Moers. Vor allem Männer spielen Schach. Im Schachfreunde Moers e.V. gibt es nur zwei Frauen. Sie wissen, wie es ist, in einer Männerdomäne zu spielen.

Grelles Licht scheint von oben auf die vielen quadratischen Tische im Raum. Nur das Tropfen der Kaffeemaschine ist zu hören, obwohl sich mehrere Personen gegenübersitzen. Ihre Blicke sind nach unten gerichtet, auf das Spielfeld vor ihnen. Die Stirn ist gerunzelt, eine Hand ist an die Schläfe gelegt. Ab und zu schweifen die Augen in Richtung Uhr. Dann wieder zum Brett. Auch das ist quadratisch: schwarze und weiße Felder, immer abwechselnd. Den Freitagabend mit Schach verbringen vor allem: Männer.

Der Verein Schachfreunde Moers e.V. hat 68 Mitglieder – nur zwei davon sind Frauen. Knapp unter drei Prozent also. Damit liegt der Verein deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von rund zehn Prozent. Aber auch diese aufgerundeten zehn Prozent zeigen, dass Frauen deutlich unterrepräsentiert sind. Um Mädchen und Frauen für den männerdominierten Sport zu begeistern, sind weibliche Vorbilder essenziell. Das wissen auch die zwei Vereinsmitglieder und Schachspielerinnen Brigitte Reiter und Regina Weihofen.

Diskriminierung im Schach? Zwei Spielerinnen aus Moers erzählen

„Da fiel einmal der Satz ,Oh, für eine Frau spielen Sie aber gut.‘“

Brigitte Reiter

Ob die beiden schon einmal diskriminiert wurden (und dazu gehören auch beiläufige Kommentare): „Nein“, sagt Regina rasch. Aber Brigitte überlegt länger, meint, dass sie erst durch die Anfrage der Redaktion wirklich über Fehlverhalten im Schach nachgedacht hat. Sie blickt nach oben, und zwei unangebrachte Aussagen fallen ihr ein: „Ja, von manchen Männern wird man anders behandelt. Da fiel einmal der Satz ,Oh, für eine Frau spielen Sie aber gut.‘ Ein anderes Mal: ,Heute spiele ich ja gegen zwei Damen‘.“ Jetzt fällt auch Regina etwas ein: „Ein älterer Mann meinte mal zu mir, dass er nicht gerne gegen eine Frau spielt.“

Beide Frauen sind sich einig, dass es früher schlimmer war als heute. Und dass solche Kommentare „ganz, ganz selten von älteren, eingefahrenen Herren“ kommen, fügt Regina hinzu.

Weibliche Vorbilder im Schach: Darum sind sie wichtig

Als Regina vor zwölf Jahren den Schachfreunden Moers beitrat, war sie die einzige Frau. Die ehemalige Bankkauffrau hatte auch in ihrem Beruf mehr mit Männern als mit Frauen zu tun. Da sie sich im Beruf traute, sich durchzusetzen, fiel ihr der Sprung in den männerdominierten Schachverein leichter, erzählt sie. Brigitte kam erst Jahre später dazu.

„Ohne Vorbilder fühlen sich junge Mädchen nicht bewogen, mit dem Schachspielen anzufangen.“

 Fabian Zahn

Dabei spielt Brigitte leidenschaftlich Schach, seitdem sie 16 ist. In Borbeck gab es damals eine reine Mädchenmannschaft, „das hat die ganze Sache erleichtert. Ich weiß nicht, ob ich sonst dabeigeblieben wäre“, erinnert sie sich. Das Problem, weibliche Vorbilder oder Mitspielerinnen zu finden, existiert leider noch heute so.

Vorbilder sind aber wichtig für den Sport. Das weiß auch Fabian Zahn, Vorstandsmitglied des Vereins: „Ohne Vorbilder fühlen sich junge Mädchen nicht bewogen, mit dem Schachspielen anzufangen.“ Der blondhaarige junge Mann nennt ein Beispiel: Die deutsche Fußballmannschaft gewinnt die Weltmeisterschaft – Jeder will Fußball spielen. „Deswegen sind Vorbilder so wichtig, weil sich alle daran orientieren“, erklärt er. Wenn eine deutsche Schachspielerin die Weltmeisterschaft gewinnen würde, ist er sich sicher, gäbe es auch in Deutschland einen Hype. „Warum boomt Schach wohl in Indien so?“, fragt er berechtigt.

Warum spielen so wenig Frauen Schach? Für den Verein Schachfreunde Moers e.V. sind fehlende Vorbilder ein Grund dafür.
Warum spielen so wenig Frauen Schach? Für den Verein Schachfreunde Moers e.V. sind fehlende Vorbilder ein Grund dafür. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Männerdomäne Schach: Auch in Moers ein Problem

Warum aber sind nicht einmal ein Zehntel der im Deutschen Schachbund organisierten Schachspielenden Frauen? Laut Fabian Zahn liegt es unter anderem daran, dass die Schachweltmeisterschaft erst um 1970 für deutsche Frauen zugänglich war. „Schach war zwar nie verboten, aber damals herrschte ein anderes Frauenbild. Es gab Männerclubs, die für Frauen nicht offen waren. Für sie gab es kein organisiertes Training“, erklärt er.

Dazu komme, dass das gesamte Lehrmaterial in der Schachgeschichte von Männern für Männer entwickelt wurde. „Das sind nicht die richtigen Trainingsbedingungen für Frauen“, fügt er hinzu.

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Wie muss Schach gestaltet sein, um für Frauen interessant zu sein? Diese Frage beschäftigt das Vorstandsmitglied. Noch immer ist der Schachverein in Moers ein „fast reiner Männerverein“, betont er. Deutschlandweit ist es schon ausgewogener, aber noch nicht genug. Und das, obwohl die erfolgreiche Netflix-Serie „The Queen‘s Gambit“ – mit einer schachspielenden Frau in der Hauptrolle – und der Corona Lockdown – bei dem viele Zeit für neue Hobbys hatten – den Schachsport und den Frauenanteil förderten. Er wünscht sich auch in Moers mehr Heterogenität im Schach. Brigitte und Regina können sich vorstellen, warum das noch immer schwierig ist.

„Ich glaube, viele Frauen haben Respekt davor, die Tür zu öffnen, wenn sie wissen, dass viele Männer hier sind“, meint Regina. Sie rät allen, sich zu trauen, auch wenn sie noch nicht so viele Schachkenntnisse haben. „In der Regel ist immer eine von uns beiden da“, ergänzt sie.

Brigitte zögert einen Moment, sagt dann aber entschlossen: „Ich würde gern einen Schachkurs für Anfängerinnen machen. Nicht nur für Mädchen, sondern auch für Frauen.“

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