Mülheim. Einen Marathon der besonderen Art hat Andreas Weymann von Marathon & Triathlon Mülheim absolviert – und nun Lust auf mehr bekommen.
Schlafen auf dem Boden, Essen aus der Dose und laufen bis die Füße bluten. Was für viele nach dem absoluten Albtraum klingt, lässt die Augen von Andreas Weymann strahlen. Nachdem er sich im vergangenen Jahr den Traum eines jeden Triathleten erfüllt hat und beim Ironman in Hawaii an den Start gegangen ist, musste in diesem Jahr eine neue Challenge her.
Und die hat er gefunden: In vier Tagen 165 Kilometer. Klingt für mich erstmal schon verrückt genug, aber beim „Oman Desert Marathon“ hat der Mülheimer die 165 Kilometer bei brühender Hitze in der Wüste des Oman zurückgelegt.
„Oje“, schießt es mir durch den Kopf, als Andreas mir entgegenkommt: „Ob ich da mithalten kann?“ Wir starten unseren Lauf in Richtung Ruhrauen und ich habe schon ein wenig Angst: Wie lang ist wohl so ein Trainingslauf von einem Triathleten und Marathon-Läufer? Doch direkt die ersten Worte von Andreas beruhigen mich: „Die Leute denken immer, ich würde zig Kilometer im Training zurücklegen.“ Gleichzeitig überraschen seine Worte mich auch: „Aber ich habe gar keinen Trainingsplan.“
Mülheimer nutzt Alltagsbewegung als Marathontraining
Er gehe vielleicht einmal am Wochenende laufen, mehr Training lasse sein Arbeitsalltag überhaupt nicht zu. Das wirft Fragen bei mir auf: Einmal die Woche laufen gehen und dann schafft er einen Marathon – durch die Wüste? „Ich versuche, mich so viel wie möglich im Alltag zu bewegen“, erklärt Andreas und winkt ab: „Außerdem versuche ich ja gar nicht, der Schnellste zu sein.“
Warum er mit dem Laufen angefangen hat? „Gute Frage“, sagt er lachend und zuckt mit den Schultern. Damals habe er Marathonläufer selbst noch für „bescheuert“ gehalten. Aber als er vor acht Jahren mit dem Rauchen aufgehört hat, wollte er sich einfach ein bisschen mehr bewegen. Schnell ist ihm dann das reine Laufen zu langweilig geworden. „Und dann habe ich halt meinen ersten Triathlon ausprobiert.“
Mit einem Zwölf-Kilo-Rucksack durch die Wüste
„Angefixt“ von den ersten Wettkämpfen hat es Andreas für seine Läufe immer häufiger ins Ausland getrieben, „weil ich sowieso total gerne reise und so beides kombinieren kann.“ Und dann kam im letzten Jahr die verrückte Idee, in die Wüste zu wollen. „Davor hatte ich schon noch anders Respekt als bei den ersten Läufen“, gibt Andreas zu. Schließlich habe er überhaupt nicht gewusst, was ihn im Oman erwartet.
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Messer, Lampe, Spiegel, Kompass – zwölf Kilo im Rucksack hatte er während seiner Wüstentour auf dem Rücken. Und das Wichtigste: das Essen. Spaghetti Bolognese und Kartoffelpüree aus der Dose. „Da hatte ich schon Bedenken, wie das schmecken würde“, erinnert sich Andreas Weymann. Aber: „Ich war total begeistert“ sagt er lachend und ergänzt: „Das lag vielleicht auch daran, dass ich froh war, überhaupt etwas zu bekommen.“
Marathon als Ort der Völkerverständigung
Ich werfe einen Blick auf meine Uhr: Sieben Kilometer sind wir schon gelaufen. Andreas hat so viel zu erzählen, dass ich kaum merke, wie die Zeit vergeht. Er erzählt, dass er nachts kaum schlafen konnte, „weil mein Nachbar im Zelt so laut geschnarcht hat.“ Ich muss lachen, als Andreas sagt, dass er um vier Uhr nachts vom Morgengebet der Einheimischen geweckt worden ist und dass er gemeinsam mit Italienern, Ukrainern und Franzosen mitten in der Wüste einen Kuchen gegessen und den Geburtstag eines Mitläufers gefeiert hat. Ich bin fasziniert, als er davon erzählt, dass er nachts bei völliger Dunkelheit durch einen Sturm gelaufen ist und sich die Frage gestellt hat: „Wann ist das hier endlich vorbei?“
Bei all seinen Erzählungen bleibt Andreas bescheiden: „Das klingt alles erstmal schlimmer und größer als es ist.“ Er habe gemerkt, dass die meisten Dinge viel kleiner würden, wenn man sie nur einfach mal machen würde. Im Oman hat dem Mülheimer vor allem die Gruppe geholfen, die Wehwehchen auszuhalten und weiterzumachen. 37 Leute sind dort am Ende im Ziel angekommen, „da leidet man mit jedem und freut sich für jeden mit.“ Was für andere eine Qual gewesen wäre, sieht Andreas positiv. So erzählt er zum Beispiel, dass es während der Tour in der Wüste „nur“ 35 Grad heiß geworden sei und winkt erneut ab: „Total erträglich.”
Nächstes Jahr geht’s weiter: Sahara
Als wir gerade auf die Ruhrtalbrücke zulaufen, beschreibt Andreas, welche Momente er von dem Wüsten-Marathon nie vergessen wird: „Der Sonnenaufgang am Horizont, diese Weite und sonst nichts“, erinnert er sich. „Das macht etwas mit dir.“ Da habe sogar er ein bisschen mit den Tränen kämpfen müssen, als er ins Ziel gekommen ist. Und auch deswegen: Ans Aufhören denkt Andreas noch lange nicht. Im nächsten Jahr will er sogar in der Sahara laufen, auch wenn das sicher noch mal eine ganz andere Herausforderung für ihn wird. „Ich bin halt so geflasht von der Wüstentour, ich muss einfach weitermachen.“
Als ich das nächste Mal auf meine Uhr schaue, bin ich ein bisschen stolz: 15 Kilometer. Theoretisch könnte ich Andreas noch stundenlang zuhören, aber „ich kann nicht mehr“, denke ich und verabschiede mich von ihm. Während ich jetzt erstmal ein Päuschen einlegen muss, winkt Andreas mir und läuft – natürlich im Laufschritt – wieder Richtung Heimweg.