Mülheim. Eine Ausstellung in Essen beleuchtet die Kinogeschichte im Ruhrgebiet. Mülheim hatte einst 15 Lichtspielhäuser. Woran erinnern sich Kino-Fans?

Erinnern Sie sich noch an Helge Schneiders erste Filmrolle? Er spielte 1986 den ungeschickten Elektriker Johnny Flash, der sich zum Schlagersänger berufen fühlt. Regisseur der Ruhrgebietsklamotte war ebenfalls ein Mülheimer: Werner Nekes, der weltweit bekannte Vertreter des Avantgardefilms. „Das Albernste, was ich jemals gemacht habe“, kommentierte er damals seine Musik-Groteske, die durchaus auch etwas Experimentelles an sich hatte.

Die Kinogeschichte im Ruhrgebiet beleuchtet jetzt eine große Ausstellung im Ruhr Museum in Essen (bis März 2025). „Glück auf - Film ab!“ heißt sie und nimmt auch die Kino- und Filmhistorie in Mülheim mit in den Blick. Das Mülheimer Stadtarchiv und Filmschaffende aus Mülheim wie etwa Rainer Komers, Reinald Schnell oder eben „00 Schneider“ haben Informationen und Exponate mit eingebracht. „Wir haben zugeliefert, vor allem Fotos aus unseren Beständen haben die Ausstellungsmacher genutzt“, berichtet Archivar Jens Roepstorff, der 2016/17 selbst eine Ausstellung zur bewegten Mülheimer Kinogeschichte konzipierte und präsentierte.

Das ehemalige Kino „Löwenhof“ an der Eppinghofer Straße. Es machte 1972 zu. Heute ist an dieser Stelle ein Parkplatz.
Das ehemalige Kino „Löwenhof“ an der Eppinghofer Straße. Es machte 1972 zu. Heute ist an dieser Stelle ein Parkplatz. © WAZ | WAZ-Archivbild

Ur-Mülheimer kommen ins Plaudern. Haben Sie auch eine Kinogeschichte zu erzählen?

Mit dem Kino verbindet wohl jeder eine persönliche Geschichte. Kommen Ur-Mülheimerinnen und Ur-Mülheimer älteren Datums zusammen, wird immer wieder mal über alte Filme und frühere Kinos geplaudert. „Die langen Filmnächte am Kassenberg waren legendär. Da schaute man sich drei bis vier Filme hintereinander an - bis in die frühen Morgenstunden“, erinnert sich beispielsweise Horst (65), damals vermutlich um die 20 Jahre alt. Dieter (68) weiß noch, dass es in der Bachstraße das „Moderne Theater“ gab, in dem sehr anspruchsvolle Kinokost geboten wurde, die aber „leider nur wenige sehen wollten“.

Kino-Ausstellung in Essen

Die Ausstellung „Glückauf - Film ab! Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets“ ist bis zu 2. März 2025 im Ruhr Museum in Essen, Gelsenkirchener Straße 181, zu sehen.

Anlass ist das 100-jährige Bestehen des Filmstudios „Glückauf“ in Essen-Rüttenscheid. Es ist das älteste original erhaltene Kino in NRW.

900 Exponate zeigen die Geschichte des Kinos im Revier auf. Es gibt auch ein Filmprogramm zur Ausstellung - und einen Katalog

Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr. Eintritt: 10 Euro (erm. 7 Euro), Kinder und Jugendliche unter 18: frei, Studenten mit Ausweis: frei. Info: ruhrmuseum.de

Dass der „Löwenhof“ – von 1927 bis 1972 an der Eppinghofer Straße in Betrieb (gegenüber der heutigen Sparda-Bank) – ein beeindruckender Bau war, der 1980 einer neuen Verkehrsführung zum Opfer fiel, kann Marion (58) beitragen. Klaus (64) denkt schmunzelnd an das Sex-Kino zurück, dass es früher im City Center (heute Forum) gab. „Da bin ich als Jugendlicher mit meinen Freunden natürlich rein, wir waren ja neugierig. Aber irgendwie hat man den Film gar nicht richtig verfolgt, weil man Angst hatte, dass jemand reinkommen könnte, den man kennt“, erzählt er.

Die Kasse des Ufa-Palastes, später Palasttheater, an der Schloßstraße in Mülheim im Jahre 1947.
Die Kasse des Ufa-Palastes, später Palasttheater, an der Schloßstraße in Mülheim im Jahre 1947. © Stadtarchiv Mülheim

Ende der 50er Jahre gab es 15 Kinos in Mülheim – viele in den Stadtteilen

Manche verließen den Kinosaal mit einem ungemütlichen Gefühl.: „Nach ,Alien 1‘ hatte ich Angst, zu Hause ins Bad zu gehen, es hätte ja ein Außerirdischer dort aus der Toilette kommen können“, erzählt Frank (64) lachend. Andere spürten eher Schmetterlinge im Bauch. „In der Kamera an der Schloßstraße habe ich Händchen gehalten“, denkt Petra (55) an eine erste Liaison zurück. Im Kino-Center Schloßstraße (später: Cine Factory) existierte einst auch ein Saal, in dem man Rauchen konnte: das „Smoky“.

