Mülheim. Von Zeit zu Zeit wird das Mülheimer Hospiz nach Todesfällen reich bedacht. Warum das für die Verantwortlichen nicht nur ein Grund zur Freude ist.
Einmal waren es 300.000 Euro, ein anderes Mal 100.000 Euro - und jetzt steht wieder eine sechsstellige Summe ins Haus. Von Zeit zu Zeit profitiert das Mülheimer Hospiz von großzügigen Erbschaften, oder auch mal von etwas kleineren. Manchmal sagen Menschen, die die letzte Phase ihres Lebens in dem Haus an der Friedrichstraße verbringen durften, auf diese Art und Weise Danke. Manchmal ist es ein letzter Gruß einer anonymen Person, die offensichtlich viel von der Einrichtung hielt. So oder so: Für Geschäftsführer Ulrich Schreyer ist das Geld ein Segen. Das Hospiz muss Jahr für Jahr einen beträchtlichen Eigenanteil aufbringen und hin und wieder auch etwas außerhalb der Reihe finanzieren.
„Leider gibt es nur wenige Erbschaften, wo wir hinterher das Gefühl haben: Das war jetzt nur gut“, sagt Schreyer. Immer wieder sei das Erben mit unschönen Erlebnissen verbunden. So passiere es, dass Wertgegenstände aus der Wohnung verschwinden. „Wenn wir das erste Mal vor Ort sind, ist schon Schmuck weg oder manch teures Gerät. Dann wissen wir, da war schon jemand, der dort nichts zu suchen hatte.“
Manchmal gibt es ein Vermächtnis, manchmal wird das Mülheimer Hospiz Haupterbe
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In manchen Fällen wird das von Monja Mika geleitete Hospiz mit einem Vermächtnis bedacht, mit einer Summe X. In anderen Fällen ist es Haupterbe, also Rechtsnachfolger der verstorbenen Person. „Dann bekommen wir alles, müssen aber oft noch Vermächtnisse abarbeiten“, so Schreyer. Leider habe man mit Neid zu kämpfen, „die Leute haben gleich Dollarzeichen in den Augen, da ist sofort diese Gier“. Dabei dürfe es doch nur einen Maßstab geben - „das, was der Verstorbene wollte“.
Die Enttäuschung, wenn Unbefugte sich schon bedient haben, ist groß. Und auch die Bürokratie kann herausfordernd sein, erzählt der Geschäftsführer. Das zeige der jüngste Fall: Vor über einem Jahr schon ist die Frau im Hospiz verstorben, die Schreyers Team eine Eigentumswohnung und eine bedeutende Summe hinterlassen hat. Es sind aber etliche Vermächtnisse zu erfüllen, und so arbeiten an dem Fall seit Monaten auch schon ein Anwalt und ein Testamentsvollstrecker. Die Zeit verrinnt - und mit ihr das Geld: Wenn alle im Testament festgelegten Ansprüche erfüllt sein werden und alle Fachleute befriedigt sind, „bleibt vielleicht die Hälfte übrig“. Das aber werde wohl immer noch ein sechsstelliger Betrag sein - also eine echte Hilfe.
„Das ist schon viel Arbeit und nicht immer so einfach, wie die bloße Summe vermuten lässt“
„Es ist viel Arbeit und nicht immer so leicht, wie die bloße Summe vermuten lässt“, lautet Schreyers Botschaft. Doch gibt es keinen Zweifel: „Die Freude überwiegt.“ Denn gerade mit einer Erbschaft lasse sich auch mal etwas Besonderes im Hospiz erledigen: So wurden in der Vergangenheit damit zum Beispiel zwei zusätzliche Zimmer geschaffen. Mit der aktuellen Erbschaft möchte man, so sie denn endlich zur Verfügung steht, den Garten auf Vordermann bringen. Eine riesige Blutbuche hat einen Pilz, muss vielleicht gefällt werden. Da müsse man sich etwas Neues einfallen lassen: „Unsere Gäste genießen es, draußen zu sein.“
Rund 2200 Menschen sind im Hospiz seit der Eröffnung im Jahr 2012 gestorben. Der Bedarf an Plätzen ist deutlich höher, weiß Schreyer, „ungefähr doppelt so hoch“, die Warteliste immer lang. Egal, ob Millionär oder Sozialhilfeempfänger, man biete „einen Raum der Würde für die letzten Lebenstage“. Das sei es, wonach sich die meisten Menschen am Ende sehnen. „Sie vertrauen sich uns an.“ Schreyer spricht von „Ehrfurcht vor dem Leben und dem Sterben“, jeder werde im Haus gleich behandelt. Jüngst wurde dieses übrigens weiter ausgebaut, eine neue Küche und ein gemütliches Speisezimmer wurden eingerichtet, warme Beleuchtung angebracht.
Hospiz-Geschäftsführer: „Manchmal habe ich schlaflose Nächte“
Bezahlen müssen die Gäste der insgesamt zwölf Zimmer nichts. Kranken- und Pflegekassen tragen den Großteil der Kosten. „Doch wir müssen einen Eigenanteil von fünf Prozent aufbringen.“ Etwa 250.000 Euro müsse man zusammentragen, um das Hospiz so führen zu können, wie man sich das vorstelle. Das werde immer schwieriger, „manchmal habe ich schlaflose Nächte deswegen“. Früher wurde oft in Todesanzeigen dazu aufgerufen, das Hospiz mit Spenden zu bedenken, „aber auch da ist viel weggebrochen“.
Immerhin: „Rund 1000 Mülheimer“ spenden verlässlich einmal im Jahr, auch der Förderverein treibt viel Geld auf. Und hin und wieder gibt es besagte Erbschaften. „Es ist ein Segen, dass doch viele Menschen an uns denken“, betont Klaudia Schmalenbach. Die Pfarrerin im Ruhestand ist seit Beginn Vorsitzende des Fördervereins und arbeitet als Seelsorgerin im Haus. Sie schwärmt auch von Aktionen wie einem privaten Garagenbasar, einem Kinder-Duathlon, einer Skatrunde, bei denen allesamt kleine Beträge gesammelt werden. „Auch dadurch leben wir.“
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