Köln. Die legendäre Sammlung des Filmers Werner Nekes wurde von der öffentlichen Hand angekauft, aber zerschlagen. Nun sieht man einen Trümmer in Köln.
Als die weltweit begehrte Sammlung des 2017 gestorbenen Filmemachers Werner Nekes mit rund 25.000 Objekten zur Geschichte des Sehens vor zwei Jahren von seiner Erbin verkauft wurde, war eine große Chance vertan. Mülheim, mindestens aber das Land NRW hätte ein Museum zur Vorgeschichte der Filmkunst haben können. Selbst größere Museen in Tokio, London, Köln, Los Angeles, Monaco oder Wien gerieten bei Sonderausstellungen mit Nekes’ Wunder-Sammlung an die Grenzen ihres Fassungsvermögens.
Werner Nekes sammelte vom Guckkasten bis zum Fernseher
Es geht um 2400 optische Geräte vom barocken Guckkasten über die klassische Laterna magica, Schattenfiguren aus Java und Bali, der Türkei und Ägypten, über Perspektivtheater, optisches Spielzeug, allerfrüheste Filmapparate aller Art bis zum ersten Serien-Fernseher von 1926; hinzukommen 5500 Bücher, teils aus dem 15. Jahrhundert, sowie 15.500 Grafiken, Fotos, Postkarten, Zerrbilder. Die Verhandlungen um den Verbleib dieser ebenso wissenschaftlichen wie spektakulären Sammlung mündeten in einen Offenbarungseid der föderalen Kulturpolitik in Deutschland.
Für den wohl mehrere Millionen Euro schweren Ankauf taten sich mit der Kulturstiftung der Länder vier Kulturministerien von Bund, NRW, Hessen und Brandenburg, drei weitere Stiftungen und die Mittelbrandenburgische Sparkasse zusammen. Ergebnis: Die Sammlung wurde auf drei Standorte verteilt: Die Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität Köln auf Schloss Wahn (50 Prozent), das Deutsche Filmmuseum Frankfurt/Main (29 Prozent) und das Filmmuseum Potsdam (21 Prozent). Die so zerstückelte Sammlung soll eine gemeinsame Internet-Plattform bekommen (steht noch aus); aus ihren Beständen soll zudem eine Ausstellung gebildet werden, die „dann weltweit touren soll“ (steht noch aus). Einzelne Stücke waren für die Dauerausstellung des Frankfurter Filmmuseums und das Schaudepot in Potsdam vorgesehen.
Schloss Wahn liegt übrigens so weit vor den Toren der Stadt, dass es nicht einmal eine Kölner Telefon-Vorwahl hat. Geöffnet: dienstags und donnerstags für je sieben Stunden; allerdings muss man sich eine Woche zuvor per E-Mail anmelden.
Wallraf-Richartz ergänzt um Bilder aus der eigenen Sammlung
Die Folgen der Sammlungs-Zerstückelung sind nun im Kölner Wallraf-Richartz-Museum zu besichtigen: Dort lässt die Ein-Raum-Kabinett-Ausstellung „Sensation des Sehens“ nur eine Ahnung davon aufkommen, was für ein Pfund ein eigenes Nekes-Museum hätte werden können: Der Guckkasten von 1730 mit dem Koloss von Rhodos, aus Spiegel und Linsen, Holz und Messing, so robust, dass er von Jahrmarkt zu Jahrmarkt getragen werden konnte. Oder das Engelbrecht’sche Perspektiv-Theater aus derselben Zeit, das
durch fünf mit Abstand gestaffelte, ausgeschnittene Einzelblätter vor einem gemeinsamen Hintergrund beim Sehen räumliche Tiefe erzeugte. Oder das „Chinesische Feuerwerk“, das aus drei Kerzen besteht, die einen bemalten Zylinder in Bewegung setzen, so dass man entweder Hexen auf dem Besen oder farbige Streifen sieht.
Im Wallraf-Richartz hat man die äußerlich eher unscheinbaren Nekes-Apparate, von denen einige per Knopfdruck ausprobiert werden können, um sinnfällige Malerei und Kunst aus eigenen Beständen angereichert, etwa das atemberaubend räumliche Gemälde „Quodlibet mit Briefen, Kämmen und blauer Papierrolle“ aus dem Jahr 1675. Oder den armen Heiligen Laurentius aus dem 17. Jahrhundert, der auf einer Tafel aus Kalksintergestein so geschickt gemalt ist, dass es bei Hinterleuchtung mit einer Kerze so aussieht, als würden die Flammen auf dem Bild glühend heiß lodern. Wer in dem Heiligen das Gesicht von Werner Nekes zu erkennen glaubt, erliegt natürlich einer optischen, wenn auch naheliegenden Täuschung.