Herne. Dennnis Witt ist der erste in seiner Familie, der studiert hat - mit großem Erfolg. Der Herner hat einen Doktor- und einen Bachelortitel.
Manchmal fragt man sich, ob der Tag für einige Menschen mehr als 24 Stunden hat. Der Herner Dennis Witt gehört zu ihnen. Mit seinen 34 Jahren ist er bereits promovierter Humangenetiker, ein Mastertitel in Wirtschaftsinformatik ziert auch schon seinen Lebenslauf. Es wird noch mehr hinzukommen, doch dazu später.
Nicht nur diese Karriere in jungen Jahren ist erstaunlich, sondern auch die Tatsache, dass Witts Startvoraussetzungen eigentlich nicht darauf hindeuteten. Denn Witt, der in Constantin und in der Herner City aufgewachsen ist, ist der erste in seiner Familie, der eine Universität besucht hat. Sein Vater sei Betriebsschlosser bei den Bochumer Stadtwerken, seine Mutter arbeitet als Sekretärin. „Vorbilder für ein Studium hatte ich nicht“, erzählt er.
Witt: Es ist großartig, dass es das Talentkolleg in Herne gibt
Das Herner Talentkolleg hätte ihm helfen können, doch das existierte noch nicht, als er vor der Wahl stand: Uni oder Ausbildung. Erst im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion erfuhr er vom Kolleg - und findet es großartig, dass es so etwas gibt. „Das Programm, das dort angeboten wird, hätte mir auch sehr geholfen.“
Er selbst habe über die Schnupper-Uni des Otto-Hahn-Gymnasiums erstmals Kontakt zu einem Hochschulstudium bekommen. So habe er während der Oberstufe an der Ruhr-Uni in Bochum erfahren, wie so ein Studium abläuft, und dass es gar nicht so trivial ist. „Dieses Wissen fällt ja nicht vom Himmel.“
Ausbildung oder Studium: Eltern konnten bei der Entscheidung nicht helfen
Witt hatte zwar als Schüler durchaus ein Studium ins Auge gefasst, doch diesen Gedanken wegen der Studiengebühren wieder verworfen. „Mir war klar, dass ich es mit den Gebühren nicht schaffen werde zu studieren.“ Deshalb habe er sich anders orientiert: eine Ausbildung bei der Polizei oder als Industriekaufmann. Doch dann wurden die Gebühren wieder abgeschafft, Witt strebte zur Uni. Weil er einen Abiturschnitt von 1,1 hatte - und damit Stufenbester am OHG war -, entschied er sich für ein Medizinstudium. Der andere Grund: Er habe sich unter vielen anderen Studiengängen nichts vorstellen können. „Ich hätte überhaupt nicht gewusst, was ein Informatiker macht.“ Mit Blick auf seinen späteren Werdegang hat diese Aussage eine gewisse Ironie. Seine Eltern hätten ihn bei diesen Entscheidungen nicht helfen können, mehr noch: Sie seien lange skeptisch gewesen, ob ein Studium das richtige für ihren Sohn ist. Witt glaubt, dass sie heute stolz auf ihn sind.
Er sei sehr gut durchs Studium gekommen - und das, obwohl er gleich zwei Nebenjobs hatte: als Pfleger und als OP-Assistent. „Das war relativ heikel, das noch neben dem Studium unterzubekommen, aber es hat ja geklappt.“ Ein Grund: Er habe Menschen kennengelernt, die ihn unter ihre Fittiche genommen hätten, unter anderem sein späterer Doktorvater, Prof. Chris Braumann, der Chefarzt am EvK in Gelsenkirchen ist und seit 2023 auch Chirurgischer Direktor im EvK Herne. Vielleicht triff Witt ihn ja mal wieder, alle zwei bis drei Monate besucht er seine Heimatstadt.
Bachelor in Wirtschaftsinformatik im Fernstudium der Internationalen Hochschule
Während seiner Facharztausbildung an einem Uni-Klinikum und einem Kreiskrankenhaus in Baden-Württemberg hat Witt parallel seine Doktorarbeit verfasst und obendrein einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik absolviert. Seinen Mastertitel machte im Fernstudium der Internationalen Hochschule. Zum Glück sei die IU sehr flexibel bei den Prüfungsterminen gewesen, so Witt.
Wie schafft er das alles? Was treibt ihn an? Es sei alles eine Frage der Organisation, so Witt. Irgendwann habe man immer etwas Leerlauf, selbst in zehn Minuten könne man sich Dinge anschauen und lernen. Außerdem benötige er weniger Schlaf als andere Menschen und zuletzt: „Ich lerne eben gerne. Das hilft, die Welt besser zu verstehen und spannende Jobs auszuüben.“ So sei das Leben deutlich interessanter, man lerne interessante Menschen kennen.
Dennis Witt will auf jeden Fall noch ein weiteres Fach studieren
Als Humangenetiker an der Uni-Klinik in Tübingen - eins der Hauptzentren für medizinische Genetik in Europa - bewegt sich Dennis Witt in einem jungen Forschungsfeld, das er mit seinen Kenntnissen aus der Wirtschaftsinformatik kombiniert. Er befasst sich mit der Frage, wie man Künstliche Intelligenz für die Medizin nutzbar macht. Das Ziel sind verbesserte Krebstherapien. „Manchmal weiß man nicht, wo Krebs herkommt“, beschreibt Witt die Ausgangslage. Das sei schlecht für die Therapie, weil man nicht wisse, ob ein Medikament den Krebs überhaupt erreiche. Sein Team analysiere die genetischen Daten der Krebszellen. Dazu fehlten aber große Datenmengen, Witts Team habe ein Tool geschrieben, das künstliche Daten erzeuge. Das könne mit einer Genauigkeit von bis zu 90 Prozent vorhersagen, wo der Krebs herkommt.
Diese Forschung ist sicher ein Thema für eine Habilitation. Die strebt Witt tatsächlich in den nächsten vier bis fünf Jahre an. Damit nicht genug. Er wolle auf jeden Fall noch ein weiteres Fach studieren: Geschichte. Auch Soziologie interessiere ihn... Obwohl der Tag nur 24 Stunden hat.