Düsseldorf. 160 Kinder im Grundschulalter samt Anhang treten nach Weihnachten zur Deutschen Vereinsmeisterschaft U10 im Schach an. Das erzählen Teilnehmer.
Die Luft dürfte knistern in der Jugendherberge Düsseldorf, wenn vom 27. bis 29. Dezember 160 Kinder im Grundschulalter aus ganz Deutschland in Oberkassel zur Deutschen Vereinsmeisterschaft U10 antreten. Vor allem aber wird es im Raum trotz dreier Reisebusladungen Minderjähriger still sein, denn sie messen sich im Schach.
„Das ist für uns schon etwas Tolles, dieses Turnier ausrichten zu dürfen“, sagt Jan Werner, Vorsitzender des Düsseldorfer Schachklub DSK 1914/25. Die Vorfreude sieht man ihm an beim Besuch im Trainingszentrum des Vereins: Der trifft sicht jeden Freitagabend im Pfarrsaal der Kirchengemeinde St. Adolfus in Pempelfort. Auch interessant: Männerdomäne Schach: Wie ein Verein Mädchen begeistern will
Düsseldorfer Schachklub trainiert in Pempelforter Kirchengemeinde
Laut geht‘s da nur in Pausen zu, schildert Jugendwart Ralph Buchholz: „Dann toben die Kinder draußen im Hof“ - ansonsten sitzen sie konzentriert paarweise an den Tischen vor je einem Brett und lösen Aufgaben, die ihnen zum Beispiel Jugendtrainerin Tatjana Rosenfeld an einer Tafel stellt oder die sie in einem Lehrheft zuhause erarbeitet haben - „möglichst ohne Brett, nur durch Betrachten der Aufgabe und Nachdenken“, beschreibt Buchholz: „Dadurch werden sowohl das Wiedererkennen typischer Angriffsmuster geschult oder auch das Vermögen ausgebaut, taktische Verwicklungen berechnen zu können.“
Die Fortgeschritteneren unter ihnen sitzen einen Raum weiter beim ukrainischen Schachgroßmeister Alexander Berelowitsch, Schach-Profi des DSK, wo es um tiefere Einblicke ins „Spiel der Könige“ geht, etwa die Eröffnungslehre, laut Verein „das A & O des Schachs“; den Titel Großmeister erhalten nur sehr starke Spieler, die sich auf Turnieren gegen hochklassige Gegner bewiesen haben. Er gilt lebenslang.
U10-Schachspieler: Sein Vater hat ihm gezeigt, wie man die Figuren zieht
„In der Kita hab‘ ich schon die Figuren bewegt“, sagt Nathan aus dem DSK-Vereinsmeisterschaftsteam und Viertklässler aus Knittkuhl. Als er fünf wurde, habe ihm sein Vater gezeigt, „wie man die Figuren zieht.“ Er freut sich auf die Meisterschaft und hat im Schach noch viel vor: „Mein Ziel ist es, Weltmeister zu werden“, sagt er mit festem Blick. Aber, „zu viele Ziele möchte ich mir auch nicht machen“, meint er: „Dann hat man zu viel Druck und kann nicht so gut spielen.“ Klingt sehr reif für einen Neunjährigen.
„Mein Ziel ist es, Schach-Weltmeister zu werden“
Was ihn am Schach reizt? „Man bleibt immer ruhig“, sagt Nathan, „und man kann in einer Partie seinen Emotionen freien Lauf lassen.“ Das mag schwer nachzuvollziehen sein, wenn man selbst keinen Bezug zu diesem Spiel hat. „Spiel“ aber trifft es wohl auch nicht, denn im Verein ist Schach ein Wettkampf-Sport. Nathan sagt, am Ende seines Trainigsabends drei Wochen vor der Meisterschaft, er spiele fast jedes Wochenende ein Turnier, „da, wo mich meine Mutter so anmeldet.“ Ob ihn das nicht, na, nerve? Klare Antwort von Nathan, gepaart mit Befremden über die Frage: „Nö.“
Deutsche Schachvereinsmeisterschaft U10: Jugendherberge ist voll
Vom 27. bis 29. Dezember läuft die Meisterschaft, für die 40 Teams in Düsseldorf gemeldet sind, sagt Klub-Vorstand Jan Werner. „Die gesamte Jugendherberge ist voll“ - einige Hotelzimmer musste er zusätzlich organisieren, so groß ist das Turnier. Teilnehmer mussten sich in mehreren Turnieren für die Meisterschaft, die jedes Jahr woanders ausgetragen wird, qualifizieren. Alle Tagungsräume der Jugendherberge sind dann belegt, alle 338 Betten im Haus reserviert für die jungen Schachspielenden und deren Eltern, Trainer und sonstige Begleiter, bestätigt die Jugendherberge auf Nachfrage. Lesen Sie auch: Heute eine Königin - warum Schach plötzlich so angesagt ist
Vom DSK sind fünf Schach-Kinder dabei, eines von ihnen als ‚Ersatz‘-Spieler: Anna-Valentina, Dharshinisi, ihre Schwester Yazhini, Nathan und Boris, der an „Brett 1“ platziert wird - im Schachteam die Position des Top-Spielers. Der Neunjährige aus Niederheid spielt auch Tischtennis, sagt er, „in der AG in der Grundschule“. Schach „interessiert meine Klassenkameraden nicht“ erzählt er wenig froh - sie stünden mehr auf Fußball; sein Tonfall zeigt, er nicht. Er habe Schach von seinem Opa in der Ukraine gelernt, wohl mit fünf habe der ihn ans Brett herangeführt. Dann habe ihn „der Ehrgeiz gepackt“, sagt Boris. Ob denn sein Opa noch gegen ihn gewinne? Boris schüttelt den Kopf mit überlegtem Lächeln.
