Mülheim. Erst im April wurde eine Straße in Mülheim für neue Stromleitungen aufgerissen, nun schon wieder - aber für Glasfaser. War das unbedingt nötig?

Eigentlich würde sich Anwohner Manfred Liese über den Glasfaserausbau vor seiner Haustür an der Nesselbleck in Saarn freuen. Der schreitet schnell voran: Bagger öffnen einen schmalen Graben in der Straße, dahinter wird zügig alles wieder zugemacht. Der Ingenieur Liese sieht da allerdings einen Haken: Der Ausbau erfolge an falscher Stelle, deshalb hat Liese bei der ausführenden Firma Widerspruch eingelegt.

Denn noch im vergangenen April habe ein Unternehmen im Auftrag von Westnetz die Straße schon einmal auf der linken Seite aufgerissen, schildert Liese, und ein Hauptkabel für die Stromversorgung gelegt. Deutlich sieht man auf der Straße noch die frisch asphaltierten Stellen, wo man die Abzweige zu den Häusern der gegenüberliegenden Seite gelegt hat.

Mülheimer Ingenieur kritisiert: „Jeder neue Kabelverleger kommt mit eigenem Kanal daher“

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Doch jetzt wird die Saarner Nebenstraße zum zweiten Mal in kurzer Zeit geöffnet und im Auftrag von Westconnect - an der übrigens Eon-Tochter Westnetz beteiligt ist - ein Längskanal für die Glasfaser-Leitung geschaffen, nur eben entlang der gegenüberliegenden, rechten Seite. Für den Ingenieur ist das ein unbegreiflicher Wildwuchs: „Jeder neuer Kabelverleger kommt mit seinem eigenen Kabelkanal daher. Das ist aus ingenieurmäßiger Sicht unsinnig und planungstechnisch chaotisch“, kritisiert Liese.

Korrekt und üblich dagegen wäre ein einziger Kabelkanal längs der Straße, meint der Ingenieur, so wie er eben schon durch den Stromnetz-Betreiber existiere. Denn auf diese Weise ließen sich auch Kreuzungspunkte zwischen Leitungen vermeiden. So aber müsse das Glasfaser-Netz am Stromkabelkanal vorbei gelegt werden und umgekehrt. Einen „Kabelsalat“ nennt Ingenieur Liese das. Und wendete sich an das ausführende Mülheimer Unternehmen auch mit dem Hinweis, er werde die Arbeiten einer sachverständigen Überprüfung unterziehen lassen.

Anwohner in Mülheim haben Sorge, wie die Straße hinterlassen wird

Liese ist nicht der Einzige, der sich an dem Vorgehen stört: „Das sagen hier viele. Ich verstehe auch nicht, warum man alles zweimal aufreißt. Das sind doch alles zusätzliche Kosten“, meint ein Bewohner beim nachmittäglichen Rasenmähen in der Siedlung. Zumal manche noch verärgert über die Arbeiten im April seien, weil anschließend die Vorgärten im schlechten Zustand hinterlassen worden seien, auch das Pflaster sei schlecht verlegt worden: „Schauen Sie mal: die Wellen“, zeigt er den Distelweg rauf.

Auch jetzt seien die Informationen, wann, wo, wie lange gearbeitet werde, zu dürftig. Die ganze Siedlung sei gerade aufgescheucht, weil mit dem Weiterziehen der Baukolonne auch ständig andere Parkplätze gesperrt seien. Die andauernde Parkplatzsuche schaffe zudem Unmut zwischen Anwohnern.

Mülheims Verwaltung sieht ihre Hände gebunden

Der Appell, diesen „unkontrollierten Wildwuchs“ aus Kabelkanälen zu stoppen, ist bislang offenkundig unbeachtet verhallt. Die Arbeiten gehen jedenfalls weiter wie geplant.

In einer Stichstraße der Nesselbleck sind die Arbeiten schon abgeschlossen worden.
In einer Stichstraße der Nesselbleck sind die Arbeiten schon abgeschlossen worden. © Dennis Vollmer | Dennis Vollmer

Und auch bei der Stadt scheint man nicht einschreiten zu können, aber auch nicht zu wollen: „Nach rechtlichen Maßstäben ist das Vorgehen nicht zu beanstanden. Zudem gehören Strom- und Telekommunikationsleitungen aufgrund notwendiger Abstände untereinander nicht in einen Kabelgraben“, antwortet die Verwaltung auf Anfrage der Redaktion.

Stadt ist selbst nicht begeistert: „Abgekoppelte Bautätigkeit ist schädlich“

Gleichwohl begrüßt die Stadt die geäußerte Kritik der Bürger am - ungeregelten - Glasfaserausbau in vielerlei Hinsicht: „Die voneinander abgekoppelte Bautätigkeit ist aus mehreren Gründen schädlich: In den öffentlichen Straßenraum wird mehrfach eingegriffen, verbunden mit Nutzungseinschränkungen, Lärm und meist auch mit Verschlechterungen für die Gehwegoberflächen.“

Auch die wirtschaftlichen Nachteile lägen, aus Sicht der Stadt, auf der Hand: Die Kosten für eine doppelte Infrastruktur und Bautätigkeit seien hoch und müssten später von den Unternehmen eingefahren werden - in der Regel über die Verbraucherpreise.

„Mehr Kooperationen zwischen Unternehmen“ - doch wer hört den Appell?

Nur: Gesetzlich sei die Stadt, obwohl sie die Genehmigungen für den Ausbau erteilen muss, wohl nicht in der Lage einzugreifen - weder, was die Mitnutzung fremder Infrastruktur, noch, was den Doppelausbau von Glasfasernetzen anbelange. „Denn tatsächlich liegt der Gestaltungsspielraum bei den Unternehmen“, sagt eine Pressesprecherin der Stadt. Man stehe mit den Telekommunikationsunternehmen in Kontakt und appelliere, über Kooperationen nachzudenken.

Im konkreten Fall lägen beide Auftraggeber - Westconnect und Westnetz - sogar quasi Tür an Tür. Auf Anfrage bei Westnetz, warum man diesen Ausbau nicht koordiniere, verweist diese auf das Tochterunternehmen. Das antwortet, man wolle sich den Fall anschauen.

Dass sich ein Umdenken an der Nesselbleck in Saarn aber jetzt noch einstellt, scheint hingegen unwahrscheinlich. Längst hat sich die Baukarawane dort weiterbewegt, gut 50 Meter Glasfaserkabel kann ein Trupp in nur einem Tag unter die Straße bringen.

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