Herne. Erstarkt nach dem Bandidos-Aus nun die Rockerszene in Herne? Neue angebliche „Angels“ sind in einem Tiktok-Video zu sehen. Was sagt die Polizei?
Gibt es in Herne wieder einen Rockerclub? Das legt ein Video nahe, das bei TikTok hochgeladen wurde. Es trägt den Titel „Die Neuen Angels (Ex-Bandidos)“. Der tausendfach aufgerufene Film zeigt eine Gruppe von mehreren Dutzend Männern vor dem Café del Sol an der Holsterhauser Straße und trägt die Ortskennung Herne. Der Herner Polizei ist das Video bekannt. Sie hält sich dazu aber bedeckt.
Bandidos? Da war doch was? Genau: Die Bandidos wurden 2021 vom Land als kriminell eingestuft und verboten. Das hatte auch Konsequenzen in Herne. Das Bandidos-Clubhaus an der Rottstraße im Ortsteil Baukau musste nach dem Verbot umgehend dicht machen. Dort war die Ortsgruppe „BMC Herne East Midwest“ zu Hause. Die Polizei rückte an, durchsuchte und schloss das Clubhaus. Auch der Herner Chapter (Ortsgruppe) musste sich auflösen - so wie weitere Dutzend Chapter in NRW, unter anderem aus Bochum, Castrop-Rauxel, Essen, Duisburg, Gelsenkirchen, Recklinghausen und Unna. Zugleich wurde das Vereinsvermögen der Rocker eingezogen.
Herne: Ex-Bandidos machen zur einstigen Konkurrenz
@eierkopptvv #rocker #nrw #angels #bandidos #dortmundcity #herne #unna @SPIEGEL TV @tagesschau @zdf
♬ Originalton - VOLO
Viele heimatlose Bandido-Rocker zieht es seit dem Verbot zur Konkurrenz - zu den einstigen Erzfeinden Hells Angels. Nach Informationen des Innenministeriums sind dadurch 22 neue „Charter“ der Hells Angels entstanden, die meisten im Ruhrgebiet. Dieser Schritt ist legal: Die neuen Ortsvereine dieser Rockerbande werden vom Land nicht als Nachfolge-Organisation der verbotenen Bandidos eingestuft. Sie dürfen deshalb ganz offiziell weiterexistieren. Wenn sie als Nachfolge-Organisation eingestuft würden, dann wären sie automatisch ebenfalls verboten. Um weiter einem Rockerclub angehören zu können, machen Ex-Bandidos also einfach zur einstigen Konkurrenz rüber.
Gut möglich, dass deshalb auch die Rockerszene in Herne wiederbelebt wird. Das TikTok-Video jedenfalls zeigt die „Neuen Angels“ in Herne, wie sie vor dem Café del Sol posieren. Zu sehen sind in dem kleinen Kameraschwenk mehrere Dutzend Männer, viele muskelbepackt und mit Glatze, die sich vor der Kamera aufbauen. Handelt es sich dabei um Mitglieder eines neuen Herner „Charters“ der Hells Angels? Oder „nur“ um Mitglieder aus anderen Chartern, die sich „zufällig“ in Herne - weil mitten im Ruhrgebiet gelegen - zum gemeinsamen, „gemütlichen“ Beisammensein treffen? Die Polizei schweigt. Das Video, so die schriftliche Antwort einer Polizeisprecherin auf WAZ-Anfrage, sei der Polizei bekannt. Bekannt sei der Polizei ebenfalls, dass sich Ex-Bandidos-Rocker seit dem Bandidos-Verbot 2021 den Hells Angels anschließen. „Ebenfalls sind Neugründungen von Chartern des Hells Angels MC bekannt“, so die Sprecherin weiter.
Über Hells-Angels-Aktivitäten in Herne will die Polizeisprecherin aber keine Angaben machen: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass nicht alle lokalen Erkenntnisse der Polizei im Bereich Organisierter Kriminalität im Allgemeinen und im Bereich der Outlaw Motorcycle-Gangs im Besonderen zur Veröffentlichung geeignet sind.“ Gleichwohl, so heißt es weiter, „beobachten wir die Entwicklungen sehr aufmerksam“. Das Landeskriminalamt und die Fachdienststellen der Polizei analysierten die Situation fortlaufend und stimmten sich dabei auch mit Partnern auf Bundesebene ab.
+++ Nachrichten aus Herne - Lesen Sie auch: +++
- Menzels Erdbeerzipfel wird Kult am Gysenberg in Herne
- Weihnachtsaktion: Döner für 1 Euro - oder sogar gratis
- 85 neue Wohnungen in Herne geplant: Warum es Kritik gibt
Die Bandidos in Herne haben in der jüngeren Vergangenheit mehrfach für Aufsehen gesorgt. Bei einem sogenannten „Kutten-Überfall“ auf drei ortsfremde Rocker des Clubs „The Living Dead MC Nomads“ an der Holsterhauser Straße in Herne-Mitte – das Trio hatte sich verfahren - zog sich ein Opfer 2018 schwerste Schädel-Hirnverletzungen zu. Der Mann ist seitdem ein Pflegefall. Einer der Täter war ein 35-jähriger Herner, der damals Präsident des Bandido-Chapters MC Bochum-City/Ruhrpott war. Das Landgericht verurteilte ihn zu neun Jahren Haft. Gegen vier weitere an der Tat beteiligte Bandidos-Mitglieder aus Herne, Dortmund und Essen wurden Haftstrafen von bis zu sechs Jahren und acht Monaten verhängt.
Damit nicht genug: Wegen der zunehmenden Aggressionen zwischen verfeindeten Rocker-Gruppen hatte die Stadt Herne 2019 für die Cranger Kirmes nach zweijähriger Pause erneut ein Kuttenverbot erlassen. Dieses Verbot sollte Provokationen und Ausschreitungen sowie Revierkämpfe zwischen rivalisierenden Gruppierungen während des Rummels verhindern. Hintergrund waten Gewalttaten und Provokationen im Rockermilieu.