß, wie man beim Mittagessen hilft oder bei den Hausaufgaben, wer gut und gern mit den Kleinen spielt. All das lernt man in einer praxisnahen Ausbildung, die laut Mühlhausen „niederschwellig“ ist. Voraussetzung ist einzig der erste Schulabschluss nach Klasse 9. Es ist nicht entscheidend, wie alt Anwärter sind, ältere werden sogar gezielt angesprochen. Sowie Mütter und Väter, die noch Nachwuchs im Haus haben. Für sie verschiebt man gar die erste Schulstunde: „Normalerweise beginnen wir um 7.30 Uhr, die Sozialassistenten starten um 8.15 Uhr.“ Wichtig noch: Bildungsgutscheine lassen sich einsetzen. Und am Ende erwirbt man den mittleren Schulabschluss.
Der Ausbildungsgang „Ingenieurtechnik“ ist ab Sommer 2025 ebenfalls neu am Berufskolleg, ein vollschulisches Angebot, das aus den bislang separaten Bereichen Bau, Metall und Elektro erwachsen ist. „Bisher musste man sich vorab entscheiden, in welche Richtung man geht“, erklärt der Schul-Chef, „nun hat man deutlich mehr Zeit und lernt erstmal alles kennen.“ Anfangen kann jeder, der die Fachoberschulreife hat. Am Ende steht das Fachabi - und dann, mit hoffentlich deutlich mehr Reife, die Entscheidung für eine klassische Ausbildung oder ein Studium.
Für Mühlhausen ist es wichtig, „auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen zu reagieren“
Für Mühlhausen ist es wichtig, „auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen zu reagieren - wir sind da Dienstleister“. Seit rund einem Jahr arbeitet er sich an den Standorten Kluse und Von-Bock-Straße ein, war ab Ende 2023 schon kommissarisch im Amt und ist nun auch offiziell Nachfolger von Jörg Brodka, der nach Ratingen gewechselt ist. Verantwortlich ist er damit für 1500 Schüler und Schülerinnen sowie 85 Kollegen und Kolleginnen.
An der Uni Essen hat der Mülheimer Wirtschaftswissenschaften und Sport auf Lehramt studiert, ab 2001 dann am Erich-Brost-Berufskolleg unterrichtet. Fächer waren unter anderem Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen, also klassisch kaufmännische Disziplinen. So ging es ab 2018 auch in Düsseldorf weiter, als stellvertretender Leiter des kaufmännischen Berufskollegs Bachstraße. Dass es diesen Zweig an der neuen Wirkungsstätte nicht gibt, stört den 53-Jährigen wenig. Es mache Spaß, sich in Neues reinzufuchsen, die Angebote kennenzulernen und zu durchdringen.
„Hier packen die Leute an, hier passiert immer irgendwo etwas - das ist toll“
An der Kluse geht es um Naturwissenschaften und Technik, an der Von-Bock-Straße um Gesundheit und Soziales. Früher habe er vor allem klassisch unterrichtet, nun erlebe er deutlich mehr „Haptisches“, etwa Natur-Projekte wie den Bau von Vogelhäusern und Insektenhotels. Es sei spannend, Werkstätten zu besuchen oder mitzubekommen, wie junge Menschen für die Arbeit mit Kindern befähigt werden. „Hier packen die Leute an, hier passiert immer irgendwo irgendetwas - das ist toll.“ Ihm gefalle die Vielfältigkeit der beruflichen Bildung und der Abschlüsse „bis hin zum Bachelor“.
Zu verbessern gibt es trotzdem noch einiges. „Wir stehen im Wettbewerb mit Essen, Oberhausen, Duisburg. Da geht es um Ausstattung, um Inhalte - aber besonders auch um neue Kollegen.“ In den vergangenen Monaten habe er etwa versucht, Lehrer aus dem Bereich Maschinenbau für Mülheim zu gewinnen. Doch die hätten sich nach dem Besuch lieber für anderen Kommunen entschieden. „Das war enttäuschend“, liege aber wohl vor allem am Zustand der Gebäude und an der fehlenden Digitalisierung der Mülheimer Schulen. Anderswo gebe es da einfach einen höheren Standard.
Dem neuen Schulchef gefällt die Idee von einem Berufsbildungszentrum, einem allumfassenden Campus
Mühlhausen setzt darauf, dass der Austausch mit den Ämtern „so konstruktiv und zielführend“ bleibt, wie er ihn bislang erlebt hat. Man habe schon einiges erreicht, zum Beispiel digitale Tafeln angeschafft. „Insgesamt aber würde ich mir eine größere Lobby für die berufliche Bildung in Mülheim wünschen. Das ist ja auch ein Wirtschaftsfaktor für die Stadt.“ Und noch eine Idee treibe ihn um: „Die Politik sollte darüber nachdenken, ein Berufsbildungszentrum in Mülheim zu etablieren. Also nicht mehr drei separate Berufskolleg-Standorte zu haben, sondern nur noch einen einzigen Campus.“ In anderen Kommunen habe man das längst umgesetzt.
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