Mülheim. Eskaliert der Streit um die Bundestagskandidatur bei den Mülheimer Grünen? Kurz vor der entscheidenden Versammlung melden sich Ehemalige zu Wort.

Erst musste auf Druck der Vorstand der Partei zurücktreten, dann der kontroverse Eingriff in ein EU-Wahlplakat und schließlich der deutliche Weckruf zur Europawahl mit nahezu einer Halbierung der Wählerstimmen: Doch statt nun auf Geschlossenheit zu setzen, kommen die Mülheimer Grünen intern nicht zu Ruhe. Der offene Streit um das Bundestagsmandat 2025 und damit die Lagerbildung wird offenbar weiter eskaliert. Für Montag kündigt sich eine harte Kampfabstimmung um Björn Maue und Franziska Krumwiede-Steiner an.

Denn weiterhin soll der Parteivorstand daran festhalten, seinen Kandidaten Maue zur Mitgliederversammlung am 24. Juni zu empfehlen, nicht aber die aktuelle Mülheimer Bundestagsabgeordnete. In der Alten Dreherei stoßen daher beide Lager unversöhnt aufeinander. Es droht eine scharfe Debatte zwischen zwei qualifizierten Kandidierenden, womöglich mit Gesichtsverlust für beide, befürchten Beobachter - ganz gleich, wer die Mehrheit für sich gewinnt.

Zwei „Architekten“ des Erfolgs der Mülheimer Grünen melden sich zu Wort

Zu den Beobachtern zählen zwei Grüne „Architekten“, die den starken Aufstieg der Partei 2020 maßgeblich mitgestaltet haben: der ehemalige Fraktionsvorsitzende Tim Giesbert und der ehemalige Parteivorsitzende Fabian Jaskolla. Beide hatten Partei und Fraktion im Wahlkampf und auch danach zusammenrücken lassen. Die Grünen erlebten in dieser Zeit einen bisher ungekannten Zuwachs an Mitgliedern. Die Hoffnung der Wähler auf den Erhalt von Natur, auf eine andere Verkehrs- und Klimapolitik war groß. Und nun?

Fabian Jaskolla, ehemaliger Vorstandssprecher des Mülheimer Kreisverbandes, zeigt sich alarmiert über den aktuell Zustand seiner Partei.
Fabian Jaskolla, ehemaliger Vorstandssprecher des Mülheimer Kreisverbandes, zeigt sich alarmiert über den aktuell Zustand seiner Partei. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

In einem offenen Brief äußern sich Giesbert und Jaskolla (beide traten aus privaten Gründen zurück) zum offenbar kritischen Zustand des Mülheimer Grünen-Kreisverbandes - mit dem Ziel, eine Kampfabstimmung noch in letzter Minute zu verhindern.

Im Wortlaut heißt es darin: „Lange Zeit haben wir uns mit öffentlichen Äußerungen zu Entwicklungen der Mülheimer Grünen zurückgehalten. Es gehört zum guten Ton, den Nachfolger:innen den Raum zu lassen, eigene Wege zu gehen, auch Fehler zu begehen und daraus zu lernen.

„Wir hätten ein solches Ausmaß an destruktiver Energie nicht erwartet“

„Wir sehen die aktuelle Entwicklung mit großer Sorge“, sagt Tim Giesbert, ehemals Chef der Grünen-Fraktion in Mülheims Stadtrat.
„Wir sehen die aktuelle Entwicklung mit großer Sorge“, sagt Tim Giesbert, ehemals Chef der Grünen-Fraktion in Mülheims Stadtrat. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Gleichwohl hat uns die Grüne Partei in Mülheim lange geprägt, sie ist Teil von uns und wir fühlen uns dem Kreisverband nach wie vor verbunden. Und deshalb sehen wir uns inzwischen auch in der Pflicht, das Wort zu ergreifen, ist doch seit geraumer Zeit zwischenmenschlicher Zwist im Mülheimer Kreisverband zu beobachten.

Das, woran wir gemeinsam mit so vielen von euch in den letzten Jahren erfolgreich mitwirken konnten, wird innerhalb von kürzester Zeit infrage gestellt. Noch zu unserer aktiven Zeit haben sich viele Konflikte angedeutet, doch hätten wir nicht erwartet, dass ein solches Ausmaß an destruktiver Energie über den Kreisverband einbrechen würde. Der Mangel an Gemeinsinn, die Orientierung an Eigeninteressen und persönlichen Ambitionen, persönliche Verletzungen und das Fehlen gemeinsamer inhaltlicher Ziele haben zu einem problematischen Umgang im Kreisverband geführt, in welchem inzwischen ein Freund-Feind-Denken dominiert.

Ex-Chefs der Partei und der Fraktion appellieren zu einem Kurswechsel

Als wir 2018 einen großen Wechsel im Kreisverband hatten, sind Fraktion und Vorstand wieder näher zusammengerückt. Hierin lag eine große Stärke, die uns mit zum Wahlerfolg 2020 getragen und kreative Arbeit und positive Entwicklung ermöglicht hat. Das Zusammenrücken von Fraktions- und Vorstandsspitze war maßgeblich und hat ein vertrauensvolles und erfüllendes Arbeiten möglich gemacht.

Leider wurde dieser Weg verlassen. Wir sehen die aktuellen Entwicklungen mit großer Sorge und appellieren an alle guten Willens zu einem Kurswechsel. Erinnert euch daran: Warum seid ihr den Grünen beigetreten? Aus einem echten inhaltlichen Antrieb? Lasst uns die Vielfalt grüner Geschichten wieder zu einer gemeinsamen Erzählung zusammenflechten!

Ex-Chefs hoffen, „dass wir wieder zum aufrichtigen Miteinander zurückfinden“

Die kommende Mitgliederversammlung mit ihrer Entscheidung über die Bundestagskandidatur ist nichts weniger als eine Richtungsentscheidung über die weitere Entwicklung des Kreisverbandes. Wir hoffen darauf, dass wir wieder zu dem aufrichtigen Miteinander zurückfinden, das uns lange ausgezeichnet hat, und damit wieder eine sozialökologische Politik ermöglichen, die verbindet und Menschen zusammenbringt. Die Herausforderungen sind groß und wir sind der absoluten Überzeugung, dass unsere schöne Stadt am Fluss eine starke geeinte grüne Stimme braucht! Lassen wir sie nicht verstummen!“

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