Mülheim. Mit dem 11-PS-Gefährt bereiste der abenteuerlustige Marian Pautex (76) etwa Russland, die Mongolei und Asien. Was er auf seiner Tour erlebte.
Verrückter kann man beinahe nicht reisen: Mit einem Tuktuk um die halbe Welt. Marian Pautex hat‘s gemacht - in den vergangenen fünf Jahren hat er rund 60.000 Kilometer mit der dreirädrigen Ape abgerissen. Jetzt war der 76-Jährige, der selbst lange Zeit in Mülheim gelebt hat, zu einer Stippvisite in der Ruhrstadt - natürlich mit seinem „Flying Barrel“, seinem fliegenden Fass, und jeder Menge Erlebnissen im Gepäck.
Sie ist nicht zu übersehen, wie sie da farbenfroh angemalt und bunt beklebt mit allerlei Aufklebern am Rande der Mendener Straße steht, die umgebauten Ape, die wie ein Schneckenhaus ein großes Weinfass auf ihrem Auflieger trägt. Dieses kuriose Gefährt war rund fünf Jahre lang Fortbewegungsmittel und Zuhause von Marian Pautex. Bis an die chinesische Grenze ist der ehemalige Mülheimer damit getuckert. „Aber da haben sie mich nicht reingelassen.“
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Mit rund 30 km/h für der einstige Mülheimer bis an die chinesische Grenze
Doch der Reihe nach - schließlich hat ein Reisender, der fünf Jahre lang unterwegs war und beinahe 60.000 Kilometer gefahren ist, jede Menge erlebt und entsprechend viel zu erzählen. Etwa wie er überhaupt auf die irre Idee gekommen ist, ausgerechnet mit einem motorisierten Dreirad, das gerade mal elf PS hat und mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 bis 30 km/h unterwegs ist, um die Welt zu fahren. „Mich haben zwei Radfahrer aus Berlin inspiriert, die mit ihren Rädern bis nach Shanghai gefahren sind“, blickt Marian Pautex zurück. Doch komplett nacheifern wollte er den Radreisenden nicht, denn: „Ich muss gut schlafen können und immer genug Essen und Wasser dabei haben.“
Da liegt der Schluss nahe, statt auf ein Fahrrad auf ein Wohnmobil zu setzen. Doch Pautex winkt ab: „Das ist nichts für mich. Da sitzt man hoch oben und guckt auf die Menschen herunter.“ Das sei nicht seine Art, betont der abenteuerlustige Senior. Seine Ape, sein Tutktuk habe ihm indes ermöglicht, mit den Menschen auf Augenhöhe zu sein. „So bin ich mit jedem, auch den einfachen Menschen am Straßenrand, ins Gespräch gekommen.“ Das sei es gewesen, worum es auf seiner Reise ging - mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Bedrohliche Situationen habe er in all der Zeit nicht erlebt, stattdessen aber jede Menge bereichernde Begegnungen erfahren. Der Reisende, der einst eine kleine Baufirma hatte, schätzt: „Wenn jemand mit solch einem Ding vorbeikommt, vermuten die meisten wohl, dass man sowieso nichts hat.“ Das schnuckelige Fahrzeug sei vielmehr ein Sympathieträger.
Unterschlupf bietet dem ehemaligen Mülheimer ein überdimensioniertes Weinfass
Zwei Jahre lang hatte er zuvor an seiner Ape gebastelt, um sie für die große Tour auszurüsten. „Daraus ist vorher Wein und Käse verkauft worden“, zeigt Pautex auf das ehemalige Weinfass, das ihm als Unterschlupf diente. Wenn er die eine Seite wie ein Vordach aufstellt, gibt das den Blick frei aufs Innere mit einer winzig kleinen Küchenecke mit Gaskocher und ausklappbarer Arbeitsplatte samt Spülbecken und fließendem Wasser. Dahinter eine Koje, die dem großgewachsenen Mann mit der kräftigen Statur als Bett diente. „Theorie und Praxis lagen teils schon weit auseinander“, sagt der Tuktuk-Fahrer, der einst als Jugendlicher bei den Pfadfindern Campingerfahrung gesammelt hatte. „Ich hatte Sachen mitgenommen, die ich gar nicht brauchte - etwa einen Holzofen. Sowas habe ich dann auf der Reise verschenkt.“
Los ging die große Reise mit dem kleinen Gefährt vor rund fünf Jahren von Leipzig aus, wo Marian Pautex zuletzt wohnte, nachdem er als junger Mann Mitte der 60er Jahre aus Oberschlesien nach Mülheim gekommen war und hier 30 Jahre lang gelebt hat. Sein Bruder ist immer noch in der Ruhrstadt zu Hause.
Mit der 11-PS-Ape die steilen Berge des Kaukasus hoch
Zuerst galt es, Europa zu durchqueren, in östlicher Richtung. Doch wenige Monate nach seinem Start bremste Corona Pautex aus: „Da saß ich sieben Monate auf Zypern fest.“ Durch die Türkei und über Georgien ging es schließlich weiter bis zur Krim. „Damals herrschte dort noch kein Krieg“. So weit zu fahren und später nach Russland zu gelangen, bedeutete für die 11-PS-Ape auch, den Kaukasus zu überqueren.