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Während es aktuell nur noch zwei Kinos in Mülheim gibt – das Mulitplexcenter Cinemaxx im Rhein-Ruhr-Zentrum und das Filmkunsttheater „Rio“ im Medienhaus – war zu Glanzzeiten des Kinos die Auswahl für die Fans bewegter Bilder richtig groß. Das erste professionelle Haus wurde übrigens schon Ende 1907 eröffnet: das Thalia-Theater an der Leineweberstraße. Bis etwa 1927 bot man noch Stummfilme. Ende der 20er Jahre gab es sechs Lichtspielhäuser in der Stadt, Ende der 50er sogar 15 – viele von ihnen draußen in den Stadtteilen. „Eine Familie aus Oberhausen etwa führte zwei Kinos in Styrum - das „Odeon“ an der Oberhausener und das „Viktoria“ an der Schwerinstraße“, berichtet Archivar Jens Roepstroff in einem Fachaufsatz zum Thema.

Ein Programmheft des früheren Kinos „Löwenhof“ in Mülheim. Früher gab es zu vielen Filmen solche Broschüren.
Ein Programmheft des früheren Kinos „Löwenhof“ in Mülheim. Früher gab es zu vielen Filmen solche Broschüren. © Stadtarchiv Mülheim

Das „Rixi“ in Selbeck oder das „Odeon“ in Styrum zogen die Menschen an

Weitere Vorortkinos waren in den 50ern das „Scala“ an der Duisburger Straße, das „Apollo“ in Speldorf, die „Ruhr Lichtspiele“ in Heißen, das „Central“ und das „Resi“ in Dümpten, die „Lichtburg“ in Saarn und das „Rixi“ in Selbeck. „Es war das goldene Jahrzehnt der Lichtspielhäuser. Auf der Suche nach Unterhaltung strömten die Menschen nur so in die Kinos“, weiß Jens Roepstorff. Fernsehen, Videos oder gar Streamingdienste machten Leinwand und Projektor damals noch keine Konkurrenz. Die Menschen interessierten sich nicht nur für Spielfilme, sondern auch für Dokumentationen jeder Art.

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In der Mülheimer Innenstadt wurden im Zweiten Weltkrieg alle Lichtspielhäuser zerstört. Ende der 50er sah es dort aber ganz anders aus: Das „Palast-Theater“ an der Schloßstraße (zuvor UFA-Palast), der „Löwenhof“ an der Eppinghofer, die „Kamera“ an der Schloßstraße, das „Moderne Theater“ an der Bachstraße und das „Corso“ an der Aktienstraße zogen viele Interessierte an. Bis in den 60ern ein langsames Kinosterben begann, auch in Mülheim. Das Kinocenter an der Schloßstraße (zuletzt mit den Teilkinos Kamera, Smoky, Cinema und Studio) hielt noch länger durch, machte erst 1989 dicht. Im City Center (später Forum) wechselte das Kino oft Namen und Besitzer. Zuletzt hieß es „Filmpassage“ – bis es Anfang 2022 schloss. Die jüngeren Mülheimerinnen und Müheimer werden hier spannende Blockbuster und andere Leinwandstreifen verfolgt haben.

Das Kino „Viktoria“ in Mülheim machte 1950 mobil Werbung für einen neuen Film.
Das Kino „Viktoria“ in Mülheim machte 1950 mobil Werbung für einen neuen Film. © Stadtarchiv Mülheim

Mülheimer Plakatmaler fertigte Reklametafeln für neue Filme im UFA-Palast an

Wer war Dore O.? Was hinterließ Werner Nekes? Welche Filme aus und über Mülheim gab es? Was verband Helge Schneider mit Christoph Schlingensief? Hinweise dazu findet man in der Essener Ausstellung. Gezeigt wird auch ein eindrucksvolles Foto, das den Grafiker und Plakatmaler Gerhard Ilg bei der Arbeit zeigt. Er entwarf und fertigte einst kleine bis riesige Reklametafeln für neue Filme und bestückte mit seinen Werken die Wände des UFA-Palastes (später Palast-Theater) an der Schloßstraße.

Wenn es um die (früheren) Mülheimer Kino geht, haben sicherlich viele Mülheimerinnen und Mülheimer etwas zu erzählen oder sogar zu zeigen. So manche(r) wird auch einen heimischen Schauspieler oder Filmemacher kennen oder gekannt haben. In unserer Zeitung würden wir gerne ein paar persönliche Kino-Geschichten erzählen. Deshalb unsere Fragen: Was haben Sie im Kino schon alles erlebt? Welcher Film ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben? War das Kino ein Ort, um anzubandeln? Welches Mülheimer Lichtspielhaus hat Sie besonders beeindruckt? Haben Sie möglicherweise sogar Programmhefte oder Plakate gesammelt?

Wir freuen uns, wenn Sie sich bei uns melden unter Telefon 0208 4430831 oder redaktion.muelheim@waz.de

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