Mülheim. Mülheimer Lebensmittelhändler und Gastronomen engagieren sich gegen Verschwendung - und sparen Müllgebühren. Auch Kunden können mithelfen.

Anja Schellberg ist eine der bekanntesten Foodsaver der Stadt und seit vielen Jahren in der Szene aktiv. Woche für Woche fährt sie zu Mülheimer Händlerinnen und Händlern, um Lebensmittel abzuholen, die dort nicht mehr verkauft werden, um sie danach an andere Foodsaver zur Verwertung weiterzureichen.

„Die Lebensmittelmengen, die von den Händlern abgegeben werden, sind leicht zurückgegangen“, erklärt sie. Es gebe allerdings je nach Jahreszeit Schwankungen. „Auch Ferienzeiten habe einen Einfluss“, sagt Schellberg. Die Zahl der Mülheimer Betriebe, die sich beteiligen, steige und der Grund dafür liege nah. „Die Betriebe profitieren von unserer Arbeit, indem sie ihre Müllgebühren senken können. Denn es kommt nur noch in den Abfall, was wirklich nicht mehr zu verwenden ist.“

Mülheimer MEG informiert über Lebensmittelverschwendung

Die Vorschriften rund um die Entsorgung von Biomüll sind ziemlich streng. „Eine Vermischung von Gewerbeabfällen mit Bioabfällen ist nur zulässig, soweit die getrennte Sammlung der jeweiligen Abfallfraktion technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist“, teilt die Mülheimer Entsorgungsgesellschaft (MEG) mit. Dies könne allerdings fast ausgeschlossen werden, so dass Bio-Abfall in der Regel getrennt kostenpflichtig entsorgt werden muss – genau wie Restmüll oder die Wertstoffe, die in die Gelbe Tonne kommen.

„Zusätzlich informieren wir bei unseren Veranstaltungen, wie zum Beispiel den Schulführungen und der Junior-Uni, über die Problematik und wie man unter anderem durch intelligentes Einkaufen und einen ,gelasseneren‘ Umgang mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum Lebensmittelverschwendung verringern kann“, so die MEG.

Edeka Paschmann: Verschwendung „unter allen Umständen vermeiden“

Falk Paschmann, Geschäftsführer des Mülheimer Familienunternehmens Edeka Paschmann, sieht Lebensmittelverschwendung als etwas, dass es „unter allen Umständen zu vermeiden“ gilt. „Nicht nur, weil es in unserem eigenen wirtschaftlichen Interesse ist, keine Lebensmittel zu verschwenden bzw. zu entsorgen, sondern auch, weil es ein gesamtgesellschaftliches Thema und eine Aufgabe ist, besonders in diesen Zeiten.“ In seinen Märkten werde daher nur so viel Ware bestellt, wie man bis zur nächsten Lieferung brauche. „Besonders bei Obst und Gemüse und anderen frischen Produkten macht eine längere Lagerung das Produkt bei uns im Markt ja nicht besser“, betont Paschmann.

Falk Paschmann ist Geschäftsführer des Mülheimer Familienunternehmens Edeka Paschmann. Dessen Supermärkte arbeiten mit der Initiative Foodsharing zusammen.
Falk Paschmann ist Geschäftsführer des Mülheimer Familienunternehmens Edeka Paschmann. Dessen Supermärkte arbeiten mit der Initiative Foodsharing zusammen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Wenn doch mal was übrigbleibe oder nicht mehr ganz toll aussehe, dann gebe es bei Edeka Paschmann trotzdem keine Lebensmittelverschwendung. „Wir arbeiten mit den jeweiligen Tafeln der Städte zusammen, in denen wir unsere Märkte haben, und im Besonderen auch mit der Initiative Foodsharing, die sehr regelmäßig alle Standorte anfahren und alles mitnehmen, was noch zu verwerten ist.“ So werde tatsächlich nur noch das entsorgt, was nicht mehr essbar ist, so Paschmann, und selbst das gehe seines Wissens noch zur Verwertung in eine Biogas-Anlage.

Lidl bietet „Rettertüten“ zum Preis von drei Euro an

Lidl beantwortet die Anfrage dieser Redaktion nach Maßnahmen gegen Verschwendung sehr ausführlich. Das Programm „Lidl-Lebensmittelrettung“ habe das Ziel, Lebensmittelverluste und den organischen Abfall im Unternehmen bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren, schreibt der Discounter. Das Unternehmen sei Mitglied im „Pakt gegen Lebensmittelverschwendung“, womit es sich zu verschiedenen Maßnahmen und Zielen verpflichtet habe. Dazu gehöre der Ausbau der Weitergabe noch verzehrfähiger Lebensmittel. „Im Jahr 2023 arbeiteten 98 Prozent unserer Standorte mit den örtlichen Tafeln oder anderen gemeinnützigen Organisationen zusammen“, so Lidl.

Zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung gehörten auch gute Kalkulationen für Warenbestand und Abverkauf sowie Preissenkungen für Artikel kurz vor und am Mindesthaltbarkeitsdatum. „Die sogenannte ,Rettertüte‘ mit äußerlich weniger perfekten, aber verzehrfähigen Obst- und Gemüseprodukten zum Einheitspreis von drei Euro ist dauerhaft in allen über 3.250 Lidl-Filialen in Deutschland erhältlich“, erklärt der Discounter. „Lediglich Lebensmittel, die beschädigt sind oder das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, werden als Tierfutter verarbeitet oder über einen Vergärungsprozess in Biogasanlagen zu Bio-Methan und Strom umgewandelt. Die Gärsubstrate werden zusätzlich als Dünger in der Landwirtschaft verwendet und tragen damit zur Neuproduktion von Lebensmitteln bei“, lässt Lidl verlauten.

Aldi Süd verkauft auch loses Obst und Gemüse

Auch Aldi Süd ist Mitglied im „Pakt gegen Lebensmittelverschwendung“. Dort verweist man auf viele verschiedene Maßnahmen wie ein intelligentes Bestellvorschlagssystem, das eine bedarfsgenaue Bestellung ermögliche. „So sind die Waren tagesaktuell frisch und ausreichend verfügbar, wobei gleichzeitig weniger weggeworfen wird.“ Der flächendeckende Verkauf von losem Obst und Gemüse ermögliche den Kundinnen und Kunden, genau die benötigte Menge zu kaufen. Auch Aldi Süd biete einige Produkte nahe dem Haltbarkeitsdatum oder mit Schönheitsfehlern zu einem reduzierten Preis an.

Nicht mehr verkäuflich, aber genießbar: Solche Lebensmittel werden auch in Mülheim von Discountern gespendet.
Nicht mehr verkäuflich, aber genießbar: Solche Lebensmittel werden auch in Mülheim von Discountern gespendet. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

„Alle nicht mehr verkaufs-, aber noch verzehrfähigen Lebensmittel werden in der Regel gespendet“, erklärt das Mülheimer Unternehmen. „Nahezu alle Filialen spenden Lebensmittel an wohltätige Organisationen.“ Zudem pflege man eine besondere Partnerschaft mit den örtlichen Tafeln und gebe auf der eigenen Internetseite Tipps und Rezepte zur Rettung von Lebensmitteln.

Vermeidung von Lebensmittelabfällen in der Gastronomie gehört schon zur Ausbildung

„Die Vermeidung von unnötigen Lebensmittelabfällen gehört zum Handwerkszeug eines jeden Gastronomen“, erklärt Thorsten Hellwig, Pressesprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA). Es liege in der Natur der Sache, so zu kalkulieren, dass mit der richtigen Portionsgröße und einer professionellen Einkaufspolitik Lebensmittelabfälle vermieden werden. Dies sei fester und wichtiger Bestandteil der gastronomischen Aus- und Weiterbildung. „Lebensmittel verschwenden möchte niemand“, so Hellwig. Der DEHOGA unterstütze seine Mitglieder durch unterschiedliche Angebote zum Thema und unterstütze auch die Initiativen „Zu gut für die Tonne“ und „United against Waste – gemeinsam gegen Verschwendung“.

In Nordrhein-Westfalen ist das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz (MLV) für das Thema Lebensmittelverschwendung zuständig und arbeitet nach eigenen Angaben darauf hin, die Lebensmittelabfälle bis 2030 zu halbieren und Lebensmittelverluste zu reduzieren. Ein vom Ministerium gefördertes Projekt hat das Ziel, bei jungen Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Familien die Kompetenzen im Umgang mit Lebensmitteln zu stärken. Dazu würde Hintergrundwissen zur Lebensmittelverschwendung, aber auch zur Produktion und Verarbeitung, mit praktischen Ratschlägen zur Abfallvermeidung verknüpft. Weitere vom MLV geförderte Projekte zielen auf die Verringerung von Lebensmittelabfällen in Kantinen und den Ausbau der Tafel-Logistikzentren.

Wählerische Kundschaft mit hohen Ansprüchen fördert Verschwendung

Es gibt zahlreiche Ursachen für Lebensmittelverschwendung. Dazu gehören wählerische Kundinnen und Kunden mit hohen Ansprüchen, die zudem nicht immer die Mengen kaufen, die sie auch rechtzeitig verwerten können, aber auch alte Gewohnheiten im Einkaufsverhalten des Handels. Andererseits wurde das Problem erkannt, ist zunehmend in der Öffentlichkeit präsent und wird von Vertretern und Vertreterinnen aller Beteiligten bekämpft.

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