Mülheim. Ein Mülheimer Pflegeheim wurde der Heimaufsicht gemeldet - dort gab es Nachtdienste ohne Fachkräfte. Was die Betreiber jetzt ändern wollen.
Sie arbeitet seit einigen Jahren in diesem Pflegeheim, als Fachkraft, wie sie versichert. Sie ist dort nicht glücklich, fühlt sich von Führungskräften „schlecht behandelt“, spricht gar von „Mobbing“. Nicht immer kommen Menschen im Arbeitsleben gut miteinander aus.
Nach einer Nachtschicht Mitte Juli aber war bei ihr eine rote Linie überschritten. Sie zeigte ihren Arbeitgeber, das Evangelische Wohnstift Dichterviertel in Mülheim, bei der WTG-Behörde an, besser bekannt als Heimaufsicht. Es geht um Mängel bei der personellen Besetzung. Im Nachtdienst soll keine einzige Fachkraft im Haus gewesen sein, so die Vorwürfe der Mitarbeiterin.
Mülheimer Altenheim: Mitarbeiterin beschwert sich über personelle Mängel
Der Name der Altenpflegerin ist der Redaktion bekannt, sie möchte nicht, dass er öffentlich genannt wird. Sie steht auch im persönlichen Gepräch zu ihrer massiven Kritik. In besagter Nachtschicht seien nur drei ungelernte Pflegehelfer im Dienst gewesen. „In der Nacht mussten zwei Leute ins Krankenhaus gebracht werden, mit Verdacht auf Darmverschluss, und es ist keine Fachkraft da gewesen.“
Sie habe sich bei der Heimaufsicht beschwert - was die Mülheimer WTG-Behörde auf Anfrage bestätigt. Dort heißt es: „Aufgrund einer anonymen Eingabe einer Mitarbeitenden zur personellen Besetzung“ habe man am 23. Juli 2024 eine Prüfung im Wohnstift Dichterviertel durchgeführt. Zwei Tage später habe eine erneute Begehung im Haus stattgefunden, inklusive fachlicher Beratung zu den festgestellten Mängeln und zu ihrer Beseitigung.
Heimaufsicht: Mehrere Nachtdienste ohne geeignete Fachkraft
Die Heimaufsicht prüfte die Pflegedokumentation und Dienstpläne im Pflegeheim. Ergebnis: An einigen Tagen im Juli und auch an weiteren Tagen im laufenden Jahr sei keine geeignete Fachkraft im Nachtdienst anwesend gewesen. Damit hat das Evangelische Wohnstift gegen Vorschriften des Wohn- und Teilhabegesetzes (WTG) verstoßen - eine Ordnungswidrigkeit.
Das Altenheim in Mülheim-Eppinghofen gehört zur Ategris-Unternehmensgruppe, ebenso wie unter anderem die Evangelischen Wohnstifte Uhlenhorst und Raadt und das Evangelische Krankenhaus Mülheim. Zu den nun aufgefallenen personellen Mängeln erklärt eine Ategris-Sprecherin, tatsächlich seien in drei Nächten hintereinander, vom 17. bis 20. Juli, Dienste ohne Fachkraft gelaufen.
Personelle Situation im Wohnstift Dichterviertel eigentlich „sehr gut“
Der Grund seien kurzfristige Krankheitsfälle gewesen und offenbar „falsche Rücksichtnahme“ der Mitarbeitenden, die sich wohl zugetraut hätten, die Schichten als erfahrene Leute auch alleine zu schaffen, so die Sprecherin. „Eine examinierte Kraft hatte sich krank gemeldet. Die Pflegedienstleitung hätte in diesem Fall sofort angerufen werden müssen. Doch da besteht wohl eine Hemmschwelle.“ Darüber müsse man jetzt reden.
Die Pflegedienstleitung (PDL) ist letztlich auch verantwortlich. Es ging um mehrere Nachtdienste hintereinander. Wann die PDL über die Lücken informiert wurde, konnte die Sprecherin nicht sagen. Generell sei die personelle Situation im Wohnstift Dichterviertel „sehr gut“, heißt es bei Ategris. „Wir beschäftigen dort auch keine Zeitarbeitskräfte, weil wir genügend Personal haben.“ Aktuell sei das Haus voll belegt. 101 pflegebedürftige Menschen leben dort.
Dienstpläne müssen vorgelegt werden, bisher kein Bußgeld
Die Heimaufsicht kann auch ein Bußgeld verhängen, wenn Häuser gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen. Im Fall des Wohnstiftes Dichterviertel sei das jedoch nicht passiert, heißt es dort. Man habe die Auflage erteilt, jederzeit, auch nachts, eine Fachkraft einzuplanen und einzusetzen.
Außerdem müssen die Dienstpläne des Hauses bis auf Weiteres der Behörde vorgelegt werden. „Erst bei Zuwiderhandlung gegen die Anordnung wird ein Zwangsgeld erhoben.“
Fachkraftquote auch in anderen Einrichtungen gelegentlich unterschritten
Personalmangel ist auch in anderen Mülheimer Pflegeheimen immer wieder ein Problem. Das bestätigt die WTG-Behörde. Teilweise werde tagsüber auf einzelnen Wohnbereichen ohne examinierte Fachkraft gearbeitet. Doch das sei noch keine Ordnungswidrigkeit. Das WTG erlaubt, dass Fachkräfte bereichsübergreifend aushelfen. „Die Besonderheit im Dichterviertel ist die fehlende Fachkraft im Nachtdienst“, heißt er ergänzend von Seiten der Heimaufsicht.
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Gelegentlich werde die Fachkraftquote auch bezogen auf die ganze Einrichtung unterschritten. Meist entschieden sich die Häuser dann freiwillig für einen Belegungsstopp - bis sie die Quote wieder erfüllen können. Diese „Notbremse“ musste etwa Ende 2023 der Senioren-Park Carpe Diem in Mülheim-Speldorf vorübergehend ziehen.
Idee: „Hintergrunddienste“ für den Krankheitsfall
Damit sich Vorfälle wie jetzt im Wohnstift Dichterviertel nicht wiederholen, will der Betreiber Ategris ein neues System einführen: „vorgeplante Hintergrunddienste“. Künftig stehe dann immer jemand auf Abruf bereit. „Wenn sich jemand krank meldet, weiß die Schichtleitung sofort, wen man anrufen kann“, so die Unternehmenssprecherin. Dies müsse allerdings noch mit dem Personalmanagement abgesprochen werden.
Und für die Fachkräfte wären solche Bereitschaftsdienste eine zusätzliche Belastung. Man überlege, eine besondere Zulage zu zahlen, heißt es bei Ategris - „eine Einspringpauschale, ähnlich wie in Krankenhäusern“.
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