DSK 1914/25 ist einer der größten Schachvereine Deutschlands
Mit insgesamt 210 Mitgliedern ist der DSK 1914/25 laut Vorstand Jan Werner einer der größten Schachvereine Deutschlands und einer von 16 Schach-Vereinen in der NRW-Landeshauptstadt. Dass das eigene Schach-Bundesliga-Team der Erwachsenen in dieser Saison um die Deutsche Meisterschaft mitspielt und „die ganze Olympiamannschaft Indiens“ dabei für Düsseldorf antritt und es im Januar in Hamburg unter anderem gegen Schach-Superstar Magnus Carlssen geht? Ginge es um Fußball, wäre das wohl in etwa so, als würden Spieler wie Ronaldo oder Messi das Fortuna-Dress tragen. Aber Schach? „Läuft bei den wohl meisten Menschen unter dem ‚Radar‘“, sagt Jugendwart Ralph Buchholz mit einer Mischung aus Bedauern und Verständnis: Es gebe da eben eine Hürde, die bei vielen das Interesse bremse, meint er.
Wenn man erzähle, dass man Schach im Verein spiele, „ist da beim Gegenüber ein ‚Oh-Effekt‘“, beobachtet Buchholz: „Schach ist hoch angesehen“, schließt er daraus, „aber viele trauen es sich selbst nicht zu.“ Das mag der Grund sein, warum wohl nur Schach-Angehauchte beim Zuschauen einer Partie die Spannung empfinden, die dieses Strategie-Spiel auszeichnet. Entdecke er im Alltag irgendwo Menschen beim Schach, sagt Buchholz, bleibe er unweigerlich stehen und gucke einen Moment zu, erzählt der 1956 geborene IT-ler im Ruhestand: „Nach einer Minute sehe ich, ob von ihnen jemand etwas von Schach versteht.“
Warteliste für den Schach-Nachwuchs
Derzeit sind 28 Kinder im Verein mit Geburtsjahr 2014 und jünger, sagt Buchholz - „also U10“. Der Platz für Nachwuchs beim DSK ist knapp, „es gibt eine Warteliste.“ Kinder, die Lust am Schach haben und mindestens wissen, welche Züge erlaubt sind und wie man ein Spiel eröffnet, könnten sich aber auf die Warteliste setzen lassen: „Sobald Platz in den Trainingsräumen ist, laden wir sie zum Probetraining ein“, sagt Buchholz: „Beherrschen sie bereits die Grundlagen des Schachspiels können sie danach an den regelmäßigen Trainings teilnehmen.“
„Beim Schach liegt es am Spieler alleine, ob er gewinnt oder verliert“
Schach ist ein Sport für den ganzen Körper
Dass Schach zu Recht zum „Sport“ gezählt wird, kann Buchholz mit Fakten belegen: „Auf meiner Smartwatch löste neulich der Alarm aus: Bluthochdruck!“, berichtet er: „Das war während einer Schach-Partie.“ Das Sich-Messen gehört zum Wesen vom Schach, wenn man es im Verein betreibt, erklärt Buchholz. Man treffe sich, ob alt oder jung, „um gegeneinander zu kämpfen - so gesittet, wie es im Schach üblich ist, beschreibt Buchholz: „Am Anfang und am Ende einer Partie gibt man sich die Hand.“ Auch interessant: Besondere Partie: Schach-Spielerinnen trennen 66 Jahre
So wird die Vereinsmeisterschaft der Unter-10-Jährigen, bei denen sich Mädchen und Jungen unter den Teilnehmenden relativ gleich gewichten, geprägt sein von einer alle einenden Einstellung: „Sie wollen gewinnen“, sagt Ralph Buchholz über die Schachkinder. Anders vielleicht als im Fußball, kann man im Falle einer eigenen Niederlage nicht „dem Rasen“ oder dem Schiedsrichter die Schuld geben: Wer Schach spiele, sagt Buchholz, „weiß genau, es liegt am Spieler alleine, ob er oder sie gewinnt.“
Alle Infos zur Deutschen Vereinsmeisterschaft U10 im Schach finden sich unter diesem Link: www.deutsche-schachjugend.de
(dae)
Was Kinder durch Schach lernen
Schach schult manches, das Kindern zu Gute kommen kann, sagt Ralph Buchholz, Jugendwart vom Düsseldorfer Schachklub DSK 1914/25: „Man lernt, sich zu konzentrieren“, sagt Buchholz. Genannt wird in diesem Zusammenhang auch logisches Denken, Problemlösung, Geduld, Planung und Voraussicht. Und wen es packe, der oder sie entwickelt womöglich den Ehrgeiz, besser werden zu wollen. Denn, sagt Buchholz, „man muss viel lernen, um gut im Schach zu sein.“ Werde das Spiel in der Familie regelmäßig gespielt, „ist das für Kinder eine gute Voraussetzung, dass ihr Interesse geweckt wird“, meint er. „Auch die Teilnahme an den wenigen Schul-Schach-Gruppen kann ein Zugang zum Schachspiel sein“, meint Buchholz. Doch: Ohne Anleitung durch Erwachsene werde es eher nichts, meint er. Auf der Website des Schachklubs kann man mehr über die Jugendarbeit des Vereins erfahren und wie man Kinder ans Schach heranführen kann: www.duesseldorfer-schachklub.com (dae)