„Das hat sie geschafft, wenn auch nur im ersten Gang. Aber einmal bin ich einen Berg nicht hochgekommen, weil der 22 Prozent Steigung hatte. Da hab ich Gepäck ausgeladen, es selbst hochtragen und das Tuktuk im Rückwärtsgang hochgefahren“, berichtet Pautex lachend. Auch umgekippt sei sein Fahrzeug das ein oder andere Mal - doch tatkräftige Helfer ließen nie lang auf sich warten.
Wie etwa in der Mongolei, dem Land, das ihn mit der Weite seiner Landschaft am meisten beeindruckte: „Da kommt man sich vor wie ein Cowboy im Wilden Westen.“ Mitten im mongolischen Nirgendwo war die Ape kaputtgegangen, seine Versuche, das Gefährt alleine wieder ans Laufen zu bringen, scheiterten. Also saß er tagelang fest - zum Glück versorgt mit genug Nahrung und Wasser. Pautex blieb nichts anderes übrig als zu warten - und schließlich kam ein Lkw-Fahrer vorbei, der ihm das fehlende Werkzeug in die Hand drückte. Große Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft habe er erlebt, erzählt der Weltreisende. „Einmal bin ich mit der Ape im Matsch stecken geblieben und alleine nicht mehr rausgekommen - das war auch mitten in der Mongolei. Da hat eine Hochzeitsgesellschaft angehalten, alle haben mitangepackt und die Ape rausgezogen haben.“
Den 75. Geburtstag feierte der Abenteurer am Strand in Thailand
Zig solcher Geschichten könnte er erzählen - sie sind das Gold seiner Reise. „In Russland war ich insgesamt etwa ein Jahr lang, in Kasachstan und der Mongolei jeweils drei Monate. Dann ging es bis nach Sibirien und in den östlichsten russischen Zipfel nach Wladiwostok“, vervollständigt er die Route vor dem Sprung nach Asien. Von dort nahm Pautex die Fähre nach Südkorea, während das Tuktuk per Schiff nach Bangkok reiste. „Das hat Wochen gedauert. Schließlich habe ich in Thailand am Strand meinen 75. Geburtstag gefeiert.“
Dass er auch noch drei Monate durch Australien und Tasmanien getourt ist - ohne das Tuktuk, weil der Transport zu teuer gewesen wäre - erwähnt Pautex fast nur am Rande „Das war das schlimmste Land, die Leute sind so reserviert.“ Also gings zurück nach Malaysia. „Eigentlich wollte ich über den Landweg zurück über Myanmar, Indien, Pakistan etc. zurück Richtung Europa, aber das ging schon alleine wegen der Lage in Afghanistan nicht.“ Also stieg er wieder ins Flugzeug und reiste bis nach Istanbul. Sein Tuktuk folgte Wochen später mit dem Schiff.
Rückweg über Land blieb dem Tuktuk-Reisenden versperrt
In der Türkei - abseits der Touristenzentren, das betont Pautex - habe er die nettesten Menschen getroffen. Die Verständigung übrigens habe nicht nur mit Händen und Füßen funktioniert, sondern vor allem mit einer Übersetzungsapp auf dem Handy. „Das geht heute so einfach“, sagt der 76-Jährige, auf dessen Visitenkarte, „Traveler“ steht - Reisender. „Ob ich irgendwo eine Woche oder gleich zwei Monate blieb, spielte keine Rolle. Ohne Zeitlimit unterwegs zu sein, ist das Beste, was es gibt“, sagt er nach den fünf Jahren. Viele, viele Eindrücke hat er gesammelt und auf seinem Handy festgehalten, auf Fotos und auf Videos. „Eigentlich wollte ich das auf YouTube stellen, aber ich weiß nicht, wie das geht.“ Sollte jemand Marian Pautex dabei helfen wollen, vermitteln wir als Redaktion gern den Kontakt: redaktion.muelheim@waz.de , Stichwort Tuktukfahrer Pautex.
Und nun? Seine Zeit auf dem Sofa vorm Fernseher abzusitzen, das will Marian Pautex auf gar keinen Fall. Weiter mit dem Flying Barrel, dem fliegenden Weinfass reisen, möchte er allerdings auch nicht. „Inzwischen wird mir das zu unbequem“, sagt er und deutet auf das Schneckenhaus mit der engen Pritsche. Doch ihm juckt es schon wieder in den Füßen, stillsitzen ist nicht sein Ding. „Vielleicht jetzt doch ein Wohnmobil für Touren durch Europa“, sinniert Pautex und schmeißt die Tür der Ape hinter sich zu. Als das kleine Gefährt laut knatternd lostuckert, schaut sein Bruder Andreas versonnen hinterher und sagt: „So fährt der jetzt 500 Kilometer bis Leipzig - zwei Tage lang.“
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