Moers. Trotz schwerer Krankheit leben die Blinden Heinz Peter Maas und Eric Klumb in Moers selbstbestimmt und helfen anderen. Das erleben sie im Alltag.
- Heinz Peter Maas und Eric Klumb aus Moers sind vollblind.
- Sie selbst durchlebten nach der Diagnose eine schwere Phase.
- Heute helfen sie anderen Betroffenen aus Moers und Umgebung.
Seine E-Mails beantwortet Heinz Peter Maas selbst. Darauf legt der 81-Jährige großen Wert. In seiner Position als Vorsitzender des Blinden- und Sehbehindertenvereins für Moers und Umgebung kommt es regelmäßig vor, dass Fragen und Anträge auf seinem Computer-Bildschirm aufploppen. Was auf dem Monitor steht, kann Heinz Peter Maas nicht selbst lesen. Seit mehr als 40 Jahren ist der Scherpenberger vollständig blind.
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Gut, dass es eine Reihe von Hilfsmitteln gibt, die Menschen mit Sehbehinderungen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Etwa die Stenomaschine für Blinde und der Computer mit Sprachausgabe, die sich an Maas‘ privatem Arbeitsplatz reger Benutzung erfreuen. Oder die Blindenuhr zum Aufklappen, mit der Eric Klumb, der zweite Vereinsvorsitzende, geübt die Zeit ertasten kann. „Man muss ganz vorsichtig sein, dass man die Zeiger nicht verstellt“, weiß Klumb. Auch in der Küche gibt es viele Hilfsmittel, mittlerweile können sogar Waagen und Kühlschränke sprechen. An den Herd trauen sich Maas und Klumb trotzdem nicht alleine – lieber lassen sie sich Essen liefern oder erwärmen ein Fertiggericht in der Mikrowelle: „Die Gefahr, sich selbst zu verletzen, ist zu groß. Wir machen vieles selber, aber ganz ohne sehende Hilfe geht es nicht.“
Blinder aus Moers: „Am Anfang hatte ich echt Probleme mit der Krankheit“
Die Vielzahl der Hilfsmittel macht es möglich, dass viele Menschen mit Sehbehinderungen weiter einem Beruf nachgehen können. Das ist gleichermaßen wichtig für den Geldbeutel und die Selbstachtung, wie es auch Heinz Peter Maas erlebte, als er selbst erblindete. Damals war er 39 und arbeitete als Landschaftsgärtner. Durch eine Netzhautablösung und einen grünen Star bildete sich sein Sehnerv zurück und sorgte dafür, dass Maas letztlich sein Augenlicht verlor: „Man sagte mir damals, ich soll aufhören zu arbeiten. Um Gottes willen, ich wollte nicht in Rente. Ich wollte umschulen.“ So wurde der Gärtner zum Telefonisten und ging dieser Tätigkeit bis zum regulären Renteneintritt im Moerser Finanzamt – mittlerweile in Kamp-Lintfort – nach. Maas kennt blinde Anwälte und Richter, die im Job bleiben können. Die meisten seiner blinden Bekannten arbeiten in den Büros der Kommunal- oder Kreisverwaltungen.
So auch Eric Klumb, der als Verwaltungsfachangestellter häufig in befristeten Stellen tätig ist. Der 52-Jährige hatte schon als Kind eine Sehkraft von nur etwa zehn Prozent, konnte nur noch wie durch ein Fernrohr sehen und auf dem rechten Auge nicht mehr fokussieren. Seit etwa 20 Jahren ist er vollblind. „Am Anfang hatte ich echt Probleme mit der Krankheit und war zu eitel, um den weißen Langstock zu tragen.“
Blinde Menschen berichten aus ihrem Alltag in Moers
Doch dieser ist nicht nur aus Versicherungsgründen elementar, sondern dient als Erkennungszeichen blinder Menschen. Sprüche wie „Pass doch auf, wo du hinläufst“ habe er ohne den Stock zu hören bekommen. Auch als „Simulant“ wurde der Moerser bereits beschimpft. Ansonsten erfährt er in seinem Alltag in Moers überwiegend große Unterstützung von seinen Mitmenschen. „Kaum stehe ich alleine am Bahnhof, bieten mir Menschen ihre Hilfe an, helfen mir beim Einsteigen in den Zug und zeigen mir freie Plätze“, berichtet Klumb. Und wenn mal ein Koffer auf dem Blindenleitsystem abgestellt ist, dann sei das in der Regel keine böse Absicht.
Mit zahlreichen Blindenampeln, Leitsystemen auf dem Boden und einer „sehr netten Blindenkoordinatorin“ sei Moers ein guter Wohnort für nicht-sehende Bürgerinnen und Bürger. Einzig die vielen Baustellen im Stadtzentrum und die angekündigte Innenstadtsanierung bereiten Heinz Peter Maas und Eric Klumb Sorge.
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Aber mit Sorgen können sie bekanntlich umgehen. Als Vereinsvorsitzende helfen sie Blinden und Sehbehinderten von zehn bis 90 Jahren im linksrheinischen Gebiet des Kreises Wesel. „Wer erblindet, fällt in ein tiefes Loch. Und wer keine Unterstützung von Freunden und Verwandten hat, fühlt sich hilflos“, weiß Heinz Peter Maas. Im Verein können sie sich mit anderen Betroffenen austauschen, erhalten Tipps zur Beantragung von Blindengeld und zur Kostenübernahme der Krankenkassen und bekommen Zugang zu Ansprechpartnern. „Man sollte nie sagen: ‚Ich bin blind, ich kann nichts mehr‘“, appelliert Maas.
Paralympics 2024: Blinde Moerser fiebern dem Start entgegen
Dafür gehen die beiden Vorsitzenden mit gutem Beispiel voran. Heinz Dieter Maas werkelt so viel wie möglich in seinem gemütlichen Garten. Zudem verbindet ihn die Leidenschaft zur Musik mit seinem Co-Vorsitzenden: Während Maas in seiner Wohnung Keyboard spielt und dazu singt, bevorzugt Eric Klumb härtere Klänge – und spielt als Schlagzeuger in einer Hard-Rock-Band. Auch der Sport gibt dem 52-Jährigen viel Kraft: In einem abgetrennten Bereich des Waldsees steigt Klumb gern auf ein Stand-up Paddlingboard. Eine sehende Person fährt dann mit einem Motorboot und Musik vorweg, Klumb paddelt nur mithilfe seines Gehörs hinterher.
Die großen sportlichen Leistungen von Blinden und anderen Menschen mit Einschränkungen stehen ab Mittwoch, 28. August, wieder im Fokus: Dem Start der Paralympics in Paris fiebern die beiden Moerser bereits entgegen und verfolgen die Wettkämpfe per TV-Ton und im Radio: „Es ist sehr wichtig, dass wir wahrgenommen werden.“
Blindenverein sucht Ehrenamtler
Der Blinden- und Sehbehindertenverein für Moers und Umgebung e.V. trifft sich jeden dritten Freitag im Monat von 14 bis 16 Uhr am Hanns-Albeck-Platz 2 zur Selbsthilfe. Eine telefonische Anmeldung unter 02841/55370 oder 02841/3682993 wird für die Teilnahme erbeten. Zudem sucht der Verein ehrenamtliche Unterstützer, welche Vereinsmitglieder in alltäglichen Situationen wie dem Einkauf begleiten können oder beim Aufbau für Veranstaltungen und Messen helfen möchten. Weitere Informationen zu den Vereinsaktivitäten und Unterstützungsmöglichkeiten gibt es auf www.blindenverein-moers.de.