Mülheim. Trinkerszene, Sicherheit, Sauberkeit, schwindender Konsum: Ein Verband sieht viele Probleme in Mülheims Innenstadt. Wie er helfen will.

Der Einzelhandel stöhnt, immer mehr Branchenzweige gingen in die Knie, beobachtet der hiesige Handelsverband. Der Grund: Die zunehmende Kaufzurückhaltung der Verbraucher. Nicht nur Bereiche wie Textil- und Schuhhandel seien davon betroffen, längst habe auch der Lebensmittelbereich arg zu kämpfen. Selbst der Online-Handel spüre inzwischen Einbrüche.

„Die Kaufzurückhaltung ist nun auch deutlich im Mittelstand angekommen“, sagt Marc Heistermann, Geschäftsführer des Handelsverbands Nordrhein-Westfalen Ruhr, der auch für Mülheim zuständig ist. Weil jetzt eben auch die breite Masse der Verbraucher aus dem Bürgertum mehr und mehr aufs Geld achten müsse, bewertet Heistermann die aktuelle Lage für nahezu den gesamten Handel als schwierig. Mit Blick auf den Lebensmittelhandel sagt der Experte: „Da wird die Marge geringer. Wenn die Leute mehr zu den günstigeren Eigenmarken greifen, bleibt für den Händler weniger übrig.“

Mülheimer Verband: Auch Online-Handel spürt Umsatzeinbußen

Die Kaufzurückhaltung sei längst auch im Online-Handel angekommen, schildert Hartmut Buhren. Der Geschäftsführer der Hagebaumarkt Mülheim GmbH bekleidet ehrenamtlich die Position des Vorstandsvorsitzenden des Handelsverbandes und ist Vorsitzender der Ortsvereinigung Mülheim. Er sagt: „Die Flaute betrifft alle Mitgliedsunternehmen. Auch die Online-Händler klagen über Umsatzrückgang.“ Auch das sei eine Folge der Verunsicherung, die sich im Mittelstand, der bis dato als verlässliche Käuferschicht galt, breit mache. „Es gibt keine Planungssicherheit mehr“, erklärt Heistermann das Spar-Bestreben vieler.

Mit Blick auf die Mülheimer City, die für viele längst nicht mehr genug Anreize für einen Stadtbummel bietet, sagt Hartmut Buhren: „Wir verhindern in Mülheim, dass der Kunde komfortabel in die Stadt kommt. Dann weicht er aus - zum Centro oder ins Rhein-Ruhr-Zentrum.“ In Saarn funktioniere das Zusammenspiel von Einzelhandel und Autos auf der Düsseldorfer Straße schließlich auch, meint der Händler.

Wobei komfortable Erreichbarkeit im Übrigen nicht per se ans Auto geknüpft sein müsse, räumt Buhren ein und fordert: „Wir müssen auch die Voraussetzungen schaffen, damit die Innenstadt besser mit dem ÖPNV und dem Fahrrad zu erreichen ist. Dazu müssen wir zuerst die Alternativen attraktiver machen und dürfen dann erst das Auto verbieten - darin könnte ich noch einen Ansatz sehen. Andernfalls fährt der Kunde woanders hin.“

Mülheimer Innenstadt: Bunter Produktmix - aber überwiegend niedrigpreisig

Zum Angebot in der Mülheimer Innenstadt sagt Buhren: „Ob ein Geschäft attraktiv ist, ist immer eine Frage der Sichtweise: Wir haben attraktive Geschäfte in der Innenstadt - aber eben nicht für jeden. Der Produktmix ist interessant für die Klientel, die da wohnt und die das nachfragt.“ Selbst der Leerstand ist nach Buhrens Einschätzung nicht mehr so groß, doch sei das Sortiment längst nicht für jeden verlockend genug, um den Weg in die Innenstadt auf sich zu nehmen. Marc Heistermann sieht indes nur eine Chance für die Mülheimer Innenstadt, wenn der Produktmix ein breiteres Angebot mit besonderem Sortiment bereithalte - und eben nicht nur Niedrigpreisiges.

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Die Krux sei, sagt Heistermann: „Wer den Abgesang der Innenstädte anstimmt und die Vorwürfe über nachlassende Qualität vorbringt, sagt: Ich finde da nichts mehr. Das sind aber zumeist auch diejenigen, die die Standorte lange nicht mehr aufgesucht haben.“ Für eine florierende Innenstadt mit einem entsprechenden Einzelhandelsangebot brauche es einen Besucherstamm, der Kaufkraft mitbringe und ein hochwertigeres Sortiment nachfrage. Nur dann könnten auch die Händler verlässlich solch ein Angebot parat halten. „Wenn das eine nicht da ist, bleibt auch das andere aus und umgedreht.“

Sicherheit sei ein entscheidender Aspekt, damit die Mülheimer City florieren kann

Früher sei ein Handelsangebot quasi alternativlos gewesen. „Wer seinen Bedarf decken wollte, musste die Standorte aufsuchen. Darauf bin ich als Kunde nicht mehr angewiesen, sondern habe längst bequemere Möglichkeiten“, so der Chef des Handelsverbandes. Deshalb müssten sich die Innenstädte die Frage gefallen lassen, ob ihr Angebot attraktiv genug ist und Kunden selbst Erschwernisse - wie etwa durch mangelhafte Erreichbarkeit - in Kauf nehmen, um in die City zu kommen. Heute müsse das Gesamtpaket einer Innenstadt punkten, betont Heistermann und verweist auf den Erfolg der Veranstaltungsreihe „Schön hier“. Flankierende Events wie diese könnten Verbraucher in die Innenstadt locken, die alleine wegen des Einzelhandels nicht mehr kommen. „Das alleine für sich genommen kann aber auch nicht die Wende bringen.“

Hartmut Buhren und Marc Heistermann (v.l.) vom Handelsverband Ruhr, der auch für Mülheim zuständig ist, hören von ihren Verbandsmitgliedern, dass ihre Umsätze zurückgehen. Der Handel leidet unter der schwindenden Kaufkraft.
Hartmut Buhren und Marc Heistermann (v.l.) vom Handelsverband Ruhr, der auch für Mülheim zuständig ist, hören von ihren Verbandsmitgliedern, dass ihre Umsätze zurückgehen. Der Handel leidet unter der schwindenden Kaufkraft. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Wenn die potenziellen Kunden dann aber einmal zurück an den Standort gefunden haben, müssten grundlegende Aspekte wie Sicherheit und Sauberkeit stimmen, betont Heistermann die Wichtigkeit der Aufenthaltsqualität und spielt etwas auf die Trinkerszene an, die sich auf der unteren Schloßstraße aufhält. „Sobald da ein Unwohlsein aufkommt, sich Besucher nicht mehr sicher fühlen, kann man sofort einpacken.“ In anderen Städten, etwa in Essen, habe es geklappt, Maßnahmen anzustoßen, damit sich die Trinkerszene nicht zwingend da aufhält, wo es die Besucher abschreckt. Vergleichbare Denkansätze könnten wohl auch auf der Schloßstraße helfen.

Heistermann und Buhren pochen daher auf eine engere Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung, ansässigen Händlern und Gastronomen unter Einbeziehung des Handelsverbands, wie es in umliegenden Kommunen wie Essen und Oberhausen längst gängige Praxis sei. „Wir gucken über den Tellerrand und können Erfahrungen aus anderen Städten einbringen“, wirbt Heistermann für einen Arbeitskreis zum Einzelhandel, auch mit Blick auf eine sicherere Innenstadt: „Nachbarstädte sind da bereits deutlich weiter.“

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